Saarbrücker Alt-Katholiken erhalten Pfarrerin
Am Samstag findet in der Saarbrücker Friedenskirche eine kleine Sensation statt: An diesem Tag wird die erste alt-katholische Pfarrerin der Gemeinde von einem Bischof offiziell in ihr Amt eingeführt. Und dennoch ist es keine Revolution. Denn Pfarrerin Rut
Priesterin ist Ruth Tuschling nicht erst seit gestern. „Ich bin schon 25 Jahre Priesterin, ich habe dieses Jahr mein Jubiläum“, erzählt sie bei einer Tasse Tee in der Saarbrücker Friedenskirche, der Kirche der hiesigen alt-katholischen Gemeinde. Aber den Großteil der 25 Jahre hat die heute 59-Jährige in Großbritannien ihr Amt ausgeübt. Sie war Priesterin in der anglikanischen Kirche, mit der die alt-katholische Kirche seit 1931 eine sogenannte Kirchengemeinschaft hat.
Kirchengemeinschaft bedeute, wie sie erklärt, Anerkennung der Sakramente, Austauschbarkeit der Ämter, Austauschbarkeit der Geistlichen. „Organisatorisch gesehen sind es unterschiedliche Kirchen, sie haben auch andere Schwerpunkte, aber inhaltlich sind sie ziemlich deckungsgleich“. Tuschling hat diese volle Kirchengemeinschaft wohl wie kaum eine zweite Person gelebt. „Ich habe familiäre Wurzeln in England, ich bin halb Deutsche, halb Engländerin, ich bin teils in Deutschland, teils in England aufgewachsen“, sagt sie zur Erklärung zunächst vorab.
Studiert hat sie zuerst in Deutschland, in Freiburg im Breisgau, und zwar klassische Altphilologie, Latein und Griechisch, um damit einmal Lehrerin zu werden. In dieser Zeit, also in ihren Zwanzigern, sei aber auch ihr religiöses Interesse gewachsen, erzählt sie. Sie besuchte in Freiburg sowohl die Gottesdienste der anglikanischen als auch der altkatholischen Gemeinde, die sich das Kirchengebäude teilten.
Der alt-katholische Priester hätte sie am liebsten gleich fürs alt-katholische Priesterseminar gewinnen wollen, doch Tuschling entschied sich fürs anglikanische Priesterseminar Cambridge. In England habe sie dann fast ihre gesamte Berufslaufbahn verbracht, zuletzt in Portsmouth, wo sie als hauptamtliche Diözesanbeauftragte für Spiritualität vor allem in der Erwachsenenbildung tätig gewesen sei. Aus familiä
ren Gründen hat es sie dann zurück nach Deutschland gezogen, weil die letzten Verwandten aus England verschwunden waren.
Hier kam sie 2020 nach Berlin. Sie habe nicht sofort die Leitung einer Gemeinde übernehmen wollen, sagt Tuschling, weil sie sich doch gar nicht mehr so gut auskannte mit den altkatholischen Gegebenheiten, etwa den Liedern des Gesangbuchs. Als dann im Vorjahr aber die Pfarrstelle in Saarbrücken vakant und ausgeschrieben wurde, fühlte sie sich reif. Im Oktober hielt sie hier in der Friedenskirche ihren „Bewerbungsgottesdienst“, die Eucharistie mit Predigt und Frage-Antwort-Stunde gegenüber der Gemeinde. Bei der kam die Priesterin offenbar gut an.
300 Mitglieder zählt die alt-katholische Gemeinde, die neben dem Saarland geografisch auch noch die Westpfalz rund um den zweiten Standort, an dem Gottesdienste stattfinden, nämlich Kaiserslautern, umfasst. Je zur Hälfte seien es Saar
länder, einige sogar mit Wohnsitz in Frankreich, und Pfälzer, die sie zu betreuen hat.
60 alt-katholische Gemeinden gibt es insgesamt in Deutschland, erzählt sie, und insgesamt 50 hauptamtliche Pfarrer, denn einige müssten mehrere Gemeinden betreuen. Nur vier davon sind Pfarrerinnen, hinzu kämen rund zehn ehrenamtliche Pfarrer. Parität in den Ämtern hat die alt-katholische Kirche also auch noch nicht erreicht. Was sie als Kirche auszeichne und besonders attraktiv mache, das betont auch Dagmar Trenz vom erweiterten Kirchenvorstand, das ist die synodale Ausrichtung. Hier ist es stets die Basis, die Kirchensynode, die über das Wichtige entscheidet, und nicht eine ferne geistliche Autorität, die über allen thront. Die Einführung der Unfehlbarkeit des Papstes, mehr noch der Universaljurisdiktion, das Papstprimat, sind es nämlich einst gewesen, die zur Abtrennung der alt-katholischen Kirche von der römisch-katholischen
führte. „Alt-katholisch“nennt sich diese Kirche nur, weil sie vor diesen Zustand zurückkehren wollte.
Sie war übrigens nicht die einzige, die sich trennte. Der Beginn der Ökumene liege eigentlich bei der alt-katholischen Kirche, weil sie erstmals die anderen Kirchen, wie etwa die anglikanische, 1874 an einen Tisch holte, um zu beraten, ob man nicht wieder zusammen gehen könne, so Dagmar Trenz.
Den ökumenischen Gedanken halte man bis heute sehr hoch. So biete man etwa den evangelischen Christen der Ludwigskirche zu Ostern ein Obdach, weil deren Kirche ja wegen Renovierung geschlossen sei. Einladend ist die alt-katholische Kirche aber noch in anderer Hinsicht. „Bei uns wird niemand ausgeladen“, erklärt es Pfarrerin Tuschling, die schon seit vier Wochen hier die Eucharistie leitet. Hier können Geschiedene ganz selbstverständlich an der Kommunion teilnehmen, die Pfarrer trauen heterosexuelle Ehen genauso
wie homosexuelle.
Auch Gäste anderer Konfessionen sind bei den Sonntags-Gottesdiensten immer willkommen und nutzen das, so Tuschling zufolge, auch zahlreich. Auch am kommenden Sonntag, 3. März, werden viele Gäste kommen. Dann leitet der (einzige) alt-katholische Bischof Matthias Ring aus Bonn die Eucharistie in der Friedenskirche, die um 14 Uhr beginnt. „Wir erwarten zahlreiche weitere alt-katholische Pfarrerinnen und Pfarrer, unter anderem aus Berlin, wo Ruth Tuschling bisher tätig war“, erklärt Dagmar Trenz, „sowie Geistliche aus der ökumenischen Geschwisterschaft, sowie Reverend Herrn Geoff Read aus der anglikanischen Gemeinde in Luxemburg.“