„Viele Entscheidungen werden besser“
Der Sozialminister spricht über Vorteile, die es hat, Kinder und Jugendliche an politischen Prozessen zu beteiligen.
Mit einem neuen Beteiligungsgesetz sollen Kinder und Jugendliche im Saarland künftig mehr Einfluss auf politische Entscheidungen auf Landes- und kommunaler Ebene bekommen. Sozialminister Magnus Jung (SPD) erklärt im Interview, wie das umgesetzt werden soll, und fordert eine neue Debatte über das Wahlrecht mit 16 Jahren.
Herr Jung, Ihr Ministerium und
Sie bereiten gerade ein Gesetz zur besseren Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an politischen Entscheidungen in den saarländischen Städten und Gemeinden sowie auf Landesebene vor. Warum ist das nötig? Haben Kommunalund Landespolitiker die Interessen junger Menschen im Saarland bisher nicht gut vertreten?
JUNG Es gibt mehrere Gründe, Kinder und Jugendliche zukünftig an politischen Entscheidungen auf kommunaler Ebene und auf Landesebene stärker zu beteiligen als bislang. Zum einen sind Kinder und Jugendliche Experten für Ihre eigenen Anliegen und Interessen, und ich glaube, dass viele Entscheidungen besser werden, wenn wir Kinder und Jugendliche und ihre Perspektive bei Entscheidungen stärker einbeziehen. Zum zweiten kann es auch für unsere Demokratie nur eine Stärkung sein, wenn Kinder und Jugendliche schon in der Kindheit oder im Jugendalter die Erfahrung machen, dass sie in einer Demokratie mitbestimmen können und das Engagement sinnvoll ist. Der dritte Punkt ist: Beteiligung und Stärkung von Rechten ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, den Kinderschutz in unserer Gesellschaft stärker zu verankern. Das tun wir, indem wir Kindern nicht nur mehr Rechte geben, sondern ihnen auch helfen diese Rechte im Alltag umzusetzen.
Im November hat das Saarland zum ersten Mal ein Landesjugendforum durchgeführt und Kinder und Jugendliche nach ihrer politischen Meinung und ihren Forderungen gefragt. Ein Hauptkritikpunkt der Teilnehmer in Richtung Politik: Oft fühlten sich junge Menschen nicht ernst genommen und ihre eigenen Ideen würden nicht umgesetzt. Wie wollen Sie
denn nun dafür sorgen, dass sich das ändert und auf Landesebene die Anliegen von jungen Menschen Gehör finden?
JUNG Dazu verfolgen wir im neuen Gesetz verschiedene Ansätze. Bei Gesetzesentwürfen auf Landesebene müssen Kinder und Jugendliche von der Landesregierung und dem Landtag künftig beteiligt werden. Zum Beispiel durch digitale Beteiligungsverfahren. Wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass junge Menschen von einem neuen Gesetzesvorhaben betroffen sind, soll künftig eine neue Fach- und Servicestelle für Jugendbeteiligung einen Jugendcheck durchführen. Das heißt: Alle Gesetzgebungsverfahren, die die Belange von jungen Menschen berühren, werden mit Blick auf deren Interessen noch einmal besonders überprüft. Die Landesfachstelle für Jugendbeteiligung soll auch Kommunen, Verbände und letztlich alle Kinder und Jugendlichen dabei unterstützen, Formen und Beteiligungsprozesse zu organisieren. Zusätzlich schaf
fen wir auch noch einen Fonds für junge Ideen. Und wir führen auch eine regelmäßige Konferenz auf Landesebene ein, an der alle Kinder und Jugendlichen im Saarland teilnehmen können, um ganz niedrigschwellig einen Dialog zwischen der Landespolitik und Kindern und Jugendlichen zu führen.
Auch auf Ebene der Städte und Gemeinden im Saarland sollen Kinder und Jugendliche künftig mehr mitreden dürfen. Was soll sich ändern? JUNG Durch das Gesetz wird Kinder- und Jugendbeteiligung bei Angelegenheiten, die junge Men
schen betreffen, klare Aufgabe der Kommunen. Wir geben allerdings nicht vor, in welcher Weise die Beteiligung stattzufinden hat. Das heißt, dass es jetzt nicht in jeder Gemeinde zwingend einen Jugendgemeinderat geben muss. Das können die Kommunen so machen, sie können aber auch zu bestimmten Projekten offenere Beteiligungsformen wählen, zum Beispiel Jugendkonferenzen, Vor-Ort-Termine, Befragungen oder auch digitale Beteiligungsformen. Wichtig ist für uns in erster Linie nicht wie beteiligt wird, sondern dass Kinder und Jugendliche an Entscheidungen beteiligt werden. Dazu gehört auch, dass Bürgermeister den Gemeinderat künftig darüber unterrichten müssen, was sie unternommen haben, um junge Menschen zu beteiligen.
Beim Landesjugendforum ist eine Sache sehr deutlich geworden. Von den 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmern haben sich 90 Prozent deutlich für ein Wahlrecht ab 16 Jahren ausgesprochen. Das Thema
ist nach langen Debatten und zwei Abstimmungen im Landtag eigentlich politisch tot, denn die Landesverfassung müsste geändert werden und die CDU spricht sich vehement dagegen aus. Wollen sie sich trotzdem noch einmal dafür einsetzen, dass Jugendliche ab 16 bei kommenden Wahlen im Saarland und auf kommunaler Ebene wählen dürfen?
JUNG Am 9. Juni dürfen zum ersten Mal junge Menschen im Saarland mit 16 wählen. Leider nur bei der Europawahl und nicht wenn es um ihre Bürgermeister oder Landräte geht. Das ist natürlich absurd. Für mich ist die Debatte ums Wahlrecht mit 16 alles andere als tot. Das wird uns in der Landespolitik weiter beschäftigen. Die Mehrheit der Länder hat mittlerweile das Wahlalter 16 auf kommunaler Ebene eingeführt. Ich halte das für den richtigen Weg und denke, dass die CDU ihre Auffassung dazu in der Zukunft wird ändern müssen.
„Alle Gesetzgebungsverfahren, die die Belange von jungen Menschen berühren, werden mit Blick auf deren Interessen noch einmal besonders überprüft.“Magnus Jung (SPD) Sozialminister