Kein Cappuccino nach dem Menü
Der Saarbrücker Koch Jens Jakob (50) hat 2018 gemeinsam mit zwei Kollegen das „Le Comptoir“in der Försterstraße im Nauwieser Viertel eröffnet. Seit Juni 2022 kocht er hier alleine. Während in der Gastronomie allenthalben Untergangs-Szenarien entwickelt we
Normalerweise wäre die Küche sein Platz, doch an diesem Tag hat Jens Jakob sein Lokal geschlossen. Einen Tag zuvor war er im Fernsehstudio, jetzt braucht er eine Pause. In der Nachmittagssendung „Kaffee oder Tee“des Südwestrundfunks (SWR) kocht Jakob seit 2009.
Kurz vor unserem Gespräch gibt er telefonisch noch Bestellungen durch. Aus der Küche dringen Geräusche, hier werden Vorbereitungen für den nächsten Tag getroffen. Jakobs ehemaliger Oberkellner David Schaumberg ist Teil des Teams, hilft bei den Vorbereitungen und bei der Auswahl der Weine. Im „Le Comptoir“bietet Jakob von Dienstag bis Samstag abends ein Menü an; die Gäste können wählen zwischen vier oder fünf Gängen.
Der Jahresanfang bietet für Köche nicht die ganz große Auswahl an Produkten, sagt er. Das Menü klingt dennoch vielversprechend: Entenleber „Pina colada“mit Ananas und Cocos, Thunfisch, Rotschwanzgarnele mit Spitzkohl, Rinderroulade mit Rotkraut, Schokolade mit Mango und Pas
sionsfrucht. Auf Anfrage wird das Menü auch vegetarisch zubereitet. Was seine Menüs anbelangt, sucht Jakob immer einen Mittelweg. Taube, Bries oder Froschschenkel kommen beispielsweise nicht in Frage, auch weil es für seine Gäste nur dieses eine Menü gibt.
Das „Le Comptoir“hat inzwischen bis zu 24 Plätze, im vergangenen Jahr waren es noch 16. Nicht jeden Abend ist alles ausgebucht. Es gebe auch mal einen Mittwoch, an dem nur ein Zweier- und ein Fünfertisch besetzt seien, sagt Jakob. Er glaubt dennoch an die anspruchsvolle Gastronomie und gibt
ihr eine Zukunftschance.
Trotz Mitarbeitermangel? Kennt er nicht. Sein Team, sagt er, bestehe aus zwölf Leuten, einschließlich Marketing und Büro. Zehn arbeiten als Aushilfe, zwei sind Teilzeitkräfte. Mit vielen, wie etwa seinem einstigen Oberkellner, aber auch der Patissière, Andrea Scheyer, hat er zuvor schon gearbeitet.
Eine 19-Jährige, die im vergangenen Jahr Abitur gemacht hat, gehört ebenso zum Team. Und donnerstags arbeitet auch Jakobs Lebenspartnerin Michelle Ruffing im „Le Comptoir“. „Familie, Freunde, Bekannte“– das ist das
Personalkonzept. Und es scheint aufzugehen. 2023, sagt Jakob, war sein erfolgreichstes Jahr in seiner Selbstständigkeit.
2024 hat auch er – wie viele andere auch – die Preise erhöht, bleibt aber zuversichtlich, selbst wenn er von noch weniger Geschäftsessen ausgeht als bisher. Die Kunst, das folgert man während des Gespräches, besteht im Weglassen. Cocktails gibt es nicht, Wodka hat er nicht im Haus.
Kaffee und Espresso bietet er an; keinen Cappuccino, keine Latte Macchiato. Wenn ein Gast das ordern möchte, nehme er ihn auch mal in den Arm und sage „Ich bin keine Milchbar“. „Die Gastronomen bestimmen die Regeln“, sagt Jakob. Sie müssen dazu allerdings mehr sein als nur Koch oder Kellner. Er versteht sich als Gastgeber, der auch im Gastraum sicht- und hörbar ist, sich nicht in die Küche zurückzieht. „Ich bin gerne draußen und schwätze“, sagt er.
Was die Regeln anbelangt, gibt ihm seine Ein-Menü-Karte recht. Hier hat er das Sagen und seine Gäste vertrauen ihm. Auch sein Personalkonzept setzt auf Vertrauen. Generell jedoch – das ist schon lange bekannt –, hat die Gastronomie ein sehr großes Personalproblem. „Es wird nicht mehr besser“, sagt Jakob. Schon 2015 habe er keine Bewerbung für eine Ausbildung mehr gehabt. Er spricht von der „Macht des Personals“, erklärt den Mangel damit, dass die Gesellschaft sich verändert habe, die Sicht auf Partnerschaften eine andere sei. Die Arbeitszeiten in der Gastro passten nicht dazu.
Er selbst ist froh darüber, dass er im Notfall „seinen Laden auch alleine führen kann“. Größtmögliche Unabhängigkeit ist das Ziel. Andere Gastronomen machten sich bereits im Ausland auf die Suche nach Personal. Mit Ausland meint er etwa das ferne Mexiko. Von Pflegekräften wissen wir, dass sie in Mexiko angeworben werden, inzwischen gehen einige Regionen Deutschlands diesen Weg auch, um etwa Köche zu finden.
Jens Jakob kümmert sich nach wie vor um Hobbyköche, gibt sonntags Kochkurse in seinem Lokal. Die Gerichte, die die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter seiner Anleitung zubereiten, sind „angelehnt an das jeweilige Monatsmenü“. Und das Motto, das der einstige Sternekoch in seinen Kursen ausgibt, lautet: „Kochen ist kein Hexenwerk“.