Im Trentino dürfen Bären geschossen werden
Das Trentino macht wieder Schlagzeilen: Die Bären sind in der italienischen Provinz los. Ein neues Gesetz der Provinzregierung gibt nun jährlich acht Bären zum Abschuss frei.
(dpa) Kaum jemand kennt die Wälder im Trentino so gut wie Matteo Zeni. Wenn der Förster seine Runden durch die bergige Gegend westlich der Provinzhauptstadt Trient im Norden Italiens geht, dann weiß er genau, an welcher Ecke, in welcher Schlucht oder in welcher Höhle sich Bären aufhalten können. Das Trentino gilt als die BärenRegion Italiens. Zeni erzählt von seiner Liebe und Faszination für die braunen Giganten, aber auch von unschönen Begegnungen mit ihnen, die jedoch immer glimpflich ausgegangen sind.
Da war etwa das Aufeinandertreffen mit zwei Bären während der Paarungszeit im Frühsommer. Das Bärenpaar hatte sich hinter einen kleinen Hügel zurückgezogen und wurde durch Zeni überrascht. Aus
Schreck machte sich das Männchen auf und rannte auf ihn zu. „In solchen Momenten muss man Ruhe bewahren und still stehen bleiben“, so Zeni. Nach einigen Momenten beruhigte sich der Bär und wendete sich ab. Später - mit sicherem Abstand – rief Zeni in den Wald: „scusate!“– entschuldigt, dass ich euch gestört habe.
Braunbären haben im Trentino eine lange Geschichte. Eigentlich war ihr Schicksal, in der bei Wanderern und Urlaubern beliebten Provinz in Norditalien, schon vor einiger Zeit besiegelt. Der Braunbär war fast ausgestorben, aber Ende der 1990er Jahre siedelte man im Zuge des Projektes „Life Ursus“zehn Bären aus Slowenien dort an.
Inzwischen gibt es etwa 100 ausgewachsene Bären dort, wie der Direktor des Wildtierdienstes, Alessandro Brugnoli, sagt. Eine genaue Zahl ist schwer zu ermitteln, da die Tiere wanderfreudig sind. Doch es seien viel zu viele. Und die Anzahl der Bären wächst von Jahr zu Jahr weiter, sagt Brugnoli. Die meisten halten sich westlich des Etschtals auf. Selten trauen sich mutige – größtenteils männliche – Tiere über die Etsch und die Bahngleise sowie unter der Autobahn durch gen Osten.
Immer wieder kommt es zu ungewollten Begegnungen zwischen
Menschen und Bären in den Wäldern des Trentino. Nur selten passiert etwas, doch es kam schon zu Zwischenfällen. Nach Angaben des Wildtierdienstes sind seit 2014 acht Bärenangriffe im Trentino verzeichnet worden. Diese sorgten in der Bevölkerung für Aufregung. Die Forderungen nach härteren Maßnahmen zur Kontrolle der Bärenpopulation wurden lauter.
Vor knapp einem Jahr kippte die Stimmung vollends. Im April vergangenen Jahres hatte die Bärin JJ4, genannt Gaia, einen 26-jährigen Jogger bei Caldes im Val di Sole attackiert und getötet. Er war im Wald auf sie und ihre Bärenjungen gestoßen. Die Bärin konnte aufgespürt und in einer Nacht-und-Nebel-Aktion vom Forstkorps gefangen werden. Der junge Jogger aus dem Trentino war der erste sogenannte Bärentote in Italien. Der Fall stelle eine Zäsur im Trentino dar, sagt Brugnoli. „Es gibt ein Davor und Danach.“
Seitdem hat sich die ohnehin schon emotionale Debatte um die Bären weiter zugespitzt. Provinzpräsident Maurizio Fugatti ordnete die Tötung von JJ4 an. Bis heute streiten Tierschützer und die Provinz vor Gericht um die „Problembärin“, die sich in einem Tierpflegezentrum befindet. Der Ton ist harscher geworden: Fugatti und andere Provinzvertreter werden inzwischen bedroht – zum Teil mit dem Tod. Mitarbeiter des Forstkorps und des Wildtierdienstes erhalten Drohanrufe auf ihren Privattelefonen und werden Opfer von sogenannten Mail Bombings.
Nachdem der Landtag der norditalienischen Provinz Trentino diese Woche ein umstrittenes Gesetz abgesegnet hatte, das die Tötung von bis zu acht Bären pro Jahr ermöglicht, fallen die Reaktionen unterschiedlich aus. Tierschützer kritisierten die Entscheidung scharf. Der Tierschutzverband Lav kündigte am Dienstag an, gegen das neue Gesetz
juristisch und wenn nötig auf EUEbene vorgehen zu wollen. „Dieses Gesetz ist nur ein unverhohlener Rachefeldzug, der nichts an der Sicherheit der Bürger des Trentino ändern wird“, hieß es in der Mitteilung weiter.
Provinzpräsident Maurizio Fugatti von der rechten Lega-Partei zeigte sich hingegen zufrieden: „Unsere
Priorität ist es, die Sicherheit der Trentiner Bevölkerung zu gewährleisten und die Bauernhöfe und Betriebe mit Nutztieren zu schützen.“Beim Schutz der Menschen dürfe man nicht zurückstecken: „Gefährliche Bären müssen getötet werden.“Er betonte zudem, dass die von Tierschützern vorgeschlagene Umsiedlung von „Problembären“ins Ausland keine Lösung sei, da viele Länder dies bereits abgelehnt hätten.
Mit dem neuen Gesetz ist es für Fugatti künftig einfacher, den Abschuss von bis zu acht problematischen und als gefährlich eingestuften Tieren anzuordnen. Von den maximal acht pro Jahr darf es sich nur um zwei erwachsene Weibchen, zwei erwachsene Männchen sowie vier Jungtiere handeln. Diese Höchstquote gilt zunächst jeweils für die Jahre 2024 und 2025. Die Festlegung auf bis zu acht Bären kommt von einer Einschätzung der italienischen Umweltbehörde Ispra. Die Tötung von bis zu acht Bären würde im Trentino laut Ispra nicht zu einem bedrohlichen demografischen Rückgang der Braunbären führen.
Die nachhaltigste Lösung wäre laut Brugnoli jedoch eine Informationskampagne. Nicht nur für Trentiner, sondern auch für Wanderer und Urlauber, die jedes Jahr in Scharen ins Trentino kommen. Es sei für alle von Vorteil zu wissen, wie Bären im Notfall einzuschätzen sind.
Der Braunbär war im Trentino fast ausgestorben, aber Ende der 1990er Jahre siedelte man im Zuge des Projektes „Life Ursus“zehn Bären aus Slowenien dort an.