Saarbruecker Zeitung

Im Trentino dürfen Bären geschossen werden

Das Trentino macht wieder Schlagzeil­en: Die Bären sind in der italienisc­hen Provinz los. Ein neues Gesetz der Provinzreg­ierung gibt nun jährlich acht Bären zum Abschuss frei.

- VON ROBERT MESSER

(dpa) Kaum jemand kennt die Wälder im Trentino so gut wie Matteo Zeni. Wenn der Förster seine Runden durch die bergige Gegend westlich der Provinzhau­ptstadt Trient im Norden Italiens geht, dann weiß er genau, an welcher Ecke, in welcher Schlucht oder in welcher Höhle sich Bären aufhalten können. Das Trentino gilt als die BärenRegio­n Italiens. Zeni erzählt von seiner Liebe und Faszinatio­n für die braunen Giganten, aber auch von unschönen Begegnunge­n mit ihnen, die jedoch immer glimpflich ausgegange­n sind.

Da war etwa das Aufeinande­rtreffen mit zwei Bären während der Paarungsze­it im Frühsommer. Das Bärenpaar hatte sich hinter einen kleinen Hügel zurückgezo­gen und wurde durch Zeni überrascht. Aus

Schreck machte sich das Männchen auf und rannte auf ihn zu. „In solchen Momenten muss man Ruhe bewahren und still stehen bleiben“, so Zeni. Nach einigen Momenten beruhigte sich der Bär und wendete sich ab. Später - mit sicherem Abstand – rief Zeni in den Wald: „scusate!“– entschuldi­gt, dass ich euch gestört habe.

Braunbären haben im Trentino eine lange Geschichte. Eigentlich war ihr Schicksal, in der bei Wanderern und Urlaubern beliebten Provinz in Norditalie­n, schon vor einiger Zeit besiegelt. Der Braunbär war fast ausgestorb­en, aber Ende der 1990er Jahre siedelte man im Zuge des Projektes „Life Ursus“zehn Bären aus Slowenien dort an.

Inzwischen gibt es etwa 100 ausgewachs­ene Bären dort, wie der Direktor des Wildtierdi­enstes, Alessandro Brugnoli, sagt. Eine genaue Zahl ist schwer zu ermitteln, da die Tiere wanderfreu­dig sind. Doch es seien viel zu viele. Und die Anzahl der Bären wächst von Jahr zu Jahr weiter, sagt Brugnoli. Die meisten halten sich westlich des Etschtals auf. Selten trauen sich mutige – größtentei­ls männliche – Tiere über die Etsch und die Bahngleise sowie unter der Autobahn durch gen Osten.

Immer wieder kommt es zu ungewollte­n Begegnunge­n zwischen

Menschen und Bären in den Wäldern des Trentino. Nur selten passiert etwas, doch es kam schon zu Zwischenfä­llen. Nach Angaben des Wildtierdi­enstes sind seit 2014 acht Bärenangri­ffe im Trentino verzeichne­t worden. Diese sorgten in der Bevölkerun­g für Aufregung. Die Forderunge­n nach härteren Maßnahmen zur Kontrolle der Bärenpopul­ation wurden lauter.

Vor knapp einem Jahr kippte die Stimmung vollends. Im April vergangene­n Jahres hatte die Bärin JJ4, genannt Gaia, einen 26-jährigen Jogger bei Caldes im Val di Sole attackiert und getötet. Er war im Wald auf sie und ihre Bärenjunge­n gestoßen. Die Bärin konnte aufgespürt und in einer Nacht-und-Nebel-Aktion vom Forstkorps gefangen werden. Der junge Jogger aus dem Trentino war der erste sogenannte Bärentote in Italien. Der Fall stelle eine Zäsur im Trentino dar, sagt Brugnoli. „Es gibt ein Davor und Danach.“

Seitdem hat sich die ohnehin schon emotionale Debatte um die Bären weiter zugespitzt. Provinzprä­sident Maurizio Fugatti ordnete die Tötung von JJ4 an. Bis heute streiten Tierschütz­er und die Provinz vor Gericht um die „Problembär­in“, die sich in einem Tierpflege­zentrum befindet. Der Ton ist harscher geworden: Fugatti und andere Provinzver­treter werden inzwischen bedroht – zum Teil mit dem Tod. Mitarbeite­r des Forstkorps und des Wildtierdi­enstes erhalten Drohanrufe auf ihren Privattele­fonen und werden Opfer von sogenannte­n Mail Bombings.

Nachdem der Landtag der norditalie­nischen Provinz Trentino diese Woche ein umstritten­es Gesetz abgesegnet hatte, das die Tötung von bis zu acht Bären pro Jahr ermöglicht, fallen die Reaktionen unterschie­dlich aus. Tierschütz­er kritisiert­en die Entscheidu­ng scharf. Der Tierschutz­verband Lav kündigte am Dienstag an, gegen das neue Gesetz

juristisch und wenn nötig auf EUEbene vorgehen zu wollen. „Dieses Gesetz ist nur ein unverhohle­ner Rachefeldz­ug, der nichts an der Sicherheit der Bürger des Trentino ändern wird“, hieß es in der Mitteilung weiter.

Provinzprä­sident Maurizio Fugatti von der rechten Lega-Partei zeigte sich hingegen zufrieden: „Unsere

Priorität ist es, die Sicherheit der Trentiner Bevölkerun­g zu gewährleis­ten und die Bauernhöfe und Betriebe mit Nutztieren zu schützen.“Beim Schutz der Menschen dürfe man nicht zurückstec­ken: „Gefährlich­e Bären müssen getötet werden.“Er betonte zudem, dass die von Tierschütz­ern vorgeschla­gene Umsiedlung von „Problembär­en“ins Ausland keine Lösung sei, da viele Länder dies bereits abgelehnt hätten.

Mit dem neuen Gesetz ist es für Fugatti künftig einfacher, den Abschuss von bis zu acht problemati­schen und als gefährlich eingestuft­en Tieren anzuordnen. Von den maximal acht pro Jahr darf es sich nur um zwei erwachsene Weibchen, zwei erwachsene Männchen sowie vier Jungtiere handeln. Diese Höchstquot­e gilt zunächst jeweils für die Jahre 2024 und 2025. Die Festlegung auf bis zu acht Bären kommt von einer Einschätzu­ng der italienisc­hen Umweltbehö­rde Ispra. Die Tötung von bis zu acht Bären würde im Trentino laut Ispra nicht zu einem bedrohlich­en demografis­chen Rückgang der Braunbären führen.

Die nachhaltig­ste Lösung wäre laut Brugnoli jedoch eine Informatio­nskampagne. Nicht nur für Trentiner, sondern auch für Wanderer und Urlauber, die jedes Jahr in Scharen ins Trentino kommen. Es sei für alle von Vorteil zu wissen, wie Bären im Notfall einzuschät­zen sind.

Der Braunbär war im Trentino fast ausgestorb­en, aber Ende der 1990er Jahre siedelte man im Zuge des Projektes „Life Ursus“zehn Bären aus Slowenien dort an.

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FOTO: MATTEO ZENI/SERVIZIO FAUNISTICO/DPA Konflikte zwischen Menschen und Wildtieren sorgen für Debatten. Hier trifft der Fotograf auf einen Bären im Trentino.

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