Von der Leyen wird inhaltlich eingehegt
In Bukarest stellen sich die Parteien der EVP hinter ihre Spitzenkandidatin. Aber sie wollen ihrem Image einen neuen Anstrich geben.
Die wichtigste Nachricht vom Wahlkongress der christlich-konservativen europäischen Parteienfamilie EVP am Mittwoch und dem heutigen Donnerstag in Bukarest kommt mit sieben Wörtern aus: Ursula von der Leyen soll es werden. Wieder EU-Kommissionspräsidentin werden. Dabei hatte die politische Heimat der CDU-Politikerin aus Niedersachsen während ihrer ersten Amtszeit oftmals Probleme. Vorgeschlagen von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, geduldet von den EU-Grünen und gewählt von einer „Ursula-Koalition“aus EVP, Sozialdemokraten und Liberalen, stand die Mitte-Rechts-Präsidentin für eine Mitte-Links-Politik. Das soll sich nach den erwarteten inhaltlichen Ansagen in ihrer nächsten Amtszeit ändern, wenn es damit klappt.
Dass die EVP-Parteien die Wahlen Anfang Juni gewinnen, dürfte angesichts der Umfragen in den Mitgliedsstaaten kaum in Frage stehen. Die Sozialdemokraten haben darauf am Wochenende bei ihrem Wahlkongress in Rom bereits reagiert, indem sie den außerhalb der Brüsseler Blase kaum bekannten Sozialkommissar Nicolas Schmit zu ihrem europaweiten Spitzenkandidaten machten. Die 2019 zweitplatzierten Genossen setzen damit erkennbar wieder nicht auf Sieg. Das Rennen zwischen der Amtsinhaberin und ihrem Herausforderers bietet somit kaum Potenzial, den Pulsschlag der Europäer spürbar zu verändern.
Spannend dürfte allenfalls werden, wie die Kandidatin mit dem ihr gegebenen Programm im Wahlkampf klarkommt. Sicherheitshalber verabschiedet die EVP ihr inhaltliches Manifest bereits vor der Wahl ihres personellen Spitzenangebotes. Doch die in Umfragen an ersten Stellen genannten Motivationen für die Wahlentscheidung drehen sich derzeit nicht mehr um den Kampf gegen den Klimawandel und eine gesunde Umwelt, sondern blicken besorgt auf den Krieg in Europa und möglichen Wohlstandsverlust. Die drei Debattenrunden zum Auftakt des Bukarester EVP-Kongresses trugen dem auffallend Rechnung.
Da ging es um europäische Streitkräfte, um einen EU-Kommissar für Verteidigung, um einen europäischen Sicherheitsrat und einen EUAußenminister als von der Leyens Stellvertreter, der den bisherigen Außenbeauftragten ablösen soll. Er dürfte nach EVP-Vorstellungen viel zu verhandeln haben, wenn ein weiterer Schwerpunkt des Manifestes, die schärfere Migrationspolitik, zum Tragen kommt – etwa in Form von Asylverfahre, die künftig außerhalb der EU vorgelagert in sicheren Drittstaaten ablaufen sollen.
Die Wahl des weit von Brüssel entfernten Veranstaltungsortes Bukarest soll den Blick lenken auf die Hoffnungen der EVP auf eine konservative Renaissance. Zwar sind drei der vier mächtigsten Akteure im Europäischen Rat noch nicht wieder in EVPHänden: In Deutschland regieren die Sozialdemokraten, in Frankreich die Liberalen, in Italien die Neofaschisten. Aber Polen ist mit dem vorherigen EVP-Präsidenten Donald Tusk wieder zurückgewonnen.
Es beginnen an diesem Donnerstag die Oppositionsführer aus Estland, Slowenien, Spanien, Portugal – und natürlich Deutschland. Interessanterweise gehen hier zwei Deutsche ans Rednerpult: CDU-Chef und Unionsfraktionsführer Friedrich Merz und CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder. Es folgen Vize-Regierungschefs aus fünf EUStaaten, gefolgt von acht Regierungschefs mit EVP-Parteibüchern. Das sind demonstrativ mehr, als bei den Sozialdemokraten in Rom aufs Podium kamen. Bevor die neu gewählte Spitzenkandidatin ihre Rede hält, dürfen denn auch Roberta Metsola, die Präsidentin des EU-Parlamentes, und Klaus Johannis, der Präsident Rumäniens, den EVP-Anspruch untermauern, mindestens zwei der wichtigsten EU-Posten zu besetzen.