Pistorius unter Tage – zum Schutz vor Putin
Boris Pistorius besucht am letzten Tag seiner Skandinavien-Reise Finnland, das eine 1300 Kilometer lange Grenze zu Russland hat. Das Land ist Bedrohungen aus dem Osten gewohnt, hat aber als Reaktion auf den Ukraine-Krieg den Schutz der Nato durch einen Be
Boris Pistorius steht jetzt in der Unterwelt. 25 Meter unter der Erde von Helsinki. Es ist Tag vier, Station vier seiner SkandinavienReise. Die nächste Hauptstadt, das nächste Bekenntnis zu Einigkeit und Beistand. Wieder ist Pistorius in einem Land, das sich von seinem Nachbarn bedroht sieht. Der Nachbar heißt Russland, mit dem sich Finnland – und nach dem Nato-Beitritt des Landes inzwischen auch das Bündnis – eine rund 1300 Kilometer lange Grenze teilt. Falls Russland jemals mit einem Atomkrieg nicht nur droht, sondern ihn auch startet, wäre Finnland gerüstet. Allein Helsinki mit seinen 650 000 Einwohnern hat Schutzplätze für 900 000Menschen unter der Erde.
Pistorius ist beeindruckt, als er die Bunkeranlage Merihaka besucht. Allein dort gibt es Platz für 6000 Menschen. Antti Häkkänen, der finnische Amtskollege von Pistorius, sagt: „Von Russland geht eine Langzeitbedrohung gegen europäische Länder aus.“Demokratien würden „dieses Spiel nicht von alleine gewinnen“. Pistorius denkt deshalb aktuell darüber nach, wie umfassende Verteidi
gung, darunter auch der Zivilschutz, in Deutschland neu organisiert werden könnte. Deswegen der Weg in den Bunker von Helsinki.
Selbst im Kalten Krieg habe Deutschland nur für zehn Prozent der Bevölkerung Bunkerplätze gehabt, so Pistorius. Lange fühlte sich die Regierung in Helsinki – wie auch die schwedische Regierung in Stockholm – militärpolitischer Neutralität verpflichtet. Es war Gebot und Leitfaden, beinahe ein heiliger Gral schwedischer und finnischer Sicherheitspolitik. Doch der Angriffskrieg des Wladimir Putin auf die Ukraine hat der Nato zwei neue Mitglieder gebracht und sowohl Schweden wie auch Finnland regelrecht in die Nato getrieben. Die finnische Außenministerin Elina Valtonen hat unlängst ge
sagt, ihr Land investiere schon lange in die eigene Verteidigung, „nicht um Krieg zu führen, sondern um zu vermeiden, dass wir angegriffen werden“.
Mit Blick auf Russland und auch als Appell an den eigenen Mut, fügte Valtonen noch hinzu: „Falls die Guten schweigen, triumphiert das Böse.“Pistorius ist nach Schweden,
Norwegen nun also bei den „Guten“in Finnland. Nach der mehr als ärgerlichen Abhör-Affäre, bei der russische Geheimdienste eine Schaltkonferenz deutscher Luftwaffen-Generäle belauscht haben, sind die vier Tage seiner Skandinavien-Reise eine willkommene Auszeit von diesem Thema. Nächste Woche will Pistorius dann am Montag im Verteidigungsausschuss dazu Rede und Antwort stehen und berichten, ob und gegebenenfalls gegen welche Vorschriften deutsche Luftwaffen-Offiziere bei ihrer abgehörten Dienstbesprechung verstoßen haben. Fragen zu Taurus wird er sich da gleichfalls anhören müssen. Der stellvertretende Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Henning Otte (CDU), der Pistorius auf seiner Reise begleitet, ärgert sich
darüber, dass Bundeskanzler Olaf Scholz, den der Ausschuss geladen hat, nicht erscheint. „Olaf Scholz kneift und will nicht zur Verfügung stehen.
Das muss nun der Verteidigungsminister übernehmen.“Otte sagt dazu unserer Redaktion: „Boris Pistorius muss den Widerspruch aufklären, ob deutsche Soldaten im Falle einer Lieferung von Taurus in der Ukraine gebraucht werden – oder eben nicht. Die Führung der Luftwaffe sagt Nein, der Kanzler sagt Ja. Was gilt denn nun?
Es zeigt sich hier ein Disput zwischen dem Verteidigungsminister und dem Bundeskanzler.“Die Luftwaffenführung habe deutlich gemacht, dass deutsche Soldaten für Taurus in der Ukraine nicht gebraucht würden. „Wir sollten also liefern können“, erwartet Otte.
Taurus oder kein Taurus? – diese Frage im Ausschuss ist für Pistorius aber erst das Geschäft der nächsten Woche. Am Freitag in Helsinki betont der politische Gast aus Berlin die Solidarität Deutschlands mit dem NeuNato-Mitglied Finnland, das das Riesenreich von Kreml-Diktator Putin an seiner östlichen Flanke weiß. Hier die Freiheit, dort die Unterdrückung und die Aggression.
Finnlands Verteidigungsminister Häkkänen freut sich über den demonstrativen Schulterschluss mit seinem deutschen Amtskollegen. Pistorius sagt nach seinen Besuchen in Schweden, Norwegen und Finnland: „Wenn man den Globus dreht, bekommt die Arktis eine andere Bedeutung.“Durch das militärischstrategisch wichtige Nordmeer laufe ein Teil des Welthandels. Pistorius hat sich auch nach den WehrpflichtModellen der Nordländer erkundigt. CDU-Verteidigungsexperte Otte sagt: „Die Bundeswehr braucht Nachwuchs und mehr Personal. Ein Wehrdienst als Teil einer allgemeinen Dienstpflicht wäre dazu ein Instrument.“Pistorius wiederum betont weiter, dass Verteidigung immer auch eine zivile Komponente habe. Zivilschutz sei Aufgabe des gesamten Landes.
Deswegen geht Pistorius inHelsinki unter Tage und besucht einen Bunker mit Sportplätzen, Fitnessstudio und Cafeteria. Wer sich schon verteidigen muss, der soll zumindest fit dafür sein, so die Botschaft. Pistorius sagt in Helsinki, bei Verteidigung und Zivilschutz habe Deutschland, vorsichtig gesprochen, „noch Platz für Verbesserung“. Finnland sei da schon weiter. „Unsere finnischen Freunde waren schon immer auf das Schlimmste vorbereitet.“Das Böse wohnt nebenan – in Russland. Die „guten“Finnen haben ihren Schutzzaun höher gezogen – als Nato-Mitglied.
„Olaf Scholz kneift und will nicht zur Verfügung stehen. Das muss nun der Verteidigungsminister übernehmen.“Henning Otte (CDU) Stellvertretender Vorsitzender des Verteidigungsausschuss