„Ich muss weder männlich noch in einem bestimmten Alter sein“
Ein Gespräch mit der jungen Kulturamtsmitarbeiterin über das abgespeckte Programm des Kleinen Theaters im Rathaus und ihren vielseitigen Job.
Seit über 23 Jahren ist das Kleine Theater im Rathaus ein Ort für das Figurentheater. Begonnen von Christian Caimacan, weitergeführt von Thomas Altpeter fanden hier regelmäßig an den Wochenenden Vorstellungen statt – sowohl für Erwachsene als auch für Kinder. Durch Corona- und Renovierungsmaßnahmen war das Kleine Theater länger unbespielt. Seit nicht ganz zwei Jahren hat nun die junge Kulturamtsmitarbeiterin Johanna Dorn die künstlerische Leitung hier. Das bisher vorgelegte Programm ist allerdings sehr viel dünner als früher. Wir wollten wissen, warum.
Sie sind seit nicht mal zwei Jahren neue Chefin im Kleinen Theater. Was hat sich seither geändert?
Johanna Dorn: Als ich die Stelle 2022 übernommen habe, war mir klar, dass die Räume optisch und sicherheitstechnisch noch aufgewertet werden mussten. So wurden seit Oktober 2022, parallel zum Spielbetrieb, Türen und Rettungswege optimiert, die Glasscheibe ersetzt und die Künstlergarderobe ausgestattet. Daneben wurden auch die Printmedien zum
Kleinen Theater neugestaltet bzw. modernisiert. In dieser Phase habe ich mir auch die Zeit genommen, das Konzept und die Spielzeit zu überarbeiten.
Acht Stücke von Februar bis zum Spielzeitende im Mai stehen auf dem Spielplan des Kleinen Theaters im Rathaus. Das ist nicht viel. In den Vor-Corona-Jahren war es deutlich mehr. Zuletzt fast 30 Stücke im Jahr, früher sogar oft noch mehr. Woran liegt das?
Johanna Dorn: Durch die CoronaPandemie hat sich auch die Figurentheater-Szene verändert. Für die meisten Gruppen ist es nicht mehr lukrativ, für einen Einzelauftritt anzureisen, daher versuche ich, Gruppen für ein Wochenende zu buchen, mit einem Stück für Jugendliche und
Erwachsene und einem Stück für Kinder. Grundsätzlich ist es mir wichtig, dass eine faire Gage gezahlt wird, bei der auch die gestiegenen Lebenserhaltungskosten beachtet werden. Ich achte zudem auf die Qualität der Stücke und eine Diversität bei den Theatergruppen.
Es haben ja aber auch vorher manche Gruppen schon das ganze Wochenende mit verschiedenen Stücken hier gastiert. Sind die Gagen denn insgesamt höher nach Corona? Es gibt ja immerhin jetzt auch eine Honoraruntergrenze für künstlerische Arbeit.
Johanna Dorn: Ja, die Gagen sind insgesamt höher als vor Corona.
Das Kleine Theater war finanziell nie auf Rosen gebettet. Wie viel Geld haben Sie heute überhaupt noch zur Verfügung, um das Programm dort zu finanzieren?
Johanna Dorn: Es gab beim Kleinen Theater nie Kürzungen, das vorhandene Budget ist nicht riesig, aber ausreichend, um damit ein gutes Programm auf die Beine zu stellen.
Wie hoch ist denn das Budget fürs Programm im Kleinen Theater konkret?
Johanna Dorn: Das Jahresbudget vom Kleinen Theater im Rathaus liegt bei ca. 60 000 Euro.
Wie haben Sie die Gruppen, die jetzt spielen, ausgewählt? Haben Sie bestimmte Kriterien angelegt?
Johanna Dorn: Das Kleine Theater ist ein Ort der kulturellen Bildung, der es sich zum Auftrag macht, Kinder an Theater generell und hier an die besondere Form des Figurentheaters heranzuführen und das ganz ohne erhobenen Zeigefinger, denn der Spaß am Figurentheater steht natürlich im Vordergrund. Dabei entwickeln die Kinder ganz nebenbei auch ein Gespür für Qualität. Die Inhalte der Stücke spielen dabei auch eine große Rolle, daher achte ich darauf, dass in den Stücken spielerisch für Kinder wichtige Themen angesprochen werden. Damit alles altersgerecht ist, stehen im Programm auch immer Altersempfehlungen bzw. Altersbegrenzungen. Darüber hinaus bevorzuge ich – wenn möglich – lokale Gruppen bzw. Künstlerinnen und Künstler aus der Großregion. Diesen Aspekt versuche ich in Zukunft noch weiter zu berücksichtigen.
Wenn Sie sagen, Sie bevorzugen lokale und regionale Gruppen: Wo sollen die herkommen in der professionellen Qualität, die man vom Kleinen Theater gewöhnt war? Es gibt hierzulande ja weder eine Figurentheaterszene noch wird entsprechend ausgebildet?
Johanna Dorn: In der Großregion gibt es einige Künstlerinnen und Künstler, die auch früher im Kleinen Theater gespielt haben. Manche Künstler sind z. B. ursprünglich aus dem Saarland und kommen gerne „zurück“ins Kleines Theater. Und in Rheinland-Pfalz, Luxemburg und Sarreguemines/Forbach gibt es einige gute Compagnien. Weil es hier nicht so viele Theatergruppen gibt, kommt natürlich immer noch ein Großteil von weiter weg, aber wenn die Qualität gleich gut ist, bevorzuge ich die Gruppe, die aus der Großregion kommt.
