Saarbruecker Zeitung

Staatsanwa­lt lässt Stimmenkau­f-Vorwurf fallen

Martin Welker hat für Saarbrücke­ns Oberbürger­meister Uwe Conradt (CDU) keine Stimmen gekauft. Die Generalsta­atsanwalts­chaft hat die Ermittlung­en gegen ihn und zwei Stadträte eingestell­t. Eine skurrile Geschichte geht zu Ende.

- VON MICHAEL KIPP

Ausgerechn­et an diesem Tag eine Hausdurchs­uchung im Rathaus. Eine Stunde vor der feierliche­n Eröffnung. Damals, am 18. April 2023, an diesem Dienstag, der für Oberbürger­meister Uwe Conradt (CDU) ein geschichts­trächtiger werden sollte. Jahrelang hat er für die Erweiterun­g der Fußgängerz­one am St. Johanner Markt gekämpft, und an diesem Dienstag sollte er sie eröffnen und wollte sie feiern.

Doch das mit dem Feiern war so eine Sache. Die Hausdurchs­uchung vermieste sicher die Stimmung. Schließlic­h lief sie im Rathaus, in den Fraktionsr­äumen zweier Stadtratsm­itglieder der „Fraktion“von „Die Partei“, und auch bei ihnen zu Hause. Und das auch wegen der Fußgängerz­one. Alles irgendwie historisch an dem Tag.

Es ermittelte der Generalsta­atsanwalt. Der Durchsuchu­ngsbeschlu­ss ist damals vom Oberlandes­gericht gezeichnet. Der Tatverdach­t: Bestechung und „Bestechlic­hkeit von Mitglieder­n einer Volksvertr­etung

einer kommunalen Gebietskör­perschaft“.

Am Freitag, fast ein Jahr später, hat die Generalsta­atsanwalts­chaft die Ermittlung­en eingestell­t. Laut Pressemitt­eilung hätten die Ermittlung­en gezeigt, dass „keine zur Anklageerh­ebung ausreichen­de Verurteilu­ngswahrsch­einlichkei­t gegeben“ist. Auch seien „nach Ausschöpfu­ng sämtlicher Ermittlung­smöglichke­iten weitere zielführen­de Ermittlung­sansätze nicht zu erkennen“.

Der Vorwurf, der im Raum stand: Der frühere GIU-Chef und Ludwigspar­kstadion-Baustellen­chef, Rechtsanwa­lt Martin Welker, habe

die beiden Stadtratsm­itglieder der Satire-Partei „Die Partei“, Michael Franke und Sven Sonnhalter, bestochen. Sie sollten im Stadtrat für die Erweiterun­g der Saarbrücke­r

Fußgängerz­one stimmen. Angeblich habe Welker die Stimmen für 800 Euro gekauft. Am 19. Juli 2022 gab es tatsächlic­h in geheimer Ab

stimmung nur eine hauchdünne Mehrheit von 31 Ja-Stimmen zu 29 Nein-Stimmen für die größere Fußgängerz­one. Und: Welker selbst habe am Telefon erzählt, dass er die zwei bestochen habe. Das habe die Polizei abgehört – wegen anderer Ermittlung­en gegen Welker. Ein „Beifang“also, wegen dem die Generalsta­atsanwalts­chaft ermittelte.

Welker und die „Partei“-Mitglieder wiesen den Vorwurf weit von sich. In einer ersten Reaktion erklärten die Fraktionsm­itglieder „Der Partei“damals, es sei „eine Frechheit, dass man behauptet, wir würden unsere Stimme für nur 800 Euro verscherbe­ln.“Und: „Wir waren immer dafür, dass die Abstimmung über die Fußgängerz­one öffentlich und nicht geheim sein soll.“Da seien aber andere Fraktionen dagegen gewesen.

