„Wir fühlen uns hilflos und verraten“
Die Rettungswachen im Saarland werden in diesem Jahr neu an die Hilfsorganisationen vergeben. In einem Brandbrief protestieren die Beschäftigten zweier Wachen gegen eine „ Zerschlagung“der Belegschaft. Was hinter der Wut steckt.
Zorn und Frust dominieren dieser Tage den Rettungsdienst im östlichen Saarland. In den vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) getragenen Wachen in Homburg – einer der größten im Saarland – und Bexbach sind die ersten Mitarbeiter angeblich schon auf dem Absprung. Per „Brandbrief“an führende Politiker des Landes warnt die Belegschaft vor einer Aufspaltung der beiden Wachen auf zwei Hilfsorganisationen, wie sie sich aktuell abzeichnet. „Wir fühlen uns hilflos und verraten“, heißt es in dem Protest-Schreiben. Die Lage ist hochemotional.
Der Hintergrund: Der Zweckverband Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung Saar (ZRF), über den die Landkreise den Rettungsdienst im Saarland organisieren, hat den Betrieb der Rettungswachen unter den Hilfsorganisationen zum 1. März 2025 neu ausgeschrieben.
Damit werde eine gesetzliche Vorgabe des Landes umgesetzt, teilt der
ZRF mit. Das Rettungsdienstgesetz schreibt seit 2020 vor der Übertragung des Rettungsdienstes auf Hilfsorganisationen – private Anbieter sind seither außen vor – ein Auswahlverfahren vor, bei dem Eignung, Qualität und Wirtschaftlichkeit den Ausschlag geben. Eine renommierte saarländische Anwaltskanzlei berät den ZRF dabei.
Angebote für die Rettungswachen, die zu 15 Losen zusammengefasst wurden (eines davon ist Homburg/ Bexbach), sind bis 22. März 2024 möglich. Eine Entscheidung soll Mitte des Jahres fallen.
Größere Änderungen werden bei der Neuvergabe nicht erwartet – außer im Raum Homburg. Für die Rettungswache Homburg (auf dem Gelände der Uniklinik) und ihre Außenstelle Bexbach – wo laut DRK insgesamt 82 Beschäftigte und elf Ehrenamtler ihren Dienst in vier Rettungswagen, vier Krankenwagen und einem Notarzteinsatzfahrzeug verrichten – bringt sich eine Bietergemeinschaft aus DRK und der Johanniter-Unfallhilfe ( JUH) in Stellung. Die Johanniter, die in der Tradition des evangelischen Johanniterordens stehen und auf Landesebene vom Homburger SPD-Bundestagsabgeordneten Esra Limbacher geführt werden, lehnen wegen des laufenden Verfahrens eine Auskunft ab.
DRK-Landesgeschäftsführer Christian Groß bestätigte auf SZ-Anfrage Gespräche mit den Johannitern. Er begründet dies unter anderem mit der Größe des Loses Homburg/Bexbach und den begrenzten Personalressourcen.
Außerdem hebt Groß hervor, dass die JUH im Saarpfalz-Kreis über „sehr gute Strukturen“verfügt, um sich an der Bewältigung von Not
fallereignissen mit einer größeren Anzahl Verletzter oder Kranker sowie am Katastrophenschutz zu beteiligen – diese Fähigkeiten müssen bei der Vergabe laut Rettungsdienstgesetz berücksichtigt werden.
„Daher ist es unserer Ansicht nach geboten, die Möglichkeiten dieser beiden Hilfsorganisationen zu bündeln und einzubinden“, sagt der DRK-Landesgeschäftsführer. „Insgesamt sind wir daher zuversichtlich, mit dieser Bietergemeinschaft die bestmögliche Versorgungsqualität für diese Standorte anbieten zu können.“
Das sehen die Beschäftigten anders. Sie fürchten eine „Zerschla
gung“des wohl auch menschlich gut eingespielten Teams und eine „Spaltung“der Belegschaft, die für ihren Job brenne. „Mit uns wird es nur ein ganz oder gar nicht geben!“, heißt es in dem Brandbrief. Die Sorge ist: Bekämen DRK und JUH gemeinsam den Zuschlag, hätte das DRK plötzlich zu viele Mitarbeiter in Homburg und Bexbach und müsste diese auf andere Wachen im Land versetzen. „Das wollen und werden wir nicht mitmachen! Wir arbeiten in Homburg, weil wir hier arbeiten wollen.“
Bereits jetzt schauten sich Mitarbeiter nach anderen Jobs um: bei der Feuerwehr, an anderer Stelle des Rettungsdienstes, bei Kliniken oder
großen Industriefirmen – Notfallsanitäter und Rettungsassistenten werden überall händeringend gesucht.
Bei weiteren Abgängen, so wird prognostiziert, werde der DRK-Landesverband nicht mehr in der Lage sein, den Auftrag des öffentlichen Rettungsdienstes zu erfüllen. „Das ist keine Drohung, sondern Fakt.“
Zuletzt forderten nach Angaben aus der Belegschaft mehr als 85 Prozent der Beschäftigten per Unterschriftenaktion das DRK auf, kein Angebot für Homburg und Bexbach abzugeben. Das Vertrauen zum DRK sei nachhaltig gestört. Die präferierte Alternative ist ein Wechsel des gesamten Personals zur Johanniter
Unfallhilfe im Zuge eines Betriebsübergangs.
Die Johanniter beteiligen sich erst seit 2021 am Rettungsdienst im Saarland. Damals übernahmen sie die kleine Wache in Beckingen-Erbringen, die sie im Zuge der Neuvergabe wieder abgeben werden. Stattdessen wollen die Johanniter offenkundig in Homburg wachsen. Dort, im Gewerbegebiet „Am Zunderbaum“, hat nicht nur die Saarland-Zentrale der Johanniter ihren Sitz, sondern auch die Ambulanz Frisch, ein 2019 von den Johannitern aufgekaufter privater Krankentransport-Anbieter mit 90 Mitarbeitern und 20 Krankenwagen.
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