Gibt es eigentlich noch Montagsvorstellungen? Vor Corona war ein zentrales Element des Kleinen Theaters, dass die Gruppen, die am Sonntag das Kinderprogramm spielten, am Montag Vorstellungen für Kindergärten und Grundschulen gaben. Gibt es die mit diesem reduzierten Programm überhaupt noch? Sowas ist ja auch ein großer organisatorischer Aufwand.
Johanna Dorn: Das Angebot für geschlossene Kitagruppen wurde schon in den letzten Jahren zum Problem, weil der Personalmangel in den Einrichtungen dazu führt, dass nicht genug Betreuungspersonal zur Verfügung steht und es zu kurzfristigen Absagen ganzer Gruppen kommt. Ich überlege gerade, wie ich ein Angebot für diese Zielgruppe vor Ort schaffen kann.
Apropos Aufwand: Sie sind seit zwei Jahren beim Kulturamt, haben dort aktuell nicht einmal eine volle Stelle. Aber sie tragen noch mehr Hüte als Ihr Vorgänger Thomas Altpeter, und der hatte schon gut zu tun. Sie haben jetzt aber auch noch den jüngst pensionierten Norbert Küntzer beerbt. Das bedeutet: Johanna Dorn, 26 Jahre jung, ist zuständig für Altstadtfest, Saarbrücker Sommermusik, Die Muschel rockt, das Kleine Theater im Rathaus und die Jazz-Zeit? Habe ich noch was vergessen? Wie soll das gehen? Wie wollen Sie das leisten? Johanna Dorn: Richtig, ich mache diese Arbeit bereits seit zwei Jahren, ich mache sie gern und erhalte viel gutes Feedback zu den Veranstaltungen und Formaten. Das freut mich und die Kolleginnen und Kollegen, die zusammen mit mir daran arbeiten sehr. Sehr entlastend ist für mich die Arbeit in gemischten Teams, bei denen jede und jeder seine Stärken einbringt, und mir liegt auch das gemeinsame Arbeiten viel mehr, als das zurückgezogene Arbeiten im Einzelbüro. Ich sehe mich weniger als Einzelkämpferin, sondern vielmehr als Teil von verschiedenen, gut funktionierenden Teams, in denen man voneinander lernt und sich gegenseitig inspiriert.
Das heißt, Sie können ausreichend delegieren und haben innerhalb des Kulturamtes kompetente Hilfe? Denn von außen sieht es ja so aus: Eine junge Frau übernimmt den Job von zwei gestandenen Männern.
Und braucht dafür nicht mal eine volle Stelle…
Johanna Dorn: Gegenfrage: Haben Sie diese Frage auch schon mal einem Mann gestellt? Wissen Sie, um meinen Job im Kulturamt gut zu machen, muss ich weder männlich noch in einem bestimmten Alter oder in Vollzeit beschäftigt sein – wenn man solche Stereotype ablegt und stattdessen Energie in gute Arbeitsorganisation steckt, lassen sich unsere Aufgaben im Kulturamt sehr gut verteilen und bewältigen. Und ja, wir arbeiten insgesamt viel mehr in Teams. Es gab eine Aufgabenumverteilung im Kulturamt, ich habe also nicht eins zu eins alle Aufgaben, die vorher Norbert Küntzer und Thomas Altpeter hatten.
Noch eine grundsätzliche Frage zum Kleinen Theater: Das ist ein frisch renovierter Theaterraum im Herzen der Stadt, der nun ja aber doch sehr oft leer steht. Ist geplant, das Theater auch Akteuren der Saarbrücker freien Szene zur Verfügung zu stellen? Man könnte sich hier ja zum Beispiel sehr gut ein kleines Liedermacherfestival vorstellen oder kleinere Theaterproduktionen oder Lesungen.
Johanna Dorn: Das Kleine Theater wird bereits multifunktional genutzt. Neben Figurentheater-Veranstaltungen fanden dort schon „Sofar Sounds“Konzerte und Konzerte im Rahmen der Sommermusik statt. Außerdem stelle ich die Räumlichkeiten dem Theater im Viertel unter der Woche
zur Verfügung, wenn es dort an Proberäumen fehlt. Ich hoffe, dass der Raum in Zukunft auch irgendwann weiteren Akteuren der freien Szene zur Verfügung gestellt werden kann, dazu führe ich gerade Gespräche, um den rechtlichen Rahmen abzusichern.
„Durch die CoronaPandemie hat sich auch die FigurentheaterSzene verändert.“Johanna Dorn
„Ich mache diese Arbeit bereits seit zwei Jahren, ich mache sie gern und erhalte viel gutes Feedback zu den Veranstaltungen und Formaten.“Johanna Dorn
Wie sieht es eigentlich mit der Auslastung aus? Kommen die Figurentheater-Fans wieder so zahlreich wie vor Corona?
Johanna Dorn: Unsere Sonntagsveranstaltungen für Familien sind fast immer ausverkauft, bei den Abendveranstaltungen für Jugendliche und Erwachsene haben wir ein festes Stammpublikum, und der Saal ist im Durchschnitt zur Hälfte belegt.
Die nächsten Aufführungen im Kleinen Theater im Rathaus: Samstag, 16. März, Compagnie Handmaids mit „Mata Hari – das nackte Leben freier Künstlerinnen und Künstler“, am Sonntag, 17. März, 15 Uhr, spielt die Gruppe Otfried Preußlers „Räuber Hotzenplotz“. Am 4. Mai und 5. Mai gastiert das Figurentheater „Die Exen“. Samstags um 19.30 Uhr mit „Das Porträt eines Vogels“und Sonntag, 15 Uhr, mit „Leo und Lea“. Reservierung über karten@ kleines-theater-rathaus.de