Entscheidung über Millionen-Pläne rückt näher
Was wird aus den maroden Häusern am Beginn des Nauwieser Viertels? Der Sieger der Konzeptvergabe bereitet den Kauf vor, der unterlegene Bewerber gibt noch nicht auf. Es geht um viel Geld – und die Zeit drängt.
Vor knapp fünf Monaten hat der Saarbrücker Stadtrat eine folgenschwere Entscheidung für die Zukunft des Nauwieser Viertels getroffen. Nach jahrelangen, oft hitzigen Debatten stimmte eine große Mehrheit des Rates für den Verkauf der maroden Häuser am Eingang des Viertels an die Bewerbergemeinschaft „3/Viertel“.
Sie setzt sich zusammen aus dem Arbeitskreis Betreutes Wohnen, der psychisch kranken Menschen hilft, dem Mieterverein K16 sowie der Familie des Saarbrücker Architekten Mario Krämer.
Der Stadtrat stimmte damit für ein Projekt aus der Mitte der Nauwies, von Menschen, die dort leben oder arbeiten, sich dort zuhause fühlen. Verlierer der so genannten Konzeptvergabe war die Masale Immobilien GmbH aus Blieskastel mit Geldgeber Daniel Hager im Hintergrund, Chef der weltweit erfolgreichen HagerGruppe. Die Masale GmbH hatte sogar schon vor der Entscheidung im Stadtrat rechtliche Schritte für den Fall angekündigt, nicht den Zuschlag zu bekommen. Grund: eine angeblich ungerechte Punktevergabe.
Wie jetzt bekannt wird, gibt es offensichtlich tatsächlich einen juristischen Vorstoß, die Vergabe in ihrer aktuellen Form zu stoppen. Der unterlegene Bewerber möchte eine einstwillige Anordnung erwirken, ist vom siegreichen Bewerber „3/Viertel“zu erfahren. Bestätigen ließ sich das zunächst trotz einer entsprechenden Anfrage nicht. „Es
ist der Versuch, uns rauszukicken“, heißt es von „3/Viertel“. Diese „Verzögerungstaktik“zehre schon an den Nerven. Wobei einer der Wortführer der Initiative, Arne Wichmann vom Verein K16, deutlich sagt: „Wir haben einen langen Atem, wir werden nicht aufhören!“Sein Mantra in der ganzen Geschichte um die Häuser in der Nauwieserstraße lautet: „Es ist ein Dauerlauf, kein Sprint.“
Wo aber steht die Initiative fünf Monate nach dem Stadtratsbeschluss? Was hat „3/Viertel“bislang erreicht, was steht an, welche Nöte gibt es? Ist genügend Geld da? Klappt das alles? Bei einem Treffen diese Woche im Viertel versuchen Wichmann und seine Mitstreiterinnen Sina Härting (ebenfalls K16) und Irmgard Jochum (Arbeitskreis Betreutes Wohnen) all diese Fragen zu beantworten, die sie sonst auch schon mal auf der Straße gestellt bekommen.
„Dass es schwierig wird, war klar“, sagt Jochum: „Aber wir bleiben optimistisch. Was uns trägt, ist die Sympathie, die uns entgegenschlägt, wo immer wir von dem Projekt berichten.“Das sei einfach „ganz toll“. Die Psychotherapeutin ist sich sicher: „Die Zeit und die Stadt ruft nach solchen Projekten.“Auch wenn die
Unterstützung aus der Stadtverwaltung bislang „nicht maximal“sei.
Das Projekt sieht grob so aus: Die „Schrottimmobilien“, beide vor 1900 gebaut, sollen saniert werden, die jetzigen Bewohner sowie das bekannte „Peace Kebab“bleiben können. In die restlichen sieben Wohnungen wollen Mitglieder von K16 einziehen. Das Ganze läuft nach dem Vorbild des Projektverbunds „MietshäuserSyndikat“. Das Grundstück links daneben will Architekt Krämer mit seiner Familie bebauen, dazu sollen in dem neuen Haus Wohnungen für den Arbeitskreis entstehen.
Gewünschter Baubeginn ist Ende des Jahres. Geschätzte Kosten: 1,3 bis 2,5 Millionen Euro – je nachdem, „wie viele Leute uns Geld geben“, sagt Wichmann. Es gebe eine große und eine kleine Lösung. Wenn man zeitnah eine halbe Million Euro zusammenbekäme, „können wir alles machen, das wäre großartig“. Ansonsten müsse man „verschiedene Dinge gestaffelt streichen“. Zum Beispiel einen Aufzug in einem der Gebäude. 667000 Euro müssen auf alle Fälle an die Stadt für die beiden Häuser und das Grundstück gezahlt werden.
Geld ist das große Thema. „Wir sind Privatpersonen, wir haben nicht eine halbe Million auf der Seite liegen“, sagt Sina Härting. „Es ist auch noch niemand gekommen, der uns durchfinanziert“, ergänzt Wichmann. Die Voraussetzungen seien aber gut, betonen beide. Wenn die Häuser erst einmal gekauft seien, laufe viel über Förderungen. Außerdem habe man bereits jetzt gut 30 Prozent des Kaufpreises zusammen. Entscheidend dabei sind Direktkredite, die jeder und jede gewähren kann. Es gibt dafür Zinsen zwischen einem und drei Prozent (weitere Infos auf https://k16.space).
Geld ist auch deshalb das große Thema, weil die Zeit inzwischen drängt. Denn der Stadtrat hatte vor seiner Entscheidung kurzfristig Bedingungen für den Verkauf formuliert.
Eine heißt: Im ersten Halbjahr 2024 muss eine Finanzierungsbestätigung über das Gesamtvorhaben vorgelegt werden. „Die Uhr tickt“, sagt Jochum. Härting sieht März und April als „entscheidende Monate“. Und Wichmann sagt knallhart: „Wenn es bis zum 30. Juni nicht läuft, haben wir verloren.“
Die genaue Kostenplanung, mit der man zur Bank gehen könne, sei kurz vor dem Abschluss. Es habe mitunter lange gedauert, Details zu den Häusern zu bekommen. Beispiel: geltende Mietverträge – teilweise mit einem Quadratmeterpreis von 75 Cent! Auch eine ordentliche Baubegehung habe erst kürzlich stattfinden können. Dazu sei die Kommunikation mit dem städtischen Gebäudemanagementbetrieb GMS nicht immer einfach gewesen. Und: Der Boden in der Baulücke ist möglicherweise kontaminiert. Da wird es jetzt eine Bodenprobe geben müssen.
Viele Unwägbarkeiten also gibt es noch für den Traum von „3/Viertel“. Weiterhin ist die Gruppe auf der Suche nach Unterstützern, mit Plakaten und auf Veranstaltungen informieren die Macher über ihre Ideen, auch Spenden und Sponsoring und sogar handwerkliche Hilfe ist möglich. „Die Sympathie ist wirklich groß“, sagt Irmgard Jochum. Man bekomme „viel Zuspruch“, erklärt Arne Wichmann. Daher lässt er keine Zweifel daran aufkommen, dass „3/Viertel“es schaffen kann: „Ja, klar! Es sieht eigentlich ziemlich gut aus.“