Deutschland braucht mehr Schutz im Informationskrieg
Der vergangene Freitag war der Tag des Nawalny-Begräbnisses in Moskau. Derselbe Tag, an dem Details über die Tätigkeit des früheren Wirecard-Managers Jan Marsalek für den russischen Geheimdienst enthüllt wurden. Genau an diesem Tag lässt Kreml-Chef Wladimir Putin eine weitere Bombe platzen, die diese beiden Vorgänge in den Hintergrund rücken: Russland veröffentlicht den Mitschnitt eines im Februar abgehörten internen Gesprächs zwischen hochrangigen Bundeswehr-Offizieren über den möglichen Einsatz von TaurusMarschflugkörpern in der Ukraine. Luftwaffen-Chef Ingo Gerhartz und drei Offiziere unterhalten sich über die Frage, wofür der Taurus in der Ukraine eingesetzt werden könnte, etwa die Zerstörung der Krim-Brücke. Sie erörtern auch, ob Bundeswehr-Soldaten für den Taurus-Einsatz nötig sind und wie ukrainische Soldaten zur Nutzung des Waffensystems in Deutschland geschult werden müssten. Es sind höchstsensible militärische Informationen – und es ist eine höchstsensible Veröffentlichung für die Bundesregierung, den Bundeskanzler und die gesamte westliche Allianz.
Schlimmer geht es eigentlich nicht. Der Abhörskandal zeigt zunächst, wie leichtfertig und naiv selbst höchste Bundeswehr-Kreise in dieser gefährlichen Auseinandersetzung mit dem Kreml-Herrscher weiterhin agieren. Es ist geradezu ungeheuerlich, dass ein Luftwaffen-Chef mit seinen Offizieren, einer davon in Singapur, über die Plattform Webex ein sensibles militärisches Gespräch führt. Webex gilt wegen seiner Mängel bei der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung nicht als sicher. Es verwundert selbst Laien, dass die BundeswehrOffiziere offenbar keinen eigenen abgesicherten Kommunikationskanal nutzen. Dieser Skandal muss umgehend aufgeklärt werden. Ein unabhängiger Sonderermittler sollte am besten geeignet sein, dem Bundestag schnell Ergebnisse zu liefern. Dass sich Deutschland ab sofort besser schützt im Informationskrieg mit Putin, kann kriegsentscheidend sein.
Politisch bringt die Veröffentlichung des Mitschnitts die Bundesregierung weiter unter Druck. Die Union liest aus dem Gesagten heraus, dass der Bundeskanzler einen falschen Grund für die Ablehnung von Taurus-Lieferungen in die Ukraine genannt hat. Es sei sehr wohl möglich, die Marschflugkörper ohne Beteiligung deutscher Soldaten zu liefern, meint die Opposition. Darüber hinaus sorgt die deutsche Seite einmal mehr für Irritationen in Großbritannien, weil die Bundeswehr-Offiziere von britischen Soldaten „vor Ort“in der Ukraine sprechen. Dadurch bringen sie die britische Ukraine-Politik in Gefahr.
Harte Reaktionen von AmpelDissidenten wie Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und Anton Hofreiter (Grüne) sowie der Union sind ebenfalls besorgniserregend. Putin sieht Deutschland offenbar längst im Krieg gegen Russland. Die Lage im UkraineKrieg wird bedrohlicher, mit Abstrichen gilt das auch für die deutsche Sicherheitslage. In dieser Lage sollten alle in Deutschland mehr hinter dem Kanzler zusammenrücken statt ihn durch Dauerkritik weiter zu schwächen.