„Drei Tränen im Knopfloch“– letzter Abend in der Kultkneipe „Odeon“
(cfu) Am Samstag leuchtete der Schriftzug des „Odeon“noch hell am St. Johanner Markt in Saarbrücken. Es war voll in der kleinen Bar mit den beiden Etagen und dem französischen Charme. Auch draußen vor der Bar standen viele Besucher, die keinen Platz mehr innen gefunden hatten. Das „Odeon“feierte Abschied. Es war der letzte Tag nach 35 Jahren.
Am Tag der Eröffnung muss es wohl ähnlich zugegangen sein. Adrian Scheuer erinnerte sich noch gut an diesen Abend im Jahr 1988. Blaue und weiße Luftballons hingen außen, viele Menschen hätten davorgestanden. Es war sein erster von vielen Besuchen im „Odeon“. Zu Beginn sei die Kneipe bekannt gewesen für edle Schnäpse und hervorragend gezapftes Bier. Später hätte sich der Inhaber Michael Bäumer mit seinen besonderen Weinen um die Weinkultur am St. Johanner Markt verdient gemacht, schwärmte Scheuer. Er habe nicht nur eine, sondern gleich „drei Tränen im Knopfloch“, ergänzte er wehmütig.
Trotz des traurigen Anlasses freute sich die Familie Bäumer, dass sehr viele ehemalige Mitarbeiter zum Abschied gekommen seien. Diese hätten sich darum gerissen, wer am letzten Abend noch einmal arbeiten dürfe. Eine Frau sei mit ihrer Familie zu diesem Wochenende extra aus Stuttgart angereist. Sie ist weggezogen und sei seit vier Jahren nicht mehr in Saarbrücken gewesen.
Brigitte Elgaß bezeichnete sich selbst zwar nicht als Stammgast, sie sei vor allem nachmittags gern Gast gewesen. Sie schätzte ebenfalls die tollen Weine und die gute Musik. „Das Odeon war eine Anlaufstelle, man wusste, man trifft gewisse Leute hier“, sagte sie.
Seit sie in Saarbrücken lebt, ist Christine Mhamdi Stammgast in der kleinen Kneipe. Sie schätzte, es seien mindestens 20 Jahre, vielleicht sogar schon 30 Jahre. Was sie hier mochte? Angefangen von der hübschen Einrichtung, über die Getränke wie Wein, Crémant und Café au Lait bis hin zu den Gästen. Jedes Alter sei vertreten gewesen, viele Künstler und Galeristen. „Einen Ersatz für das Odeon gibt es in Saarbrücken nicht.“
Es wurde viel gelacht im „Odeon“, der letzte Abend sollte ein schöner sein. Alte Fotoabzüge wurden geschaut und in Erinnerungen geschwelgt. Auf dem Weg zur Treppe in die obere Etage ging es an noch mehr Nostalgie vorbei, einem alten Münztelefon. Dieses soll sogar noch funktionieren, sagte Adrian Scheuer und lacht. Im Obergeschoss waren traditionell die jüngeren Gäste um die Mitte 20 anzutreffen. Auf gemütlichen Sitzgelegenheiten wurde auch oben Abschied gefeiert.
Einen Tag zuvor, am Freitag, dem vorletzten Abend, waren die letzten Gäste bis 3 Uhr nachts da, schätzt Familie Bäumer. Samstag dürfte es weit später geworden sein. Mit dem „Odeon“verliert Saarbrücken eine traditionelle familiengeführte Bar und einen beliebten Treffpunkt in der Innenstadt.