Auf den Spuren von Jan Vermeer
Delft ist die Heimat des berühmten Barockmalers und eine Perle unter den niederländischen Städten. Neben seinem großen Sohn Vermeer hat das Städtchen unweit von Den Haag und Rotterdam aber noch einiges mehr zu bieten.
Er ist der wohl größte Sohn der Stadt, und viele Museen auf der Welt sonnen sich heute in seinem Ruhm: Zuletzt würdigte das Amsterdamer Rijksmuseum im Frühjahr 2023 mit einer großen Ausstellung das Schaffen des Barockmalers Jan Vermeer (getauft 1632, gestorben 1675). Der Künstler, einer der genialsten Maler des Goldenen Zeitalters der Niederlande und Meister des Lichts – sein „Mädchen mit dem Perlenohrring“genießt heute Kultstatus – stammt aber nicht etwa aus Amsterdam, sondern aus dem kleinen Städtchen Delft. Das verfügt zwar über kein einziges Gemälde des Meisters mehr, man trifft dort aber noch überall auf seine Spuren. Und auch über Vermeer hinaus ist das traditionsreiche Delft, das in unmittelbarer Nachbarschaft zu Den Haag und Rotterdam liegt und als einzige, nicht am Meer gelegene Stadt im 17. Jahrhundert zur mächtigen Ostindien-Kompanie gehörte, eine ( Wieder-)Entdeckung wert. Denn Delft bietet den geballten Charme einer typisch niederländischen Stadt: prächtige historische Bauten, malerische Gässchen, monumentale Kirchen – und natürlich alles durchzogen von unzähligen Grachten. Delfts Vorteil: Es ist nicht so überlaufen.
Museum Prinsenhof
Schauplatz dramatischer Ereignisse war 1572 das Delfter Sint-Agatha-Kloster nahe der Oude Kerke, heute das Museum Prinsenhof: Dort wurde Wilhelm von Oranien, auch genannt der Schweigsame, 1584 von einem Anhänger des spanischen Königs ermordet. Kein Wunder: Der Fürst und Staatsmann Wilhelm (1533 bis 1584) vertrat die Idee der religiösen Toleranz, was ihn zum Widersacher des mächtigen katholischen Herrschers machte.
Das bewegte Leben und Zeitalter Wilhelms, den die Niederländer heute respektvoll „Vater des Vaterlandes“nennen, wird im Prinsenhof durch zahlreiche Gemälde, Keramiken, Textilien und vieles mehr lebendig. Der Besucher erfährt, wie Handel, Technik, Kunst und Wissenschaften ab dem 16. Jahrhundert in den Niederlanden erblühten, und das Land zur Weltmacht aufstieg.
In diese glanzvolle Epoche fällt übrigens auch die Entstehung der weltberühmten Delfter Keramik, deren Geschichte ebenfalls im Museum Prinsenhof erzählt wird. Weitere Infos gibt es auf www.delft.com/de/ museum-prinsenhof-delft
Vermeer-Zentrum
Von außen sieht es aus wie ein historisches Gebäude, das Vermeer-Zentrum an der Voldersgracht. Tatsächlich wurde das ehemalige Gebäude der Lukas-Gilde aber erst 2006 im Stil des 17. Jahrhunderts wieder neu errichtet – die Niederländer verstehen es eben, ihre Stadtkerne historisch einheitlich zu gestalten. Bausünden in gewachsenen Stadtkernen wie vielfach hierzulande sieht man dort weit seltener.
Das Vermeer-Zentrum ist heute die zentrale Erinnerungsstätte der Stadt an ihren größten Sohn. Im Jahr 1653 war Jan Vermeer der Lukas-Gilde, einer wichtigen Vereinigung von Töpfern, Malern, Glasmachern und Buchhändlern, beigetreten. Geboren wurde er übrigens nur wenige Häuser entfernt.
Auf drei Etagen kann der Besucher in dem Zentrum in das Delft der Vermeer-Zeit eintauchen. Vor allem aber werden Vermeers Arbeitsweise, seine Maltechniken und seine Gedankenwelt vor Augen geführt – und das sogar praktisch: So kann man mit einer Camera Obscura oder auch mit verschiedenen Farben experimentieren wie einst der Meister. Und in eigens aufgbauten Szenerien in die Motivwelten seiner Werke eintauchen. Der „Sphinx von Delft“, wie Vermeer auch genannt wird, kommt man – auch ohne die Möglichkeit, originale Werke anzuschauen – so doch recht nahe. Schriften oder Zeugnisse von Vermeer sind nämlich kaum erhalten. Man weiß heute nicht einmal, wo und bei wem er das Malen und Zeichnen überhaupt erlernt hat. www.delft.com/de/ vermeer-centrum-delft
Stadtbummel
Wohl aber weiß man, wo Vermeer gewohnt hat. Und dass er seine Stadt nur selten (nachweislich sogar nur zwei Mal) verlassen hat. Das eine Mal war es eine Fahrt nach Den Haag, das andere Mal, als er die berühmte Ansicht seiner Heimatstadt vom anderen Ufer des Flusses Schie aus gemalt hat. Das so entstandene Gemälde ist heute im Besitz des Museums Mauritshuis in Den Haag.
