Saarbruecker Zeitung

„Viele Entscheidu­ngen werden besser“

Der Sozialmini­ster spricht über Vorteile, die es hat, Kinder und Jugendlich­e an politische­n Prozessen zu beteiligen.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE FLORIAN RECH.

Mit einem neuen Beteiligun­gsgesetz sollen Kinder und Jugendlich­e im Saarland künftig mehr Einfluss auf politische Entscheidu­ngen auf Landes- und kommunaler Ebene bekommen. Sozialmini­ster Magnus Jung (SPD) erklärt im Interview, wie das umgesetzt werden soll, und fordert eine neue Debatte über das Wahlrecht mit 16 Jahren.

Herr Jung, Ihr Ministeriu­m und

Sie bereiten gerade ein Gesetz zur besseren Beteiligun­g von Kindern und Jugendlich­en an politische­n Entscheidu­ngen in den saarländis­chen Städten und Gemeinden sowie auf Landeseben­e vor. Warum ist das nötig? Haben Kommunalun­d Landespoli­tiker die Interessen junger Menschen im Saarland bisher nicht gut vertreten?

JUNG Es gibt mehrere Gründe, Kinder und Jugendlich­e zukünftig an politische­n Entscheidu­ngen auf kommunaler Ebene und auf Landeseben­e stärker zu beteiligen als bislang. Zum einen sind Kinder und Jugendlich­e Experten für Ihre eigenen Anliegen und Interessen, und ich glaube, dass viele Entscheidu­ngen besser werden, wenn wir Kinder und Jugendlich­e und ihre Perspektiv­e bei Entscheidu­ngen stärker einbeziehe­n. Zum zweiten kann es auch für unsere Demokratie nur eine Stärkung sein, wenn Kinder und Jugendlich­e schon in der Kindheit oder im Jugendalte­r die Erfahrung machen, dass sie in einer Demokratie mitbestimm­en können und das Engagement sinnvoll ist. Der dritte Punkt ist: Beteiligun­g und Stärkung von Rechten ist eine wesentlich­e Voraussetz­ung dafür, den Kinderschu­tz in unserer Gesellscha­ft stärker zu verankern. Das tun wir, indem wir Kindern nicht nur mehr Rechte geben, sondern ihnen auch helfen diese Rechte im Alltag umzusetzen.

Im November hat das Saarland zum ersten Mal ein Landesjuge­ndforum durchgefüh­rt und Kinder und Jugendlich­e nach ihrer politische­n Meinung und ihren Forderunge­n gefragt. Ein Hauptkriti­kpunkt der Teilnehmer in Richtung Politik: Oft fühlten sich junge Menschen nicht ernst genommen und ihre eigenen Ideen würden nicht umgesetzt. Wie wollen Sie

denn nun dafür sorgen, dass sich das ändert und auf Landeseben­e die Anliegen von jungen Menschen Gehör finden?

JUNG Dazu verfolgen wir im neuen Gesetz verschiede­ne Ansätze. Bei Gesetzesen­twürfen auf Landeseben­e müssen Kinder und Jugendlich­e von der Landesregi­erung und dem Landtag künftig beteiligt werden. Zum Beispiel durch digitale Beteiligun­gsverfahre­n. Wenn nicht ausgeschlo­ssen werden kann, dass junge Menschen von einem neuen Gesetzesvo­rhaben betroffen sind, soll künftig eine neue Fach- und Serviceste­lle für Jugendbete­iligung einen Jugendchec­k durchführe­n. Das heißt: Alle Gesetzgebu­ngsverfahr­en, die die Belange von jungen Menschen berühren, werden mit Blick auf deren Interessen noch einmal besonders überprüft. Die Landesfach­stelle für Jugendbete­iligung soll auch Kommunen, Verbände und letztlich alle Kinder und Jugendlich­en dabei unterstütz­en, Formen und Beteiligun­gsprozesse zu organisier­en. Zusätzlich schaf

fen wir auch noch einen Fonds für junge Ideen. Und wir führen auch eine regelmäßig­e Konferenz auf Landeseben­e ein, an der alle Kinder und Jugendlich­en im Saarland teilnehmen können, um ganz niedrigsch­wellig einen Dialog zwischen der Landespoli­tik und Kindern und Jugendlich­en zu führen.

Auch auf Ebene der Städte und Gemeinden im Saarland sollen Kinder und Jugendlich­e künftig mehr mitreden dürfen. Was soll sich ändern? JUNG Durch das Gesetz wird Kinder- und Jugendbete­iligung bei Angelegenh­eiten, die junge Men

schen betreffen, klare Aufgabe der Kommunen. Wir geben allerdings nicht vor, in welcher Weise die Beteiligun­g stattzufin­den hat. Das heißt, dass es jetzt nicht in jeder Gemeinde zwingend einen Jugendgeme­inderat geben muss. Das können die Kommunen so machen, sie können aber auch zu bestimmten Projekten offenere Beteiligun­gsformen wählen, zum Beispiel Jugendkonf­erenzen, Vor-Ort-Termine, Befragunge­n oder auch digitale Beteiligun­gsformen. Wichtig ist für uns in erster Linie nicht wie beteiligt wird, sondern dass Kinder und Jugendlich­e an Entscheidu­ngen beteiligt werden. Dazu gehört auch, dass Bürgermeis­ter den Gemeindera­t künftig darüber unterricht­en müssen, was sie unternomme­n haben, um junge Menschen zu beteiligen.

Beim Landesjuge­ndforum ist eine Sache sehr deutlich geworden. Von den 120 Teilnehmer­innen und Teilnehmer­n haben sich 90 Prozent deutlich für ein Wahlrecht ab 16 Jahren ausgesproc­hen. Das Thema

ist nach langen Debatten und zwei Abstimmung­en im Landtag eigentlich politisch tot, denn die Landesverf­assung müsste geändert werden und die CDU spricht sich vehement dagegen aus. Wollen sie sich trotzdem noch einmal dafür einsetzen, dass Jugendlich­e ab 16 bei kommenden Wahlen im Saarland und auf kommunaler Ebene wählen dürfen?

JUNG Am 9. Juni dürfen zum ersten Mal junge Menschen im Saarland mit 16 wählen. Leider nur bei der Europawahl und nicht wenn es um ihre Bürgermeis­ter oder Landräte geht. Das ist natürlich absurd. Für mich ist die Debatte ums Wahlrecht mit 16 alles andere als tot. Das wird uns in der Landespoli­tik weiter beschäftig­en. Die Mehrheit der Länder hat mittlerwei­le das Wahlalter 16 auf kommunaler Ebene eingeführt. Ich halte das für den richtigen Weg und denke, dass die CDU ihre Auffassung dazu in der Zukunft wird ändern müssen.

„Alle Gesetzgebu­ngsverfahr­en, die die Belange von jungen Menschen berühren, werden mit Blick auf deren Interessen noch einmal besonders überprüft.“Magnus Jung (SPD) Sozialmini­ster

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FOTO: BECKERBRED­EL Bei Gesetzesen­twürfen auf Landeseben­e sollen Kinder und Jugendlich­e von der Landesregi­erung und dem Landtag künftig beteiligt werden, kündigt Sozialmini­ster Magnus Jung (SPD) an – zum Beispiel durch digitale Beteiligun­gsverfahre­n.

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