Kritik an Zivilschutzplänen für Schulen
Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger (FDP) wünscht sich mehr Krisenvorbereitung an deutschen Schulen. Im Saarland gibt es Zweifel an der Umsetzung der Pläne.
Schulkinder sollen besser auf Krisen und einen Kriegsfall vorbereitet werden: Dieser Vorstoß von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) stößt im Saarland auf wenig Zustimmung. „Frau Stark-Watzinger kennt die Situation an Schulen wohl wenig. Krieg, Krisen und Konflikte sind immer Themen in Schulen und werden auf unterschiedliche Arten und Weisen aufgenommen. Idealerweise im Unterricht selbst, beispielsweise in Sozialkunde, Geschichte oder Erdkunde“, erklärt Max Hewer, Landesvorsitzender der Gewerkschaft GEW. Doch auch außerhalb des Unterrichtsgeschehens seien Themen wie Krieg, Klimawandel oder auch Populismus präsent. „Gerade Schülerinnen und Schüler haben auch viel Kontakt mit geflüchteten Gleichaltrigen“, gibt er ein Beispiel. Außerdem sind laut Hewer viele junge Menschen durch die Pandemie-Erfahrung krisenfest geworden. „Während der CoronaPandemie waren die Schulen stark betroffen. Die Schulen waren quasi zeitweise die größte Teststation des Saarlandes. Die Schülerinnen und Schüler haben in dieser Zeit viel über Hygiene und Infektionsschutz gelernt“, sagt er.
Auch die saarländische Bildungsministerin und Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Christine Streichert-Clivot (SPD), äußert Bedenken über den Vorstoß aus Berlin. „Der Vorschlag von Bundesbildungsministerin Bettina StarkWatzinger ist aus meiner Sicht zu eng gefasst: Wenn uns etwas die vergangenen Jahre gelehrt haben, dann, dass es nicht mehr ‚die` eine Krise gibt, auf die wir uns vorbereiten können und müssen“, sagte sie der SZ und nannte als Beispiel Pandemien, Kriege, Naturkatastrophen, Klimawandel sowie tiefgreifende Veränderungen in Gesellschaft und Wirtschaft. Kinder und Jugendliche müssten insgesamt breiter auf die Zukunft vorbereitet werden. „Dazu
„Frau Stark-Watzinger kennt die Situation an Schulen wohl wenig. Krieg, Krisen und Konflikte sind immer Themen.“Max Hewer Landesvorsitzender der GEW
kann Schule einen wichtigen Beitrag leisten, besonders im Bereich Ganztag. Hier können selbstverständlich auch Kontakte geknüpft werden mit den Organisationen, die für den Zivilschutz eine wichtige Rolle spielen, wie dem Technischen Hilfswerk, den Feuerwehren und den Rettungskräften. Schon heute bieten beispielsweise viele Schulen Erste-HilfeKurse oder Projekttage mit diesen Partnern an“, so Streichert-Clivot.
Die Umsetzung von Übungen zum Zivilschutz wie von Stark-Watzinger angedeutet, müsste vorab gründlich durchdacht sein, meint auch Lisa Brausch, Landesvorsitzende des saarländischen Lehrerinnenund Lehrerverbandes (SLLV). Man könne davon ausgehen, dass bei vielen Schülerinnen und Schülern unnötig zusätzliche Ängste geschürt würden. „Vielmehr ist es notwendig, bei allen Kindern und Jugendlichen eine gesunde Resilienz zu fördern. Sie müssen lernen, mit Niederlagen und Kritik umzugehen und Konflikte eigenständig zu lösen“, meint sie. „Das muss inhaltlich in den Schulen transportiert werden, bevor man Themen wie Vorbereitung auf Kriegssituationen ins Auge fasst und Zivilschutzübungen in den Schulalltag integriert“, so Bausch.
Dass Themen wie Krisen und Krieg bereits sehr präsent in den Schulen sind, attestiert auch Katja Oltmanns, Vorsitzende der Elternvertretung LEV Gymnasien Saarland. Die Schule sei kein luftleerer Raum. „Der Krieg in der Ukraine aber auch der Gaza-Konflikt reichen bereits in den Alltag der Schülerinnen und Schüler hinein. Die Schulen haben mit diesen Fragen und Konflikten tagtäglich zu tun und es
kommt auch zu Auseinandersetzungen unter den Schülern“, berichtet sie. „Wichtig ist hier, dass die Schule die Möglichkeit bietet, Kinder aus ihrer familiären Blase herauszuholen und die Konflikte unter anderen Gesichtspunkten zu beleuchteten und zu verstehen hilft“, meint Oltmanns.
Doch wie sollen eine Umsetzung in Praxis funktionieren? „Bislang hat die Bundesbildungsministerin ihre Forderungen inhaltlich nicht konkretisiert“, merkt Lisa Brausch an. Ihre Befürchtung: dass den Schulen eine zusätzliche Aufgabe zugeschrieben wird, ohne dass ihnen vorab entsprechende Handlungsempfehlungen an die Hand gegeben werden. Eine Möglichkeit wäre es, aktuelle Bezüge zu diesen Themen in sogenannten Klassenleiterstunden aufzunehmen, meint Max Hewer. Er gibt aber zu bedenken, dass „diese oft durch Lehrpläne, personelle Ausfälle und ohnehin viele Herausforderungen stark eingeschränkt sind. Die Bun
desbildungsministerin sollte sich deshalb Gedanken machen, wie sie mehr Ressourcen an die Länder beziehungsweise die Schulen selbst geben kann, um genau die wichtigen angesprochenen Themen bearbeiten zu können, anstatt immer mehr Aufgaben zu fordern“.
Auch Elternvertreterin Oltmanns hält die Klassenleiterstunden für eine geeignete Möglichkeit. Diese gebe es aber nicht in jeder Klassenstufe. „Leider ist die Klassenleiterstunde am Gymnasium nur in Klassenstufe 5 und 6 vorgesehen, es wäre wichtig, diese Austauschmöglichkeit auch in höheren Klassen anzubieten“, schlägt sie vor. Wichtig ist ihr aber, dass die Auseinandersetzung mit den Thematiken des Zivilschutzes nicht auf Kosten des Lehrplans passiert. „Wenn Schulen immer mehr die Inhalte für Alltagstauglichkeit vermitteln sollen, was eigentlich in den Familien passieren sollte, bleibt der restliche Bildungsauftrag auf der Strecke“, so Oltmanns.