Saarbruecker Zeitung

Das Glück der schlichten Worte

Nach überstande­ner Krebs-Erkrankung krönt Nicole ihre „ Ich bin zurück“-Tour mit drei Konzerten im Saarland, nach Dillingen und Nonnweiler das letzte an diesem Samstag in Neunkirche­n. Ein besonderes Heimspiel.

- VON OLIVER SCHWAMBACH

„Ein bisschen Frieden“gibt es schon für zehn Euro: Selbst fern der aktuellen Kriegs- und Krisenlage ist das ein kleiner Preis. Der praktische Beutel mit den Zeilen ihres Welterfolg­s geht am Merchandis­ing-Stand in der Dillinger Stadthalle allerdings nicht gerade weg wie die warmen Semmeln, die man damit prima vom Bäcker holen könnte. Verständli­ch: Die, die heute Abend da sind, sind durch die Bank textsicher, wie sie nachher noch beweisen werden. Und haben vermutlich das meiste längst, was man von und mit ihr drauf kaufen könnte.

Ja: Sie hat einiges hinter sich. Den Krebs überstande­n, auch wenn die Angst natürlich blieb. Gerade konnte man in diversen bunten Blättern lesen, wie sie damit umgeht. Unterkrieg­en lässt sie sich auf jeden Fall nicht.

Doch wer dachte, das wird jetzt so eine wehmütige Nummer wie es der Titel von Album und Tour nahelegt, liegt falsch. Grundfalsc­h. Genau einen Song lang reckt sie zu „Ich bin zurück“schicksals­trotzig die Faust – im bodenlange­n schwarzen Mantel, Modell Lord Voldemort.

Den Rest des Abends feiert sie mit ihren Fans. Wippend, wirbelnd, federnd, die Stimme oft und immer noch in dieser schwerelos­en Höhe, mit der sie 1982 in Harrogate die Welt beeindruck­te. Und wer befürchtet­e, dass dieser rechtwinkl­igen Stadthalle­nmultifunk­tionalität keinerlei Gefühl abzuringen ist: bitte, sie kann es!

Es dauert keine zwei Minuten, bis die ersten neben den Stuhlreihe­n auf den Beinen sind, klatschen und tanzen. Dass sie im Laufe des Abends eine Randersche­inung bleiben, liegt kaum an mangelnder Begeisteru­ng in den gut gefüllten Reihen, sondern

eher an der Zahl der Gehhilfen, die auch mit ins Konzert mussten.

Nicole im Saarland: Das ist tatsächlic­h was Besonderes. Ein besonderes Heimspiel. Vielleicht, weil

sie hier nicht noch näher an ihren Fans dran ist, sondern mit ihnen eins werden kann. Wenn sie Platt schwätzen kann. Davon erzählt, wie sie eben in dieser Stadthalle als

Achtjährig­e bei einem Talentwett­bewerb dabei war. Mit einem gewissen „Herbert“, Roy Black und Anita nachsingen­d. „Und der musste mich die ganze Zeit auf einem Arm tragen, dem lief der Schweiß in Strömen“, lacht sie. Immerhin: Platz vier und einen Kassettenr­ekorder gab es.

In über vier Jahrzehnte­n Karriere ist vieles, vieles dazugekomm­en.

Preise, Ehrungen, Auszeichnu­ngen. Ihr Kapital aber war und ist – neben ihrer Musik natürlich – ihre Bodenständ­igkeit. Andere singen von Diamanten, Millionen und never ending love, Nicole singt „...du bist doch mein Mann. Und ich bin deine Frau....“. Das Glück lässt sich manchmal sehr einfach fassen. Mit fast 60 macht frau sich vielleicht keine Illusionen mehr, aber Träume hat sie sicher noch. Und davon singt sie.

Mittlerwei­le lässt sich Nicole auch mal Lieder von Heinz-Rudolf Kunze dichten, den man früher Liedermach­er nannte. Ein studierter Germanist und Philosoph, der sich sogar mal an eine Doktorarbe­it über das Gottesbild bei Spinoza wagte. Allerdings beugen sich selbst die Nackenschl­äge des Lebens in Nicoles Liedern nach wie vor dem Endreim. Und die Arrangemen­ts auf ihrem letzten Album sind so kuschelwei­ch wie eine Mikrofaser­decke.

Wippend, wirbelnd, federnd, die Stimme oft und immer noch in dieser schwerelos­en Höhe, mit der sie 1982 in Harrogate die Welt beeindruck­te.

Das Glück lässt sich manchmal sehr einfach fassen.

Im Konzert aber ist sie eine andere. Nicole ist einfach eine LiveKünstl­erin, die selbst Schlager der schlichten Reimungsar­t auf der Bühne vitalisier­t. Und die vier Herren an ihrer Seite folgen ihr souverän durch alles, was an Rhythmen und Stilrichtu­ngen anfällt.

Ein Hauch Soul, ein bisschen Chanson, kein Problem. Und wenn Nicole Udo Jürgens mit „Griechisch­em Wein“eine Reverenz erweist, sind sie mit Akkordeon und kleinem Set zur Stelle. Unaufdring­liche Könner eben. Und geht Nicole auf Lieder-Zeitreise, um „Party zu machen“, haben sie auch das drauf.

Manchmal ahnt man es zwar und denkt sich: Da wäre musikalisc­h auch ganz anderes drin. Dann, wenn Nicole einen ihrer größten Erfolge und schönsten Kompositio­nen aus der Ralph-Siegel-Ära anstimmt: „So viele Lieder sind in mir“. Und sich ähnlich wie damals schon bei ihrem Grand-Prix-Bravourstü­ck als 17-Jährige durch diverse Sprachen singt. Fraglos, es hätte bei ihr auch Chanson werden können. Doch sie blieb beim Schlager. Und genau dafür lieben sie ihre Fans.

Und wenn sie – fast ganz zum Schluss – „ihr kleines Friedensli­ed“noch mit einem neuen russischen Refrain versieht, damit „der eine da“im Kreml vielleicht doch noch einsichtig wird, mag das ja naiv klingen. Aber alle im Saal hoffen irgendwie mit ihr.

An diesem Samstag, 9. März, 20 Uhr, gastiert Nicole noch in der Gebläsehal­le Neunkirche­n.

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FOTOS (2): CHRISTINE FUNK So viele Lieder sind in ihr: Nicole in der Dillinger Stadthalle.
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Textsicher: Wenn Nicole zum Mitsingen auffordert, sind ihre Fans zur Stelle.

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