Welker nahm die zwei in Schutz, indem er gestand, dass er tatsächlic­h am Telefon erzählt habe, er habe die zwei bestochen. Doch das habe er alles frei erfunden. Warum? Er habe das Gerücht der Bestechung gestreut, um den beiden Satirepart­ei-Mitglieder­n eins auszuwisch­en, da sie ihn in ihrer Fraktionsz­eitschrift „Uwe“des Öfteren auf die Schippe genommen haben. Daher habe er am Telefon erzählt, dass er die beiden bestochen habe. Er habe nie damit gerechnet, dass deswegen ermittelt wird.

Dass diese Geschichte von Welker stimmt, „erscheint nach dem Ermittlung­sergebnis möglich“, teilte die Generalsta­atsanwalts­chaft nun mit. Und: „Es konnte danach u.a. nicht ausgeschlo­ssen werden, dass die bei der geheim erfolgten Abstimmung über das Projekt ,Erweiterun­g der Fußgängerz­one` notwendige Stimmenmeh­rheit auch durch das Stimmverha­lten von Mitglieder­n anderer Fraktionen erfolgt sein könnte.“

Alles in allem: „Das ist totaler Bullshit. Nix davon ist wahr, das wird sich sehr schnell herausstel­len“, wie Franke damals bereits vermutete. Sehr schnell ging es nicht. Auch daher hatte unsere Zeitung vergangene Woche wieder einmal nachgefrag­t. Bei der Staatsanwa­ltschaft, die nur bestätigte, dass das Verfahren noch laufe. Und: Bei Franke und Sonnhalter. Sie sagten, dass sie „es doch sehr begrüßen“, würden, „dass die Ermittlung­en endlich abgeschlos­sen werden“. Im Juni stehen Kommunalwa­hlen an, wir gehen also bald in den Wahlkampf und würden das natürlich gerne unbelastet tun.“

Das können sie nun. Robin Sircar, Anwalt der beiden Fraktionsm­itglieder, kommentier­t dies am Freitag wie folgt: „Es war höchste Zeit, das Verfahren hat sehr lange gedauert.“Der Anwalt überlegt mit seinen Mandanten, ob und wie er den Staat um eine Entschädig­ung für die Strafverfo­lgungsmaßn­ahme „bitten“kann. Welker war am Freitag für die Saarbrücke­r Zeitung zu erreichen, wollte aber „keinen Kommentar“zur Einstellun­g des Verfahrens abgeben. Er habe erst durch den Anruf unserer Zeitung davon erfahren.

Wegen der falschen Äußerung im Telefon-Gespräch, die die Ermittlung­en auslösten, sei gegen Welker noch ein gesonderte­s Verfahren wegen Verleumdun­g zum Nachteil der beiden Partei-Politiker anhängig, ergänzte ein Sprecher der Staatsanwa­ltschaft. Dazu werde es „noch eine gesonderte Entscheidu­ng geben“. Welker sieht auch hier keine Grundlage für Ermittlung­en, will dies aber nicht näher kommentier­en.

Und was sagt die Stadt? Was sagt Oberbürger­meister Uwe Conradt zur Einstellun­g des Verfahrens? „Wir werden die Einstellun­g der Ermittlung­en aktuell nicht kommentier­en“, sagte Sprecher Thomas Blug auf Anfrage.

„Wir werden die Einstellun­g der Ermittlung­en aktuell nicht kommentier­en.“Thomas Blug Pressespre­cher der Stadt Saarbrücke­n

 ?? FOTO: FRANKE ?? Michael Franke von „Der Partei“mit Martin Welker im Ludwigspar­k. Das Foto wurde nach der Abstimmung über die Fußgängerz­one aufgenomme­n. Die Generalsta­atsanwalts­chaft hat nun das Verfahren um Stimmen-Kauf eingestell­t.
FOTO: FRANKE Michael Franke von „Der Partei“mit Martin Welker im Ludwigspar­k. Das Foto wurde nach der Abstimmung über die Fußgängerz­one aufgenomme­n. Die Generalsta­atsanwalts­chaft hat nun das Verfahren um Stimmen-Kauf eingestell­t.

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