„Das Geld könnte man viel besser einsetzen“
Wolfspeed und die Stahlbranche im Saarland erhalten hohe Subventionen. Die Stiftung Marktwirtschaft sieht die Förderung kritisch.
SAARBRÜCKEN/ENSDORF Die „Stiftung Marktwirtschaft“ist eine ordnungspolitisch und marktliberal orientierte Denkfabrik in Berlin, die den überwiegend kreditfinanzierten Transformationsfonds der SPD-Landesregierung von Beginn an äußerst kritisch sah. Sprecher des wissenschaftlichen Beirats der Stiftung (Kronberger Kreis) ist der Saarländer und Freiburger Ökonom Professor Lars Feld.
Die Stiftung arbeitet nach eigener Darstellung „unbeeinflusst von organisierten Gruppeninteressen auf der Basis der wirtschaftlichen Vernunft“. Ihr Vorstand Professor Michael Eilfort erklärt im SZ-Interview, warum er hohe Subventionen, wie sie im Fall Wolfspeed (mindestens 500Millionen Euro) und bei der Saar-Stahlindustrie (2,6 Milliarden Euro) geplant sind, äußerst skeptisch sieht.
Herr Professor Eilfort, sind Subventionen für Unternehmensansiedlungen generell Teufelszeug? EILFORT Das würde ich nicht sagen. Ich kann auch nicht ausschließen, dass das konkrete Beispiel Wolfspeed am Ende funktioniert. In der Mehrheit dieser Fälle aber gibt es zu Beginn große Versprechungen und ein hübsches Strohfeuer, aber langfristig bleibt relativ wenig Gutes. Der Staat weiß eben nicht besser, worin Zukunft liegt. Und der Markt ist ein geeigneteres und kostengünstigeres Entdeckungsverfahren. Pro Arbeitsplatz eine Million Euro oder noch mehr – damit das über Steuern und Sozialbeiträge wieder hereinkommt, müsste dort jeder viele Jahrzehnte arbeiten.
Das Saarland steckt tief im Strukturwandel und hat durch die Ansiedlung die Chance, Arbeitsplätze
zu sichern und sich neue Branchen wie Elektromobilität und grüne Energiewirtschaft zu erschließen. Die IHK sagt, die hohe gesamtwirtschaftliche Rendite in Form von Steuern, Arbeitsplätzen, Kaufkraft und Image rechtfertige die hohe Subvention.
EILFORT Die gesamtwirtschaftliche Rendite-Rechnung ist eine Wunschkalkulation. Es mag sein, dass das Projekt im Saarland bei der Bewältigung des Strukturwandels und lokal hilft. Aber die Argumente „Klimaschutz“, „Transformation“und „neue Technologien“sind auch bei Solarworld erklungen, ebenso bei Q-Cells, bei Conergy oder einst bei Nokia in Bochum. Die Unternehmen setzten auf sichere Subventionsrendite, zusammen über 500 Millionen Euro Steuergelder in den Sand und waren dann schnell weg, als ohne Staatsknete echte Rendite ausblieb. In der überwiegenden Zahl der Fälle sind solche Subventionen kurzfristig aparte Spiegelstriche in „Wir-habenerreicht“-Politikerreden. Das Geld könnte man viel besser einsetzen.
Wie?
EILFORT Unsere Wirtschaft in Deutschland hat im internationalen Vergleich zu hohe Energiekosten, mehr als doppelt so hoch wie beim Saar-Nachbarn Frankreich, zu hohe Steuerbelastungen und zu hohe Arbeitskosten. Mit dem weniger werdenden Geld, über das der Staat noch verfügt, wird für einige wenige wie Wolfspeed, Intel oder die Stahlindustrie wahnsinnig viel getan, mit eher zweifelhaften Effekten, während wir zuschauen, wie die Infrastruktur verfällt und die Rahmenbedingungen sich für alle weiter verschlechtern.
Sie sehen die hohen Subventionen für grünen Stahl auch kritisch? Im Saarland schaffen sie eine Perspektive für 13 000 Beschäftigte und für
klimafreundlichen Stahl.
EILFORTIch freue mich für die 13 000 Beschäftigten und alle, die dranhängen. Trotzdem ist das Risiko extrem hoch, dass wir mit dann eher dauerhaften Hilfen etwas erhalten wollen, was in Deutschland womöglich nicht wirtschaftlich nachhaltig funktionieren kann. „Klimafreundlicher Stahl“könnte sein wie geröstete Schneebälle. Es ist doch klar, dass die Energiepreise hoch bleiben werden, auch wegen der verunglückten Energiewende. Thyssen-Krupp bekommt nun 700 Millionen Euro für die Transformation, der Aktienkurs aber befindet sich dennoch im nahezu freien Fall. Ist das nicht als relativ klares Urteil des Marktes über die Zukunftsperspektiven zu sehen?
Kann man der Politik vorwerfen, dass sie in einem wirtschaftlich schwierigen Umfeld, Stichwort Strukturwandel, auch mit Hilfe öffentlicher Gelder Leuchttürme errichten will?
EILFORT Ich mache der Politik keinen Vorwurf, es ist erstens ja auch ihre Aufgabe, Zukunft zu gestalten, und zweitens nachvollziehbar, dass in der Gegenwart Wahlen gewonnen werden sollen. Da entsteht dann kurzfristig leicht eine vermeintlich Win-win-win-Situation: Die Unternehmen bekommen die Subventionen, die Politiker können mit der Ansiedlung werben und natürlich entsteht vor Ort kurzfristig etwas. Das wird im Saarland nicht anders sein. Aber wir müssen überlegen, was nachhaltige Aussichten hat, sich echt und nicht nur schön rechnet.
Es gibt einen internationalen Subventionswettlauf. Ohne erhebliche Förderungen hätte ein Land wie das Saarland überhaupt keine Chance auf Hochtechnologie-Ansiedlungen. EILFORT Die Unternehmen, die sich irgendwo ansiedeln wollen, wissen ganz genau, dass sie erstmal die Hand aufhalten und beim Verhandeln möglichst viel abgreifen, indem sie alle gegeneinander ausspielen. Ich kenne das Argument mit dem internationalen Vergleich. Man sieht aber schon innerhalb Deutschlands Unterschiede. Da reden wir eher über Sachsen-Anhalt, über das Saarland und über Nordrhein-Westfalen, weniger über Bayern und Baden-Württemberg. Dort geht es wohl auch mit weniger oder ohne Subventionen. Vielleicht sollte man in den anderen Ländern manches besser machen, statt mit öffentlichem Geld zu ködern?
Wir in Europa müssen bei der Halbleiter-Produktion unabhängiger von China werden. Ist das nicht ein einleuchtendes und überzeugendes Argument?
EILFORT Das Argument ist nicht von der Hand zu weisen, aber man muss sehr genau hinschauen. Natürlich wollen wir keine Abhängigkeit von China oder anderen Diktaturen und Autokratien. Es kann aber nicht sein, dass bei jeder möglich erscheinenden Ansiedlung aus einem Zettelkasten die Schlagwörter „Autarkie“oder „Transformation“herausgezogen und damit sofort dreistellige Millionenbeträge mobilisiert werden. Und wenn: Brauchen wir Hardware-Autarkie wirklich gleichzeitig in Sachsen, Sachsen-Anhalt und im Saarland?
In einer der nächsten Ausgaben der SZ lesen Sie ein Interview mit dem Wirtschaftsweisen Professor Achim Truger zu den hohen Subventionen.