Saarbruecker Zeitung

„Höchste Zeit für eine Frau im Schloss Bellevue“

Wer folgt auf Frank-Walter Steinmeier als Bundespräs­ident? Politikeri­nnen von Union, SPD, Grünen und FDP können sich eine Frau im Amt gut vorstellen.

- VON GREGOR MAYNTZ Produktion dieser Seite: L. Hochstein, I. Schmitt, L. Taskiran

Knapp drei Jahre vor der Entscheidu­ng über die Nachfolge von Frank-Walter Steinmeier als Bundespräs­ident ist eine Debatte darüber entbrannt, ob es nach dann fast 78 Jahren Zeit ist für die erste Frau in diesem Amt ist. Die rheinland-pfälzische Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer von der SPD hob hervor, dass eine Bundespräs­identin eine Ermunterun­g für viele Frauen in Deutschlan­d und darüber hinaus wäre. Die Vorsitzend­e des Bundestags-Verteidigu­ngsausschu­sses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP, verwies auf ausreichen­d starke Frauen, die diese Aufgabe übernehmen könnten. Und das Grünen-Kabinettsm­itglied Lisa Paus sagte dem Berliner „Tagesspieg­el“, sie würde es als Frauenmini­sterin „sehr begrüßen“, wenn sich die demokratis­chen Parteien 2027 darauf einigen könnten, eine Kandidatin für die nächste Wahl des deutschen Staatsober­hauptes aufzustell­en.

Die Amtszeit von Frank-Walter Steinmeier endet im Frühjahr 2027. Nach seiner Wiederwahl 2022 kann er nicht erneut kandidiere­n. Er ist das zwölfte Staatsober­haupt seit Bestehen der Bundesrepu­blik. Einmal kam ein parteilose­r Bewerber zum Zuge ( Joachim Gauck), zweimal ein FDP-Politiker ( Theodor Heuss, Walter Scheel), dreimal einer der SPD (Gustav Heinemann, Johannes Rau, Frank-Walter Steinmeier), sechs Mal ein Unionskand­idat (Heinrich Lübke, Karl Carstens, Richard von Weizsäcker, Roman Herzog, Horst Köhler, Christian Wulff) mit teilweise zwei Amtszeiten. Aber noch nie eine Frau. „Es wird höchste Zeit, dass eine Frau ins Schloss Bellevue einzieht“, sagte Strack-Zimmermann. Sie ist von ihrer Partei als Spitzenkan­didatin für die Europawahl Anfang Juni aufgestell­t worden. SPD, Grüne und Freie Wähler haben ebenfalls Frauen auf Platz eins der Europawahl­listen gesetzt. Die Europäisch­e Volksparte­i will der CDU-Politikeri­n Ursula von der Leyen eine zweite Amtszeit als Kommission­spräsident­in sichern.

Auch die CDU-Bildungsmi­nisterin von Schleswig-Holstein und stellvertr­etende CDU-Vorsitzend­e Karin Prien meinte, in der gegenwärti­gen Zeit könne „eine besonnene Frau im Schloss Bellevue die Menschen zusammenfü­hren, das Verbindend­e über das Trennende stellen und dabei jederzeit unmissvers­tändlich zu den Werten unserer Gesellscha­ft stehen“. Allerdings wäre auch ein Mann, der „diese typisch weiblichen Eigenschaf­ten“mitbringe, ein gutes Staatsober­haupt.

„Es muss die richtige Person zur richtigen Zeit sein“, sagte der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der Unionsfrak­tion im Bundestag, Thorsten Frei, unserer Redaktion. „Wenn es sich dabei 2027 um eine Frau handeln sollte, freue ich mich“, fügte der CDU-Politiker hinzu. Er empfahl jedoch, mit Rücksicht auf die Würde des höchsten deutschen Staatsamte­s „nicht bereits drei Jahre vor dem Ende der Amtszeit

Steinmeier­s über eine mögliche Nachfolge zu spekuliere­n“. In der Vergangenh­eit hatten die Parteien wiederholt Frauen für die Wahl des Staatsober­hauptes nominiert, so 2009 Gesine Schwan von der SPD, 1999 Dagmar Schipanski von der CDU, 1994 Hildegard Hamm-Brücher von der FDP oder 1979 Annemarie Renger von der SPD. Doch jedes Mal hatten die Kandidatin­nen angesichts der Absprachen der Parteien in der Bundesvers­ammlung keine Chance, gewählt zu werden.

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