Schulze in Westafrika: Angebote für Putschisten
Die Militärregime in Westafrika machen wenig Anstalten, zur Demokratie zurückzukehren. In Berlin wollen einige ihnen trotzdem die Hand reichen.
(dpa) Svenja Schulze steht bei 40 Grad Celsius in einem grünen Beet im zweitheißesten und achtärmsten Land der Welt. Sich den Anbau von Salat auf kargen Böden erklären zu lassen, ist Routine, meint man, für die deutsche Entwicklungsministerin. In Burkina Faso geht es aber selbst im Gemüsegarten um Geopolitik, Russland und Europa und die größte islamistische Terrorbedrohung seit dem Durchmarsch der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien und dem Irak, die Millionen Menschen in Westafrika bedroht. Und die Frage, ob man mit einst scharf verurteilten Putschisten zusammenarbeiten muss, wenn man Schlimmeres verhindern will.
Am Dienstag traf Schulze als erste europäische Ministerin in Burkina Faso seit dem Militärputsch vor anderthalb Jahren Hauptmann Ibrahim Traoré. Der stets in Kampfmontur gewandete knapp 36-Jährige wird als ungewählter Übergangspräsident von vielen im Land als Retter gefeiert – trotz eines menschenrechtlich immer zweifelhafteren Kurses. Vergangenen Sommer traf er Kremlchef Wladimir Putin.
„Das sind selbstbewusste Staaten, die suchen sich ihre Partner aus. Da, wo wir nicht sind, sind sehr schnell andere, Russland, China“, hatte Schulze zuvor am Montag im Gemüsegarten gesagt. „Es ist nun mal eines der Epizentren des Terrorismus und alles, was wir tun können, um die Wurzeln des Terrorismus zurückzudrängen, hilft uns unmittelbar auch in Deutschland.“Sie will zeigen: „dass wir hier sind, dass wir miteinander sprechen, dass wir zuhören.“
Die Bundesregierung nimmt zunehmend in Kauf, in Ländern engagiert zu bleiben, die bei der Demokratisierung den Rückwärtsgang einlegen. Das hat praktische Gründe. „Europa und Deutschland müssen in Burkina Faso Realpolitik betreiben und nicht krampfhaft auf
Wahlen dringen zu einer Zeit, wo fast die Hälfte des Territoriums de facto in der Hand von Dschihadisten ist“, meint Ulf Laessing, Sahel-Büroleiter der CDU-nahen Konrad-AdenauerStiftung. „Wenn Burkina Faso fällt, sind auch die Küstenländer bedroht und es wird deutlich mehr Migration nach Europa geben. Deutschland darf auch nicht eine ganze Region
Russland überlassen.“
In anderthalb Jahren unter Traoré hat Burkina Faso die in der öffentlichen Laune immer verhassteren Franzosen aus dem Land geworfen, die ihnen beim Anti-Terror-Kampf helfen sollten, mit den Junta-Nachbarn Mali und dem Niger eine Allianz gegründet und den Austritt aus dem Regionalblock Ecowas verkündet. Immer enger wenden die drei sich Russland zu, von dem sie sich robuste Hilfe ohne lästige Fragen erwarten. Ende Januar landeten die ersten 100 Militärs des Afrika-Corps, Moskaus offizieller Neuauflage der schon nebenan in Mali aktiven Wagner-Söldner.
Nach den sich ausbreitenden Terrorgruppen drohe auch der wachsende russische Einfluss die Region in Europas Nachbarschaft zu destabilisieren, unterstreicht Schulze. Das Gegenmittel: „Jobs, Bildung, soziale Sicherheit und ein handlungsfähiger Staat“. Seit 2015 verschlingt auch der islamistische Terror das Land.
Seit dem jüngsten Putsch im Oktober 2022 hält sich Traoré an der Macht, der sich als neuer Sankara geriert. Das Land zurückerobern ist das Ziel. Die Armee ließ er durch Zehntausende Freiwillige verstärken. Recherchen deckten Fälle auf, bei denen diese Zivilisten getötet haben sollen. Der Staat gab an, gegen die Schuldigen zu ermitteln – und wies bisher nur die Journalisten aus. Kritische Berichte über Militäroperationen sind nun verboten.
„Wenn Burkina Faso fällt, sind auch die Küstenländer bedroht und es wird deutlich mehr Migration nach Europa geben. Deutschland darf auch nicht eine ganze Region Russland überlassen.“Ulf Laessing Sahel-Büroleiter der CDU-nahen KonradAdenauer-Stiftung