Salvinis Kampf gegen Radarfallen-Abzocke
Blitzer werden in Italien oft als Geldmacherei empfunden. Jetzt will Verkehrsminister Matteo Salvini die Verkehrsüberwachung stark einschränken.
„Fleximan“, so werden in Italien diejenigen genannt, die seit Monaten Radarfallen mit der Flex absägen. Im Januar fand sich sogar ein Bekennerschreiben am Tatort. „Fleximan“hatte wieder zugeschlagen. Rund 30 Blitzer fielen in der Lombardei, im Veneto und in der Emilia Romagna dem oder den unbekannten Rächern zum Opfer, die sich aufgeschwungen haben, brachial gegen diese vermeintliche Abzocke vorzugehen. In den sozialen Netzwerken wurden die Unbekannten gefeiert.
Diese Tatsache hat nun auch den italienischen Verkehrsminister Matteo Salvini aufhorchen lassen, der verzweifelt versucht, Boden gegen die politische Konkurrenz gut zu machen. Salvinis rechte Lega hinkt vor der EU-Wahl im Juni in den Umfragen Giorgia Melonis Partei Fratelli d`Italia weit hinterher. Nun, so spotten italienische Medien, verwandle sich der Minister und Vizeministerpräsident selbst in eine Art Fleximan. Diese Woche kündigte Salvini an, er wolle nun gesetzlich gegen die überbordenden Geschwindigkeitskontrollen auf Italiens Straßen vorgehen.
Der Minister kündigte ein Dekret an, demzufolge keine Radarfallen mehr auf Straßen mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 Stundenkilometer aufgestellt werden dürfen. „Blitzer in der Nähe einer Schule, eines Kindergartens oder eines Krankenhauses sind in Ordnung. Blitzer auf zweispurigen Straßen sind eine Abzocke für Autofahrer und kein Plus an Sicherheit“, tönte Salvini im italienischen Fernsehen. Radarfallen, die nur aufgestellt werden, „um Kasse zu machen“, gehörten verboten. „Man rettet die Erde nicht, indem man Tausenden von Arbeitnehmern auf die Nerven geht.“
Fleximan wird applaudiert haben – und viele italienische Autofahrer und Autofahrerinnen auch. Sie ereifern sich über die Tatsache, dass auf Italiens Straßen rund 11 000 Radarfallen stehen, in Deutschland sind es beispielsweise nur 4700. Die Zahl der Verkehrstoten ist dennoch in Italien mit 53 pro eine Million Einwohner besonders hoch (in Deutschland sind es 31). Stattdessen werden die Kommunen der Abzocke bezichtigt. Florenz nimmt jährlich 23 Millionen Euro durch Bußgelder wegen Geschwindigkeitsbegren
zung ein, Mailand 13 Millionen und Rom sechs Millionen. Blitzer seien eine Geldquelle für Städte und Gemeinden, erhöhten aber nicht die Verkehrssicherheit, so das Urteil.
Auch in einem anderen Fall ergriff der Minister jüngst die Partei der Autofahrer. Als erste Großstadt führte Bologna Mitte Januar auf fast Dreivierteln ihres Stadtgebiets ein generelles Tempolimit von 30 Stundenkilometern ein – und startete entsprechende Geschwindigkeitskontrollen. Auf diese Weise soll
die Zahl der Verkehrstoten weiter reduziert werden. Salvini bezeichnete das Vorgehen als „ideologisch“und kündigte an, die Rechte der Kommunen zur Einführung von Tempo30-Zonen zu beschränken. Dabei hatte sich sein Ministerium im Jahr zuvor an den Kosten der Einführung von Tempo 30 in Bologna beteiligt.
Jetzt ist die GeschwindigkeitsPolemik etwas abgeflaut, da ein viel größeres Problem aufgetaucht ist. Seit Beginn der Woche herrscht Smog- und Nebel-Alarm in der Po
Ebene, von Turin über Mailand bis Bologna. Wegen hoher Temperaturen, mangelndem Regen und Wind, stagniert die Luft zwischen Alpen und Apenninen. Auf den Autobahnen ging teilweise gar nichts mehr, so schlecht war die Sicht. In Mailand lagen die Feinstaubwerte zeitweise 24 Mal höher als von der Weltgesundheitsorganisation WHO empfohlen. Einige Kommunen erließen Fahrstopps für Dieselfahrzeuge und warnten die Bevölkerung davor Sport im Freien zu treiben.