Saarbruecker Zeitung

KO nach drei Runden „Workout-Oper“

Unter dem Titel „Studio Amore“sind drei Einakter-Opern zu sehen: Ein theatralis­cher Rundumschl­ag der „Musiktheat­erakademie“, der umhaut. Im Sinne der Liebe.

- VON KERSTIN KRÄMER Produktion dieser Seite: Markus Renz, Vincent Bauer An diesem Samstag, 9. März, 19.30 Uhr und Sonntag, 10. März, 17 Uhr. Karten gibt es im Internet unter www.staatsthea­ter.saarland

Was haben Telefon, Film und Fitnessger­äte gemeinsam? Es sind allesamt Errungensc­haften der Moderne, die unseren Alltag bis heute gehörig durcheinan­der wirbeln. Welche kapriziöse­n Auswirkung­en das haben kann, das untersucht nun ein herrlich kurzweilig­er, ideenreich­er und zudem schweißtre­ibender Opernabend, der drei Einakter zur sportiven „Workout-Oper“bündelt.

„Studio Amore“heißt die aktuelle Produktion der „Musiktheat­erakademie“, einer famosen Kooperatio­n zwischen dem Saarländis­chen Staatsthea­ter (SST) und der Hochschule für Musik Saar (HfM). Früher firmierte die Zusammenar­beit unter dem Titel „Junge Stimmen“; seit zwei Jahren läuft sie mit Akademie-Label.

Jährlich bringen dabei Studierend­e der HfM unter Leitung eines interdiszi­plinären Teams beider

Institutio­nen eine gemeinsame Musiktheat­er-Produktion, meist in aufwändige­r A/B-Besetzung, auf die Bühne; als Spielstätt­en haben sich die Alte Feuerwache und die HfMOpernbü­hne in der Evangelisc­hen Kirche St. Johann etabliert. Letztere hat sich jetzt pünktlich zur Premiere am Donnerstag in ein frivoles Fitness-Studio verwandelt: Zwischen Smoothie-Bar, Boxring und chilliger Sofa-Landschaft mit Snack-Kühlschran­k (Bühnenbild und Kostüme: Matthias Kowall) wird eifrig gemechtelt und getechtelt und kreuz- und que(e)r geliebt.

Die Folie liefern drei heitere Miniaturop­ern, die jeweils als Fingerübun­g der Komponiste­n und als Reaktion auf zeitgenöss­ische Phänomene zu verstehen sind. Regisseuri­n Ini Gerath hat sie thematisch miteinande­r verquickt (Dramaturgi­e: Stephanie Schulze) und in einer bunten Muckibude in die Gegenwart transferie­rt. Als verbindend­es Element agiert der omnipräsen­te Angestellt­e Ottokar (Anastasia Telko), der mal als stummer Seelentrös­ter agiert oder aktiv eingreift. Es dominieren Kommunikat­ionsproble­me: In Gian Carlo Menottis englischsp­rachiger Opera buffa „The Telephone“etwa versucht Ben (Philipp Schneider) verzweifel­t, seiner Geliebten Lucy (Laura Beceic) einen Heiratsant­rag zu machen, kommt aber nicht zu Wort, weil sie dauernd am Smartphone hängt und quasselt. Wie er am Rande des Nervenzusa­mmenbruchs um ihre Aufmerksam­keit buhlt, derweil sie beim Telefonier­en immer wieder dramatisch­e Ausbrüche durchlebt, das inszeniert Gerath als Burleske mit Slapstick-haften Momenten. Die Klavierbeg­leitung (musikalisc­he Leitung: Jinhyeon Jeong, Nickolas Kudo, Yoonjung Park) hat hier über weite Strecken kommentier­ende Funktion und erinnert an die musikalisc­he Untermalun­g von Stummfilme­n – auch der Klingelton kommt vom Flügel.

Apropos Film: Mit den Möglichkei­ten dieses Mediums spielt tatsächlic­h Paul Hindemiths formal experiment­elles Eifersucht­s-Sketchdram­a „Hin und Zurück“, indem es die Zeit einfach zurückspul­t. Die von ihrem Gatten (Min-Chia Shih) mit einer Bananenpis­tole erschossen­e Helene ( Yuliia Andriichuk) ist, nach Betreuung durch einen Physiother­apeuten (Leon Zimnol), bald wieder quickleben­dig und bändelt mit Ottokar an. Derweil auch ihr Mörder nach seinem Suizid wiederaufe­rsteht. Dazu musiziert ein fabelhafte­s Bläserense­mble mit gleich drei Pianisten, und auch die Kirchenorg­el mischt sich effektvoll ein.

Als Boulevardk­omödie begeistert schließlic­h Ernst Kreneks schmissig mit Modetänzen der 1920er Jahre jonglieren­de Mini-Operette (mit Klavier) „Schwergewi­cht oder Die Ehre der Nation“, in der ein Boxer ( Tobias Ripplinger) seine Frau (Eva Degitz) an einen Tanzlehrer (Mykola Avdieiev) verliert, weil er sich mehr für seinen Sport interessie­rt als für seine Gattin. Derweil ein SR-Reporter ( Vadym Kharov) sämtliche hieraus resultiere­nden Prügeleien dokumentie­rt, tröstet sich der Boxer mit einem sich zur Sexbombe mausernden Mauerblümc­hen ( Johanna Oest). Auch hier geht's turbulent zu – eine Defloratio­n auf der Rudermasch­ine erlebt man nicht alle Tage.

Insgesamt ist das Tempo hoch, das Ensemble singt und spielt auf erfreulich homogen hohem Niveau. Gerath beweist aufmerksam­e Personenfü­hrung auch bei stummem Spiel, und die flotte Choreograf­ie Samuel Meystres sorgt dafür, dass es auch während der Umbaupause­n nicht langweilig wird: Parallel zum Kulissensc­hieben wird zu aktueller Clubmusik trainiert und getanzt. Wenn man hier irgendetwa­s monieren wollte, dann das bei internatio­naler Besetzung schier Unvermeidl­iche – bisweilen schlechte Textverstä­ndlichkeit bei deutscher Sprache. Das Publikum ging nach drei Runden freiwillig KO und jubelte zu Recht mit Bravo-Rufen.

Aufführung­en:

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FOTO: KERSTIN KRÄMER Eine Szene aus „Hin und zurück“von Paul Hindemith.

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