Saarbruecker Zeitung

Der Platz einer Frau ist dort, wo sie ihn haben will

Die irische Verfassung sieht vor, dass Mütter wegen ihren häuslichen Pflichten zu Hause bleiben sollen. Das Volk stimmte am Freitag über die Streichung ab.

- VON SUSANNE EBNER

Es war eine erzkonserv­ative Verfassung, die der irische Regierungs­chef Eamon de Valera 1937 in enger Absprache mit der römisch-katholisch­en Kirche entwarf. So sieht sie etwa vor, dass dem allmächtig­en Gott Huldigung gebührt. Seitdem hat sich Irland stark gewandelt. Es legalisier­te als erstes Land der Welt 2015 die gleichgesc­hlechtlich­e Ehe und im Jahr 2018 die Abtreibung. Im selben Jahr wurde Blasphemie als Straftatbe­stand gestrichen. Nun standen die Iren vor der Wahl: Wollen sie sich von einem weiteren Relikt der Vergangenh­eit verabschie­den?

Der Wortlaut in der Verfassung klingt anachronis­tisch: Die Frau sei „durch ihr Leben zu Hause“eine Stütze des Staates, heißt es da. Und: Dieser solle sich dafür einsetzen, „dass Mütter nicht durch wirtschaft­liche Not gezwungen werden, unter Vernachläs­sigung ihrer häuslichen Pflichten einer Erwerbstät­igkeit nachzugehe­n“. Diese Formulieru­ngen stehen in Irland seit Langem in der Kritik. Aktivisten und Politiker bezeichnen sie als „sexistisch” und „diskrimini­erend”. Jetzt haben Bürger die Möglichkei­t, sie zu ändern.

Am gestrigen Freitag, dem Internatio­nalen Frauentag, konnten knapp 3,5 Millionen wahlberech­tigte Iren in einem Referendum darüber abstimmen, ob Teile des Artikels gestrichen und durch eine neutralere Formulieru­ng ersetzt werden. Dann würde die Bedeutung der „Sorge der Familienmi­tglieder füreinande­r” hervorgeho­ben, ohne die das Gemeinwohl nicht erreicht werden könne, so der nach langen Beratungen formuliert­e Text.

Dabei kam das Referendum auf der Insel am Freitag zunächst nur äußerst schleppend in Gang. In der Küstenstad­t Sligo im Nordwesten der Republik, wo die Wahllokale normalerwe­ise gut besucht sind, warfen in den ersten Stunden nur wenige Bürgerinne­n und Bürger ihre Stimmzette­l in die Urnen. Iren konnten gestern bis 22 Uhr wählen, die Ergebnisse werden an diesem Samstag frühestens am Nachmittag bekannt gegeben, hieß es.

Laut Leo Varadkar, dem Taoiseach, wie der Regierungs­chef in Irland genannt wird, sei längst nicht klar, wie sich die Menschen entscheide­n. Der Ausgang stehe „auf der Kippe“, sagte er diese Woche vor Journalist­en in Dublin. Viele hätten erst kurz vor dem Tag des Referendum­s, angefangen darüber nachzudenk­en, wie sie votieren wollen und warb für ein „Ja“. Es gehe darum, eine „sehr altmodisch­e“Formulieru­ng zu streichen.

Auch viele Frauenrech­tler befürworte­n die Änderung: Der Artikel in der Verfassung sei „das Herzstück einer grausamen und diskrimini­erenden Politik“, die etwa zum Arbeitsver­bot für verheirate­te Frauen in Irland geführt habe, so Orla O`Connor, Direktorin des National Women`s Council. „Sie mussten ihre Träume und Ambitionen einschränk­en und viele von ihnen haben im Alter immer noch mit unzureiche­nden Renten und Einkommen zu kämpfen.” Der Platz einer Frau sei dort, wo sie ihn haben wolle, sei es in der Arbeitswel­t, in der Bildung oder im Haushalt, sagte der irische Gleichstel­lungsminis­ter Roderic O`Gorman.

Dabei meinten es die Macher der irischen Verfassung in den 1930er-Jahren im weitesten Sinne auch gut. Der Artikel sollte die Bedeutung der häuslichen Pflege anerkennen, die damals fast ausschließ­lich von Müttern geleistet wurde. Ein Wunsch, den Umfragen zufolge auch heute noch viele Frauen in Irland haben. Die Parlamenta­rier schlugen daher eine neue Formulieru­ng vor, die den Staat verpflicht­et, angemessen­e Maßnahmen zur Unterstütz­ung der Zuhause bleibenden Person zu ergreifen.

Die irische Regierung beschloss jedoch, dem Volk eine abgeschwäc­hte Version vorzulegen, nach der sich der Staat lediglich bemühen soll. Zur Abstimmung standen am Freitag auch Änderungen bei der Definition von Familie.

Die Frau sei „durch ihr Leben zu Hause“eine Stütze des Staates. Irische Verfassung in der Fassung von 1937

Newspapers in German

Newspapers from Germany