KO nach drei Runden „Workout-Oper“
Unter dem Titel „Studio Amore“sind drei Einakter-Opern zu sehen: Ein theatralischer Rundumschlag der „Musiktheaterakademie“, der umhaut. Im Sinne der Liebe.
Was haben Telefon, Film und Fitnessgeräte gemeinsam? Es sind allesamt Errungenschaften der Moderne, die unseren Alltag bis heute gehörig durcheinander wirbeln. Welche kapriziösen Auswirkungen das haben kann, das untersucht nun ein herrlich kurzweiliger, ideenreicher und zudem schweißtreibender Opernabend, der drei Einakter zur sportiven „Workout-Oper“bündelt.
„Studio Amore“heißt die aktuelle Produktion der „Musiktheaterakademie“, einer famosen Kooperation zwischen dem Saarländischen Staatstheater (SST) und der Hochschule für Musik Saar (HfM). Früher firmierte die Zusammenarbeit unter dem Titel „Junge Stimmen“; seit zwei Jahren läuft sie mit Akademie-Label.
Jährlich bringen dabei Studierende der HfM unter Leitung eines interdisziplinären Teams beider
Institutionen eine gemeinsame Musiktheater-Produktion, meist in aufwändiger A/B-Besetzung, auf die Bühne; als Spielstätten haben sich die Alte Feuerwache und die HfMOpernbühne in der Evangelischen Kirche St. Johann etabliert. Letztere hat sich jetzt pünktlich zur Premiere am Donnerstag in ein frivoles Fitness-Studio verwandelt: Zwischen Smoothie-Bar, Boxring und chilliger Sofa-Landschaft mit Snack-Kühlschrank (Bühnenbild und Kostüme: Matthias Kowall) wird eifrig gemechtelt und getechtelt und kreuz- und que(e)r geliebt.
Die Folie liefern drei heitere Miniaturopern, die jeweils als Fingerübung der Komponisten und als Reaktion auf zeitgenössische Phänomene zu verstehen sind. Regisseurin Ini Gerath hat sie thematisch miteinander verquickt (Dramaturgie: Stephanie Schulze) und in einer bunten Muckibude in die Gegenwart transferiert. Als verbindendes Element agiert der omnipräsente Angestellte Ottokar (Anastasia Telko), der mal als stummer Seelentröster agiert oder aktiv eingreift. Es dominieren Kommunikationsprobleme: In Gian Carlo Menottis englischsprachiger Opera buffa „The Telephone“etwa versucht Ben (Philipp Schneider) verzweifelt, seiner Geliebten Lucy (Laura Beceic) einen Heiratsantrag zu machen, kommt aber nicht zu Wort, weil sie dauernd am Smartphone hängt und quasselt. Wie er am Rande des Nervenzusammenbruchs um ihre Aufmerksamkeit buhlt, derweil sie beim Telefonieren immer wieder dramatische Ausbrüche durchlebt, das inszeniert Gerath als Burleske mit Slapstick-haften Momenten. Die Klavierbegleitung (musikalische Leitung: Jinhyeon Jeong, Nickolas Kudo, Yoonjung Park) hat hier über weite Strecken kommentierende Funktion und erinnert an die musikalische Untermalung von Stummfilmen – auch der Klingelton kommt vom Flügel.
Apropos Film: Mit den Möglichkeiten dieses Mediums spielt tatsächlich Paul Hindemiths formal experimentelles Eifersuchts-Sketchdrama „Hin und Zurück“, indem es die Zeit einfach zurückspult. Die von ihrem Gatten (Min-Chia Shih) mit einer Bananenpistole erschossene Helene ( Yuliia Andriichuk) ist, nach Betreuung durch einen Physiotherapeuten (Leon Zimnol), bald wieder quicklebendig und bändelt mit Ottokar an. Derweil auch ihr Mörder nach seinem Suizid wiederaufersteht. Dazu musiziert ein fabelhaftes Bläserensemble mit gleich drei Pianisten, und auch die Kirchenorgel mischt sich effektvoll ein.
Als Boulevardkomödie begeistert schließlich Ernst Kreneks schmissig mit Modetänzen der 1920er Jahre jonglierende Mini-Operette (mit Klavier) „Schwergewicht oder Die Ehre der Nation“, in der ein Boxer ( Tobias Ripplinger) seine Frau (Eva Degitz) an einen Tanzlehrer (Mykola Avdieiev) verliert, weil er sich mehr für seinen Sport interessiert als für seine Gattin. Derweil ein SR-Reporter ( Vadym Kharov) sämtliche hieraus resultierenden Prügeleien dokumentiert, tröstet sich der Boxer mit einem sich zur Sexbombe mausernden Mauerblümchen ( Johanna Oest). Auch hier geht's turbulent zu – eine Defloration auf der Rudermaschine erlebt man nicht alle Tage.
Insgesamt ist das Tempo hoch, das Ensemble singt und spielt auf erfreulich homogen hohem Niveau. Gerath beweist aufmerksame Personenführung auch bei stummem Spiel, und die flotte Choreografie Samuel Meystres sorgt dafür, dass es auch während der Umbaupausen nicht langweilig wird: Parallel zum Kulissenschieben wird zu aktueller Clubmusik trainiert und getanzt. Wenn man hier irgendetwas monieren wollte, dann das bei internationaler Besetzung schier Unvermeidliche – bisweilen schlechte Textverständlichkeit bei deutscher Sprache. Das Publikum ging nach drei Runden freiwillig KO und jubelte zu Recht mit Bravo-Rufen.
Aufführungen: