Perle im Wattenmeer
Die niederländische Nordsee-Insel Schiermonnikoog bietet Schätze im Watt, Seehunde und traumhafte Strände.
Die Ostfriesischen Inseln wie Borkum, Juist oder Norderney kennen viele Reisende. Bei unseren Nachbarn in den Niederlanden locken die westfriesischen Inseln. Texel, Terschelling und Ameland sind auch bei Urlaubsgästen aus Deutschland beliebt. Doch da gibt es noch eine weitere Perle im Wattemeer zu entdecken: Schiermonnikoog. Meistens gibt es nur ein Achselzucken, wenn das Eiland erwähnt wird. Dabei liegt Schiermonnikoog in direkter Nachbarschaft zu Borkum. Und hat vor allem für Naturliebhaber jede Menge zu bieten – in allen Jahreszeiten.
Vor Sonnenaufgang ist die kleine Gruppe aufgebrochen, zum Jachthafen im Süden der Insel geradelt. Dort startet eine geführte Wattwanderung. Der Guide heißt Thijs de Boer, wurde 1953 auf der Insel geboren. „Ich bin schon als Junge mit meinem Vater ins Watt und zum Fischen gegangen“, erzählt der 70-Jährige. Nach der Schule sei er zur Ausbildung aufs Festland gezogen, doch seit 20 Jahren ist er wieder auf der Insel, arbeitet als Naturführer beim Fremdenverkehrsamt VVV Schiermonnikoog. Er trägt einen Spaten im Gepäck. Es regnet, es weht eine steife Brise, doch die Stimmung in der kleinen Gruppe ist gut. Denn Thijs hat viel Spannendes zu erzählen und zu zeigen. Wir stehen mitten in einer großen Ansammlung von Blütenpflanzen am Rande des Watts. Sie leuchten in verschiedenen Farben: Gelb, ocker, orange, rot, braun. „Das ist Queller“, erklärt Thijs, „im Frühjahr ist das Fuchsschwanzgewächse grün, jetzt trägt es prächtige Herbstfarben.“In hohen Gummistiefeln
stapft die Gruppe ins Watt. Dann bleibt Thijs stehen, hebt mit dem Spaten einen dicken Brocken der Schlammschicht aus, bricht ihn auf. „Sehen Sie diese dünnen Faden hier?“Die Wattwandergruppe rückt dichter heran. Zwei winzige Fäden sind zu erkennen. „Das ist der Rote Fadenwurm. Neben den Würmern gibt es hier 120 Muschelarten, dazu rund 90 Pflanzen- und mehr als 300 Vogelarten.“Biodiversität werde auf Schiermonnikoog großgeschrieben. „Neben den Korallenriffen sind wir das artenreichste Gebiet der Welt.“
Szenenwechsel. Vom Watt im Süden an den riesigen Strand im Norden. Von kleinen Würmern und Muscheln zu großen Meeressäugern. Der „Eilander Balgexpres“, ein Traktor mit angehängtem Plan
wagen, tuckert bei Ebbe über den Strand ans Ende der Welt. Das heißt „De Balg“, liegt ganz im Osten und ist ein Lieblingsplatz der Robben. Hier ruhen sich regelmäßig ganze
Gruppen von grauen und gewöhnlichen Seehunden und Kegelrobben auf den Sandbänken aus. Neben den Raubtieren, die so possierlich aussehen, lohnt ein Spaziergang, bei dem man nach allerlei Muscheln und anderen Strandgütern Ausschau halten und die unglaubliche Weite dieser von den Gezeiten, von Wind und Wellen geprägten Landschaft genießen kann, ehe der Balgexpres wieder zur Rückfahrt ruft. Ebenso zu empfehlen ist eine Wanderung auf eigene Faust am Nordstrand, der zu den breitesten in Europa zählt. Tipp: Mit dem Fahrrad über den Prins Bernhardweg bis zum urigen Restaurant Strandpavillon De Marlijn und von dort aus Richtung Oosterstrand, zwischen Dünen und Nordsee soweit die Füße tragen. Hier zeigt der Strand jeden Tag einen anderen Charakter, hier lassen sich bei klarer Luft in aller Ruhe Möwen und Schwalben beobachten, die in der Brandung fischen.
Schiermonnikoog bedeutet Natur pur. Neben Watt, Meer und Strand lohnen Dünen, Salzwiesen, Waldstücke und Süßwasserseen einen Besuch. Auch Sternengucker kommen auf ihre Kosten, fast nirgendwo soll die Nacht so dunkel sein wie hier. Ein Großteil der Insel sowie Bereiche der offenen Nordsee und des Wattenmeeres erhielten bereits 1989 den offiziellen Status eines Nationalparks. Nicht dazu gehört das Dorf Schiermonnikoog. Es zählt rund 95 Einwohner und gleicht einem kleinen Juwel. Im 17. Jahrhundert bestand es aus mehreren Weilern. Da das Meer die Westküste der Insel immer mehr verschlang, waren die Bewohner gezwungen, sich Richtung Osten nieder zu lassen. So entstand das heutige Dorf mit seiner charakteristischen Ausstrahlung. Die Straßen (streken) wurden von West nach Ost angelegt, um den Einfluss des Windes einzuschränken. Etliche prächtige, restaurierte Inselhäuser stehen heute hier, aus Backstein
gebaut, mit Satteldach, dem Giebel mit Schornstein und vielen großen Fenstern. Das älteste ist das Häusschen Marten aus dem Jahr 1721 in der Middenstreek. Zur Erinnerung an den Walfang im Zweiten Weltkrieg, steht mitten im Dorf, am Willemshof, der Kiefer eines Blauwals. Um die Mönche, um 1200 die ersten Bewohner Schiermonnikoogs, zu ehren, wurde 1961 die Statue des Schiere Monnik am Willemshof neben dem Rathaus enthüllt. Denn Schiermonnikoog heißt übersetzt: „Insel der grauen Mönche“.