Verein verblüfft mit großem Spielraum im Terminus
Kann man seinen Sonntagnachmittag gepflegter verbringen als bei einer Veranstaltung des Vereins „Spielraum e.V.“? Zumal wenn es so famos unorthodox und kernig zugeht wie vorgestern? Da hatte der Verein zum Doppelpack mit Texten des saarländischen Autors Peter Loibl und einem Konzert des „United Ad+Hoc Ensemble“geladen – nicht „United Ex+Hopp Ensemble“, wie Posaunist Christof Thewes, seit jeher quasi Spielraum-Hausmusiker, frotzelte. Ort des Geschehens war das gut besuchte Saarbrücker Bistro Terminus, wo der Spielraum seit seinem Umzug aus Heiligenwald ein neues Zuhause gefunden hat. „Endlich haben wir es geschafft, Texte von Peter Loibl in unserer Musik-Aktion Analog-Reihe vorzustellen!“jubelte der Vereinsvorsitzende Burkhard Ullrich.
Freilich erst, nachdem der charmant knorrige Kulturaktivist Hans Husel, der im Wechsel mit Loibls ebenfalls kulturschaffender Gattin Anne Schmidt aus dem Werk des Schriftstellers las, beim zeitvergessenen Plaudern den Beginn der Veranstaltung um eine halbe Stunde überdehnt hatte und schließlich mit Unschuldsmiene fragte: „Sollen wir dann mal anfangen?“
Husel, Bildender Künstler und Wegbereiter des Free Jazz im Saarland, ist ein alter Weggefährte Loibls seit „sog.Theater“-Zeiten Anfang der 1970er-Jahre; auch am legendären „Spinnwebtisch“des Gasthauses Bingert dürften beide etliche Bierchen miteinander gezecht haben.
1945 im bayrischen Mindelstetten geboren, veröffentlichte Loibl – außerdem Bankkaufmann, Leistungsturner, Sportlehrer und Diplom-Psychologe – 1979 sein erstes Buch und schrieb auch Szenisches für Hörfunk und Bühne.
Die hier präsentierte hintersinnige, deftige, mitunter erfrischend pietätlose, kohlrabenschwarze (Ultra-) Kurzprosa stammte überwiegend aus Loibls Buch „Traum vom Rollenden Glück“(2005) und wurde vom Publikum unter fortwährendem Prusten goutiert. In der Pause verkaufte Loibl das Buch zugunsten des Vereins „Spielraum e.V“, der jede erdenkliche Unterstützung brauchen kann.
Beim abschließenden heißen Jazz machte das Quartett seinem Namen alle Ehre – ohne Umschweife ging es offensiv zur Sache und bescherte eine organische, fabelhaft abwechslungsreiche und urwüchsige Sternstunde, irgendwo zwischen fiebrigem Bebop, folkloristischen Einflüssen, bluesiger Ballade und freier Improvisationslust in memoriam Ornette Coleman. Unmittelbar fühlte man sich in die legendäre „Gießkanne“zurückkatapultiert; einziger Unterschied: Im Terminus gab`s nur ein Set.
Die Gründerväter Christof Thewes und der Berliner Kontrabassist Jan Roder hatten sich großregionale Verstärkung aus verschiedenen Generationen mitgebracht: den SaxophonAltstar Luciano Pagliarini und den Shooting-Star Michel Meis, der seine Qualitäten als ungemein explosiver, feinnerviger und erfindungreicher Schlagzeuger unter Beweis stellte.
Thewes und Pagliarini wiederum begeisterten mit wandlungsfähigen Instrumentalstimmen, die wirklich was zu sagen hatten: Auf Alt- und Baritonsax erzählte Pagliarini ganze Geschichten, während Thewes sich emotional verausgabte und seine Posaune bisweilen einem drohenden Untier gleich schwären ließ.
Der nächste „Spielraum“-Termin ist erst am 28. April; im März pausiert die Reihe zugunsten des internationalen 9. FreeJazzFestivals Saarbrücken. Dass dieses bundesweit als Besuchermagnet wirkende Festival im Gegensatz zu anderen Jazz-Events, die noch in der Bewährungsphase stecken, von der öffentlichen Hand nahzu ignoriert wird, brandmarkte Thewes als „politische Ausgrenzung“.