Wie Deutschland seine erste Präsidentin bekommt
Deutschland bereitet sich auf den 75. Geburtstag des Grundgesetzes vor. Gerade am Weltfrauentag lohnt eine Zwischenbilanz. 16 Jahre regierte eine Bundeskanzlerin, der Bundestag hat seine dritte Präsidentin, der Bundesrat auch, das Bundesverfassungsgericht kommt auf eine. Das ist angesichts so vieler Jahre bereits reichlich wenig. Doch ein Verfassungsorgan blieb in 75 Jahren eine Nullnummer: das Staatsoberhaupt. Es ist daher nicht nur verständlich, dass Frauen aus fast allen Parteien die Forderung nach der ersten Frau im Amt aufstellen. Es ist für die Selbstachtung einer an Parität orientierten Gesellschaft eine lange überfällige Selbstverständlichkeit.
An Kandidatinnen fehlte es bislang nicht. Klangvolle Namen sind darunter, wie die von Annemarie Renger, Luise Rinser, Hildegard Hamm-Brücher, Uta Ranke-Heinemann, Dagmar Schipanski oder Gesine Schwan. Gemeinsam ist ihnen, dass sie von den jeweiligen Parteien immer dann aufgeboten wurden, wenn sie keine Chance hatten. Die Mehrheit in der Bundesversammlung sollte sich aus Sicht der jeweiligen Minderheit ihren Sieg wenigstens mit dem schlechten Gewissen schmälern lassen, wieder keine Frau an die Staatsspitze gelassen zu haben.
Die Frau auf eine solche taktische Funktion einer Männergesellschaft zu reduzieren, das ist für eine Demokratie unwürdig.
Doch es bleibt fraglich, ob ultimative Forderungen mit Quotengedanken automatisch zum weiblichen Erfolg führen. Zumal sie mit dem schalen Beigeschmack verbunden bleiben, nicht wegen der Leistung, sondern wegen des Geschlechtes gewählt worden zu sein. Sicherlich gibt es viele Gründe, warum eine Männerdomäne erst einmal durch Quoren oder Quoten aufgeknackt werden muss, um allen Beteiligten vor Augen führen zu können, dass der beschränkte Blick auf männliche Bewerber letztlich auch weniger mit Qualifikation als mit Geschlecht zu tun hat. Nicht die Besten in den Blick zu nehmen, sondern nur den Besten zu suchen, bringt für Verwaltungen, Parteien, Organisationen und Unternehmen zumeist nicht die bestmögliche Lösung. Mann reimt sich auf kann. Aber Frau auf schlau.
Die zweifellos reichlich vorhandene Frauenpower in dieser Republik sollte von Merkel und den Männern lernen. Deutschland kam nicht zur ersten Kanzlerin, weil die Union meinte, es sei endlich an der Zeit für eine Frau, sondern weil Merkel mutig Chancen herbeigeführt und diese dann genutzt hatte, damit sie irgendwann dort angekommen war, wo kein Weg mehr an ihr vorbeiführte. Auch das Präsidentenamt kennt diese Strategie. Johannes Rau hat sie meisterlich beherrscht, und auch Frank-Walter Steinmeier musste nicht gedrängt werden, seine Karriere mit diesem Amt zu krönen.
Dazu gehört auch, beizeiten Netzwerke zu bilden und Bündnisse vorzubereiten. Und das möglichst geräuschlos. Bis zur nächsten Wahl Anfang 2027 scheint noch genügend Zeit zu sein. Gut ist dieses Mal, dass das Amt des Bundespräsidenten nicht zum Kräftemessen mit aufgeblasener Symbolik im Vorfeld einer Bundestagswahl wird. Kluge Frauen sollten das zu nutzen wissen.