Trainieren statt operieren
Sechs von zehn Erwachsenen in Deutschland klagen mindestens einmal im Jahr über Rückenbeschwerden. Das muss nicht sein, sagt Dr. med. Gabriela Kieser. Im Interview erklärt sie, wie Sie Beschwerden vorbeugen oder therapieren können.
Frau Dr. Kieser, was sind aus Ihrer Sicht Risikofaktoren für Rückenschmerzen?
Wir haben den Bewegungsapparat eines Steinzeitmenschen, der auf Jagd und wechselnde Belastungen ausgerichtet ist. Doch wir verhalten uns nicht dementsprechend. Meist sitzen wir den ganzen Tag: tagsüber auf dem Schreibtischstuhl und abends auf dem Sofa. Das Problem: Sind wir körperlich inaktiv, bildet sich die Muskulatur zurück. Sie verkümmert – wir bezeichnen das als Muskelatrophie. Dieser Muskelschwund betrifft auch unsere Rückenstrecker, die die Wirbelsäule stabilisieren und schützen.
Und das führt zu Beschwerden?
Genau. Wir wissen, dass Menschen mit chronischen Rücken- und Nackenbeschwerden häufig schwache autochthone Rückenstrecker haben. Sind diese Muskeln zu schwach, werden Wirbelgelenke und Bandscheiben ungleichmäßig be- und damit schnell überlastet. Sie verschleißen vorzeitig. Blockaden, Abnutzungserscheinungen, Bandscheibenvorwölbungen oder -vorfälle, Arthrosen, gereizte Nerven oder Entzündungen zählen zu den häufigen Folgen. Oftmals ist es ein einmaliges Schmerzereignis wie ein Hexenschuss, das in einen Teufelskreis führt.
Können Sie uns diesen Teufelskreis kurz beschreiben?
Aus Angst vor erneuten Schmerzen nimmt der Betroffene meist eine Schonhaltung ein und vermeidet Belastungen des Rückens. Diese Inaktivität führt aber dazu, dass sich die Rückenstrecker weiter zurückbilden und die Wirbelsäule funktionell instabil wird. Irgendwann schmerzen sogar einfache Belastungen. Es ist ein sich selbst verstärkender Mechanismus, den wir Mediziner als „Dekonditionierungs-Syndrom“bezeichnen. Dieser kann dazu führen, dass die Beschwerden chronisch werden.
Was kann ich tun, um das zu verhindern?
In der Prävention und Therapie von Rückenbeschwerden muss es in erster Linie darum gehen, die Kraft und Funktion der Rückenstrecker zu erhalten bzw. wiederherzustellen. Ergänzend sollten alle Muskeln des Rumpfes sowie die Muskeln der Oberschenkel, des Gesäßes oder des Beckenbodens gestärkt werden. Ein natürliches Muskelkorsett hilft, uns aufzurichten, die Wirbelsäule zu stabilisieren und die Strukturen zu schützen.
Wie gelingt das?
Studien zeigen: Die effektive Kräftigung der Rückenstrecker gelingt nur, wenn das Becken während des Trainings fixiert ist. Denn nur dann lässt sich die Muskelschlinge aus Rücken- und Hüftstreckern, Gesäß- und hinterer Oberschenkelmuskulatur unterbrechen, so dass die Rückenstrecker isoliert arbeiten müssen. Das gelingt mit Hilfe unserer Lumbar Extension-Maschine (LE). Diese computergestützte Rückenmaschine erfüllt alle technischen Voraussetzungen für ein hocheffizientes Rückentraining. Zwar lassen sich Abnutzungen und Bandscheibenvorfälle nicht wegtrainieren, aber Schmerzen können gelindert oder sogar beseitigt werden. Eine Studie zeigt: Durch das Training an der LE konnten neun von zehn geplanten Operationen vermieden werden. In der Regel reichen 12 bis 18 Trainingseinheiten dazu aus.