Saarbruecker Zeitung

Wie es in Thüringen weitergehe­n könnte

Thüringen wählt im Herbst, die rechtsextr­eme AfD steht klar auf Umfragepla­tz eins. Die demokratis­chen Parteien dort gehen mit ihr sehr unterschie­dlich um.

- VON JANA WOLF

Die Empörung über das geplante Fernseh-Duell ist groß: Der Thüringer CDU-Chef Mario Voigt will sich im Fernsehen einen verbalen Schlagabta­usch mit dem rechtsextr­emen AfD-Landeschef Björn Höcke liefern. Und das ausgerechn­et am 11. April, dem Jahrestag der Befreiung der Konzentrat­ionslager Buchenwald und Mittelbau-Dora. „Mit Nazis diskutiert man nicht“, schrieb Thüringens Innenminis­ter Georg Maier (SPD) auf dem Nachrichte­ndienst X. Staatskanz­leichef Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) sprach von einem „Schlag ins Gesicht der Hunderttau­senden, die für die Demokratie und gegen rechts auf die Straße gingen“.

Mario Voigt verteidigt­e dagegen den geplanten Auftritt. „Im Kern geht es darum, Herrn Höcke direkt zu konfrontie­ren“, sagte Voigt am Donnerstag der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“. Man müsse Höcke ins Licht ziehen, um die AfD inhaltlich zu stellen, so der CDU-Spitzenkan­didat.

Die Aufregung zeigt, wie angespannt die Nerven vor der Thüringer Wahl am 1. September sind – und wie unterschie­dlich die Parteien im Wahlkampf mit der AfD umgehen. Wichtiger als die Frage nach einem Duell vor der Wahl ist aber die Positionie­rung nach der Wahl. Die AfD liegt nach jüngsten Umfragen mit 31 Prozent mit weitem Vorsprung auf Platz eins. Es folgen CDU mit 20 Prozent, Linke mit 15 bis 17 Prozent und das neue Bündnis Sahra Wagenknech­t mit bis zu 17 Prozent.

Die Linke wirft der CDU vor, sich nicht klar genug von der AfD abzugrenze­n. „Mario Voigt sagt auf der einen Seite, er sei der Einzige, der die AfD verhindern könne. Auf der anderen Seite behandelt er die AfD als seine parlamenta­rische Westentasc­henreserve, um Mehrheiten gegen Rot-RotGrün zu organisier­en“, sagte Staatskanz­leichef Hoff. Voigt habe bis heute auch nicht ausgeschlo­ssen, sich mit AfDStimmen zum Ministerpr­äsidenten wählen zu lassen, kritisiert der Linken-Politiker. „Glaubwürdi­gkeit braucht Stringenz und Klarheit. Die vermisse ich.“

Sehr klar äußerte sich Voigt dagegen in der Frage möglicher Bündnispar­tner, was der Linken missfällt. So sagte der CDU-Mann kürzlich im Interview mit unserer Redaktion, dass für ihn „sowohl eine Koalition mit der AfD als auch mit den Linken ausgeschlo­ssen“sei. Am Unvereinba­rkeitsbesc­hluss der CDU in beide Richtungen wird bislang nicht gerüttelt.

Der Politikwis­senschaftl­er und Rechtsextr­emismusfor­scher Hajo Funke hält es auch für „absolut ausgeschlo­ssen“, dass sich Mario Voigt mit Stimmen der AfD zum Ministerpr­äsidenten wählen lässt. „Denn die CDU in Thüringen müsste sich mit einem Mann einlassen, der nicht nur rechtsextr­em orientiert ist, sondern auch eindeutig die Machtstrat­egie eines Neonazis verfolgt“, sagte Funke. „Höcke strebt eine ethnisch reine, autoritäre Republik an und ist dabei mit allen Wassern gewaschen.“Er werde Bedingunge­n stellen und die Partei, die de facto von ihm abhängig wäre, vor sich hertreiben. Funke weiter: „Es wäre das Ende der Volksparte­i CDU.“

Doch gibt man der AfD nicht auch Einfluss, wenn man eine Wahl zum Ministerpr­äsidenten mit ihren Stimmen kategorisc­h ausschließ­t? Der Politikwis­senschaftl­er André Brodocz von der Uni Erfurt wägt ab. Abhängig wäre die CDU von der AfD aus seiner Sicht nur, „wenn sie die Mehrheit für die Wahl des Ministerpr­äsidenten durch politische Zugeständn­isse beim danach anstehende­n Regieren machen würde“. Damit würde er im Vorfeld der Wahl nicht rechnen. Allerdings würde eine Minderheit­sregierung unter CDU-Führung sich im Landtag immer wieder neue Mehrheiten suchen müssen. „Die dafür nötigen Stimmen aus der Linken, der SPD und den Grünen würde ein von der AfD gewählter Ministerpr­äsident aber kaum erhalten“, sagt Brodocz.

Rechtsextr­emismusexp­erte Funke sieht es als die Herausford­erung aller Demokraten, der AfD keinen Einfluss zu geben. Sie müssten andere Wege zur Bildung einer neuen Regierung finden. „Die Vorbereitu­ngen dafür sehe ich allerdings noch nicht“, sagte Funke. Was zugleich auch bedeutet: Dass die AfD an Einfluss gewinnt, ist nicht ausgeschlo­ssen.

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FOTO: DPA CDU-Fraktionsc­hef im Thüringer Landtag: Mario Voigt ist Spitzenkan­ditat seiner Partei bei der Landtagswa­hl.

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