Ein neuer Balken für die perfekte Vorbereitung
Wie sich Top-Turnerin Pauline Schäfer-Betz auf die Olympischen Spiele in Paris vorbereitet. Leichte Probleme mit der Halswirbelsäule.
CHEMNITZ In der Trainingshalle in Chemnitz steht er schon, der Schwebebalken, der Pauline Schäfer-Betz eine optimale Vorbereitung auf die Olympischen Spiele im Sommer in Paris ermöglichen soll. Das Modell eines französischen Herstellers, der das Großereignis an der Seine ausrüsten wird, wirkt optisch schmaler als die Geräte hierzulande, weil seine Ecken nicht abgerundet sind. Jede Landung, bei der die Füße den nur zehn Zentimeter breiten Grat nicht perfekt treffen, wird von den Kanten hart bestraft.
„Ich bin weiter optimistisch, dass ich im Sommer mit guten und stabilen Übungen an den Start gehen kann.“Pauline Schäfer-Betz saarländische Olympia-Hoffnung
„Mein Schäfer-Salto ist besonders anfällig für eine Fersenprellung“, sagt Schäfer-Betz mit Blick auf ihre Erfindung. Doch sie fühlt sich auf der rauen Oberfläche besonders sicher. „Es ist kein Zufall, dass ich alle meine WM-Medaillen auf so einem Balken gewonnen habe“, sagt die Saarländerin. Drei an der Zahl: Gold, Silber, Bronze, ein kompletter Satz.
Edelmetall mit olympischem Glanz fehlt noch. Zwei Mal bereits war Schäfer-Betz, die einst beim TV Pflugscheid-Hixberg begonnen hatte, bei den Spielen dabei. Diesmal soll es mit dem Griff nach den Sternen funktionieren. Die deutsche Riege verpasste es bei den Weltmeisterschaften im Oktober in Antwerpen zwar ganz knapp, als Team das Ticket nach Paris zu lösen. Doch Schäfer-Betz selbst sicherte sich mit einem guten Mehrkampf einen
Startplatz als Solistin.
Nach der Rückkehr aus Belgien, wo sie mit einem wackligen Vortrag im Finale an ihrem Spezialgerät nur den achten Platz belegt hatte, machten die Bierbacherin und ihr Trainer Kay-Uwe Temme einen Plan, mit welchen Elementen sie die Schwierigkeit der Übung aufstocken könnten. Damit der Einzug in den olympischen Endkampf „nicht nur eine Hoffnung bleibt, sondern ein realistisches Ziel wird“, erklärt die elegante Bewegungskünstlerin. Ein neuer Angang soll her, weil die bisherige Verbindung zuletzt oft Probleme bereitete, und der Abgang, ein Auerbach-Salto, bei dem die Turnerin vorwärts abspringt und rückwärts dreht, soll durch eine Schraube ergänzt werden.
Doch statt an den neuen Fertigkeiten zu feilen, sieht man SchäferBetz derzeit selten beim Balanceakt. „Ich wollte eigentlich Ende des Monats beim Weltcup in Antalya ins Wettkampf-Jahr starten“, sagt sie. Auch mit dem DTB-Pokal an diesem Wochenende in Stuttgart habe sie geliebäugelt. Doch Probleme mit der Halswirbelsäule, die sie seit mehr als einem Jahr plagen, sind wieder akuter geworden. „Wir mussten die Reißleine ziehen“, sagt sie. Eine Spritzenkur, für die sie gerade alle sieben bis zehn Tage nach München fährt, soll Abhilfe schaffen. Wenn alles gut geht, „kann ich in ein bis zwei Wochen wieder ins normale Training einsteigen“.
Bis dahin muss sie sich gerade halten, alle Bewegungen vermeiden, die sie nicht kontrollieren kann und bei denen sie sich biegt. „Das sind im Turnen nicht viele“, sagt die Athletin. Doch sie versuche, „positiv zu bleiben“und „das Beste daraus zu machen“, indem sie mit vermehrtem Beinkrafttraining an Defiziten arbeitet, um die sie sich sonst nicht so gründlich kümmern könnte.
Die Europameisterschaften Anfang Mai in Rimini habe sie noch nicht abgeschrieben. An zwei Geräten, Balken und Boden, würde sie in Italien gerne vor die Kampfrichterinnen treten. Auch bei den Spielen in Paris, nach denen sie noch weiter turnen will, könnte sie sich aus körperlichen Gründen auf einen halben Vierkampf beschränken. Am Stufenbarren, der sowieso nicht ihr Lieblingsgerät ist, sei die Belastung für Schulter, Rücken und Halswirbelsäule besonders hoch. „Ich muss schauen, wie sich das entwickelt.“
Die aktuellen Einschränkungen lassen neben dem Training genügend Muße, um andere Dinge zu genießen, für die sie sonst nicht so leicht Zeit aufbringen würde: ein Fotoshooting für eine Illustrierte, die Ehrung mit dem Silbernen Lorbeerblatt vor einer Woche in Berlin. „Ich bin sehr froh, dass Leistungen so honoriert werden“, sagt die Sportsoldatin zu der Auszeichnung, die als die höchste im Staat für erfolgreiche Athleten gilt.
Eine deutlich weitere Reise im Februar diente dazu, die Motivation für das Olympia-Jahr noch weiter hochzuschrauben. Zusammen mit der Kölnerin Sarah Voss, die ebenfalls schon sicher für den Saisonhöhepunkt planen kann, verbrachte Schäfer-Betz zehn Trainingstage in Brasilien. Zweimal am Tag war im Leistungszentrum von Rio Üben an der Seite von Sprung-Olympiasiegerin Rebeca Andrade und ihren Gefährtinnen aus dem Team des WMZweiten, Flávia Saraiva und Jade Barbosa, angesagt. Ein Ausflug zum Zuckerhut und zwei Strandbesuche ergänzten das Programm.
„Bevor jede für sich allein in ihrer Halle trainiert, wollten Sarah und ich die Kräfte bündeln“und „einen Tapetenwechsel“vornehmen, erklärt Schäfer-Betz. Es sei „eine tolle Erfahrung“gewesen. Die südamerikanische Wärme habe dem Körper gut getan, das Training verschärfte allerdings erst mal die Beschwerden. „Glücklicherweise muss ich mir ja keinen Stress machen“, sagt Schäfer-Betz und betont mit Blick auf Paris: „Ich bin weiter optimistisch, dass ich im Sommer mit guten und stabilen Übungen an den Start gehen kann.“Der Balken steht bereit, sie bei der Vorbereitung dafür zu unterstützen.