Wendet man sich vom VermeerZentrum Richtung Marktplatz, passiert man einen Durchgang, an dem früher das Wirtshaus von Vermeers Vater stand. Und dann ist man auch schon auf dem weitläufigen Marktplatz von Delft, den zur einen Seite hin das prächtige Rathaus im Stil der niederländischen Renaissance aus dem 17. Jahrhundert begrenzt. Und der zur anderen Seite von dem imposanten Turm der Nieuwen Kerke dominiert wird. Dieser ragt hoch in den Himmel; mit 109 Metern ist er nach dem Turm des Doms von Utrecht der zweithöchste Kirchturm der Niederlande. Das Delfter Gotteshaus ist die Grablege des niederländischen Königshauses, dem Haus Oranien-Nassau. Dort liegt Wilhelm von Oranien, und dort wurden zuletzt 2004 Königin Juliana und Prinz Bernhard bestattet.
Verlässt man den Markt Richtung Oude Langendijk, kommt man in den ehemaligen „Papenhoek“, dem katholischen Viertel im vorherrschend protestantischen Delft des 16./17. Jahrhunderts. Dort lebte Vermeer, dessen begüterte Schwiegermutter katholisch war, mit seiner Frau und seinen 15 Kindern. Und dort hatte er auch im ersten Stock eines heute nicht mehr existierenden Gebäudes sein Atelier. Dorthinein fiel das Sonnenlicht von Nordwesten her – für immer festgehalten von Vermeer, dem Meister des Lichts, in vielen weltberühmten Werken – allen voran der „Jungen Frau mit dem Wasserkrug“.
Grachten und Schieflagen
Übrigens „hängt“die Stadt Delft etwas, wie man bei einem Bummel und mit Blick auf den Wasserstand in den Grachten erkennen kann: Der Pegel steigt nach Westen hin leicht an, denn die Stadt wurde im 11. Jahrhundert auf einem, durch Kanäle trockengelegten Moorgebiet zwischen Rhein und Maas errichtet. Zum Ausgleich gibt es überall Barrieren, die geschlossen werden können.
1325 wollte man den ältesten dieser Kanäle, die Oude Delft, übrigens für den Bau der Oude Kerke umleiten, um Platz für das Kirchenschiff zu schaffen. Die Verlegung des Kanals erwies sich aber als keine gute Idee: Schon während des Baus neigte sich der mächtige Kirchturm auf dem weichen Untergrund bedenklich zur Seite. Stützungsmaßnahmen sorgten allerdings dafür, dass er in dieser Neigung verblieb und sich nicht weiter absenkte. Der „Schiefe Turm von Delft“ist seither ein Wahrzeichen der Stadt. Beeindruckend sind auch die 27 farbenprächtigen Glasfenster aus der Roermonder Glaskünstlerschule in der Oude Kerke. Im vorderen linken Teil des Kirchenschiffs findet sich im Boden eine schlichte Platte mit den Lebensdaten Vermeers. Der Maler wurde dort nach seinem frühen Tod mit nur 44 Jahren bestattet.
Königliche Manufaktur
Blau-weiße Kacheln und altmodische Blumenvasen? Wer solches bei Royal Delft assoziiert, liegt ziemlich falsch und sollte unbedingt das Museum Royal Delft mit Manufaktur und angebundenem Shop am Rotterdamseweg 196 besuchen, das vor zwei Jahren eröffnet wurde. 1653 gegründet, ist Royal Delft die letzte, noch verbliebene von einst zahlreichen Keramikfabriken der Stadt. Das weltberühmte Delfter Blau wird heute noch immer nach jahrhundertealter Tradition hergestellt – und zum Teil auch noch von Hand bemalt. Den Meistern kann man beim kunstvollen Verzieren über die Schultern schauen. Neben den traditionellen Motiven bietet Royal Delft auch modernes Porzellan-Design, wie etwa das Motiv „Peacock Symphony“, das in vielen Delfter Cafés und Restaurants zu finden ist. Im Museumsladen kann man schöne Stücke (auch farbig) erwerben – preisgünstiger mit Aufdruck und um einiges kostspieliger, wenn von Hand bemalt. Noch bis Mai zeigt das Museum, das einen wunderbaren kunstgeschichtlichen Überblick über die Geschichte des Delfter Blau bietet, eine Ausstellung mit Keramik von Picasso. Weitere Informationen auf der Website
Die Redaktion wurde von WestCord Hotels und Delft Marketing zu der Reise eingeladen.