Willkommen in der Conch Republic
Der südlichste Zipfel Floridas spaltete sich 1982 von den USA ab und gründete die Conch Republic, deren Geist noch heute lebt.
„Florida und die Conch Republic sind zwei verschiedene Welten“, sagt der Maler Tony Gregory mit überzeugender Stimme. „Du wirst hier in Key West kaum einen Einwohner finden, der sich als Bürger Floridas identifiziert.“41 Jahre ist es her, als die Behörden des südlichsten Bundesstaates der USA einen Kontrollpunkt an der einzigen Zufahrtstraße auf die Florida Keys einrichteten, um – so die Erklärung – illegale Migranten aufzugreifen. Autoschlangen, endlose Wartezeiten und Einbußen im Tourismus waren die Folge und als selbst die Klage des Bürgermeisters vor dem Bundesgericht nichts brachte, nahmen die Einwohner von Key West die Sache einfach selbst in die Hand und gründeten am 23. April 1982 ihre unabhängige Conch Republic.
Dieser Schildbürgerstreich erwies sich als äußerst erfolgreicher PRGag und richtete schnell das Interesse der Medien auf den kleinen, etwa 26.000 Einwohner zählenden Ort am südlichsten Zipfel der USA. Die Conch Republic mit eigener Flagge, Hymne und selbstgefertigten Pässen war in aller Munde und es dauerte nicht lange, bis die USBehörden beschämt die Kontrollstation auflösten.
Die blaue Flagge mit dem Symbol der Conch-Muschel (Fechterschnecke) weht noch heute an vielen Gebäuden in Key West und am 23. April feiern die Bewohner alljährlich ihren Nationalfeiertag mit allerlei schrägen Ritualen, wie einem Stöckelschuhwettlauf oder einer Unabhängigkeitsschlacht mit Tomaten und Klopapierrollen. „Der liberale Geist lebt bei uns weiter“, stellt Tony stolz fest.
„Eine Diskriminierung gleich
geschlechtlicher Paare, wie in anderen Regionen der USA, ist bei uns genauso undenkbar wie die Entfernung unliebsamer Bücher, wie das Tagebuch der Anne Frank, aus Schulbibliotheken in Florida. Gegenseitige Hilfe und Freundlichkeit gegenüber jedem Gast machen den Charakter unserer Menschen aus, denn wir glauben an das Konzept der Menschenfamilie.“Einerseits sieht Tony die lange Isolation der kleinen Inseln als Ursache für diesen Gemeinschaftssinn, denn bis zum 20. Jahrhundert gab es keine Verbindung zum Festland. Aber auch Naturkatastrophen, wie Hurrikane, schweißten die Menschen zusammen. Für Geschädigte werden impulsiv Kunstauktionen, Spenden oder „Relief-Parties“organisiert, denn die Conchs lieben es zu feiern und sie finden stets Anlässe dafür. So vergeht kaum eine Woche, in der auf einer der Inseln kein Fest stattfindet – vom Food and Wine Festival auf Key Largo und Islamorada im Januar, über den Seven Mile Bridge Run im April, die Key West Pride Parade im Juni bis zum äußerst beliebten Fantasy Fest im Oktober, zu dessen Kostüm- und Maskenparade Tony mit künstlerischen Bodypaintings beiträgt.
Auch dem wohl berühmtesten Einwohner von Key West, Ernest Hemingway, ist ein eigenes Fest im Juli gewidmet, das Hemingway Days Festival mit dem humoristischen Hemingway-look-alike-contest, zu dem sich Dutzende als Hemingway maskierte in dessen einstiger
Lieblingskneipe „Sloppy Joe`s“versammeln. Der beliebte Schriftsteller, der knapp zehn Jahre in Key West wohnte, und hier viele seiner Werke schrieb, lockte viele Bohemians nach Key West, deren unkonventionelle, alternative und extrovertierte Lebensweise zusehends den Alltag auf den Keys prägte und noch immer prägt, wie es Tony mit seinem Slogan „live and let live“umreißt. „Bei uns zählt nicht das Geld auf dem Konto, sondern die Offenheit des Herzens“, bringt er diese Grundhaltung im Gespräch auf den Punkt.
Auch als Urlauber trifft man allerorts auf eine Atmosphäre der Geselligkeit, Gelassenheit und des gegenseitigen Respekts, sei es bei humorvollen Begegnungen mit netten Leuten auf einer Radtour mit
„Key Lime Bike Tours“, bei der Auswertung von Schnorchelerlebnissen während einer Delfinbeobachtung mit „Honest Eco“, bei einem Absacker im Sloppy Joe`s oder bei einer Führung durch das Hemingway Home and Museum, in dem selbst die vielen Katzen im Haus tun und lassen können, was sie wollen. Zugleich begegnet man vielen Aktivisten, die sich für das Gemeinwohl engagieren. „Hurrikane und hohe Wassertemperaturen zerstören immer wieder unsere Korallenriffe“, benennt Summer Huber eines der Probleme, mit denen die Conchs konfrontiert werden. Die junge Frau studierte daher Biologie und engagiert sich nun im „MOTE Marine Laboratory & Aquarium“in Key Largo für die Züchtung resistenter
Korallenpopulationen. Nach mehrjähriger Forschung ist es dem MOTE-Team gelungen, Korallen künstlich zu vermehren, von denen allein im vergangenen Jahr 46 Tausend in den rund 500 Kilometer langen Riffen am Rande der Keys ausgepflanzt wurden.
Neben den naturbedingten Schäden haben die Keys auch mit menschengemachten Katastrophen zu kämpfen. Dünger und Pestizide der Landwirtschaft fließen in die offenen Gewässer und vergiften beispielsweise das Seegras, die hauptsächliche Nahrungsgrundlage der Grünen Meeresschildkröten. Welche verheerenden Auswirkungen die toxischen Substanzen auf die Population der Spezies hat, erfahren Besucher im „The Turtle Hospital“in Marathon. „90 Prozent der bei uns eingelieferten Tiere sind Grüne Meeresschildkröten mit ernsthaften Tumoren“, erklärt Managerin Bette Zirkelbach und hebt ein Exemplar mit pilzähnlichen Auswucherungen am gesamten Körper aus dem Wasserbecken. „In unserem Hospital werden die Tumore einhergehend mit Bluttransfusionen operativ entfernt und wir konnten bereits mehr als 1000 Meeresschildkröten gesund in die Freiheit entlassen.“
Die noch bis 1975 als Suppenschildkröten in Konservendosen zerstückelten Tiere stehen jetzt unter strengem Schutz. Auch das Angebot an Besucher, Patenschaften für einzelne Patienten zu übernehmen und so deren Gesundung finanziell zu unterstützen, wird gern angenommen. Und es ist ein gutes Gefühl, die Annehmlichkeiten eines Urlaubs auf den Keys mit einer nützlichen Tat zu krönen.