Der Papst auf Irrwegen
Misszuverstehen war da nichts an den angeblich missverstandenen Worten des Papstes: Die Ukraine solle die weiße Fahne hissen, um das Blutvergießen zu beenden. Also Kapitulation aus humanitärer Verantwortung. „Halte die andere Wange auch noch hin“, Matthäus 5,39, ist eine große Idee. Nur hat Franziskus die Ukrainer nicht gefragt, ob sie von Putin ans Kreuz genagelt werden wollen. Franziskus war auch nie in Butcha, Kijiw oder anderswo. Da redet man leicht.
Dass die Überfallenen im Zweifel sogar eine moralische Pflicht hätten, sich nicht zu wehren, um weitere Opfer zu vermeiden, meinten 28 deutsche Intellektuelle, angeführt von Alice Schwarzer, bereits kurz nach Kriegsbeginn. Weil es um einen universellen Wert gehe, sei hier auch Deutschland in der Pflicht und solle durch den Stopp von Waffenlieferungen nachhelfen. Diese Intellektuellen hätten die Folgen ihres Appells ebenso wenig auszubaden gehabt, wie Franziskus: Ein Leben unter russischer Diktatur, Racheakte der Besatzer, die Vernichtung ukrainischer Kultur und Geschichte und, wie in den besetzten Gebieten bereits geschehen, die Verschleppung von Kindern und Frauen. Ist sein Volk davor zu schützen, nicht auch eine christliche Pflicht?
Wenn die Front total einfriert, wonach es allerdings zunehmend aussieht, wenn es, wie 1916 in Verdun, immer nur noch ein paar hundert Meter hin- und hergeht und trotzdem Zigtausende sterben, ja dann wird und muss ein Waffenstillstand kommen. Ein Waffenstillstand, der immer noch kein Ende des Krieges bedeutet, denn den territorialen Raubzug Russlands per Friedensvertrag absegnen, das wäre ein schwerer Schlag gegen das Völkerrecht im Verhältnis der Staaten.
Selensky wird, wenn es so weit ist, einen solchen bitteren Waffenstillstand eher erwägen als Putin. Dem ist es nämlich völlig egal, wie viele seiner Soldaten er durch den Fleischwolf dreht. Er beweist es täglich. Und seine orthodoxe Kirche gibt noch jedem Mord ihren Segen. Mit dessen Oberhaupt Kyrill I. sollte Franziskus mal Klartext reden, so von Pontifex zu Pontifex. Das wäre jetzt deutlich nützlicher als missverständliche Interviews zu geben.