Frank Nimsgern wagt sich an „Zauberflöte“
Für Frank Nimsgern steht in diesem Jahr nicht nur ein ganz besonderes Bühnenjubiläum an, am 12. April feiert in München auch sein neues Musical „ Zauberflöte“Uraufführung. Kann sich der Saarländer mit Mozart messen?
So oder so kann es eigentlich nur ein Nimsgern-Jahr werden. Ob sein jüngstes Musical „Zauberflöte“, das am 12. April in München uraufgeführt wird, nun seine stattliche Erfolgsliste verlängert oder nicht: Frank Nimsgern feiert dieses Jahr auch stolze 25 Jahre als Musicalkomponist.
Zwar ging's genau genommen 1998 bereits mit „Paradise of Pain“im Saarländischen Staatstheater los. Das Vierteljahrhundert aber, in dem der Saarländer thematisch und zum Teil auch in puncto Spielstätten zu Lande, zu Wasser und in der Luft schon Millionen mit seinen Musicals, Revuen und hochseetauglichen Orchestersuiten (2012 für den Vergnügungsdampfer „Mein Schiff“) begeistert, soll eben dieses Jahr bejubelt werden. Am 13. Juni wird es also im Großen Haus des Saarbrücker Theaters ein „Frank Nimsgern – Best of“geben – mit Hits en gros aus „SnoWhite“, „Der Ring“, „Elements“, „Jack the Ripper“und eben „Paradise of Pain“.
Doch an dieses Mittsommerfest verschwendet der 54-Jährige derzeit noch keine Gedanken. Erstmal muss im April die „Zauberflöte“im Deutschen Theater über die Rampe. Wohl in der deutschen Kulturmetropole überhaupt. München leuchtet bekanntlich; und dank seines Kulturangebotes besonders. Zudem tönt der Name Nimsgern vom Senior her, dem großen Bassbariton Siegmund Nimsgern, in München noch wohlig nachklingend. Wo der Vater einst gefeiert sang, soll sich der Sohn nun mit Mozart messen?
Frank Nimsgern wehrt sofort ab: „Das wird keine ‚Zauberflöte` light, das ist etwas völlig Eigenes. Ich habe
bewusst versucht, gar nicht erst dahin zu kommen, dass man vergleicht.“Trotzdem, mit gehörigem Respekt hat sich der wohl erfolgreichste deutsche Musical-Komponist dennoch ans Werk gemacht: Und sich schon ein bisschen bitten lassen. Eben weil er weiß: „Keine Oper hat so viele Hits.“Die Arien aus Mozarts Feder sind quasi eine einzige Hitparade. „Dies Bildnis ist bezaubernd schön“, kann beinahe jeder trällern. Und nicht bloß werdende Väter haben das hinreißende Pagagena/Papageno-Duett „Pa pa pa pa...“im Ohr. Einerseits schier übermächtig populäre Musik und bestes Volkstheater also.
Andererseits wirkt das über 230 Jahre alte Libretto von Emanuel Schikaneder nicht erst für uns heute wie ein Steinbruch zum Teil kruder Einfalle: Märchenfiguren prallen auf hehre Ideale und Frei
maurer-Ideen. Und im Daseinskampf zwischen Gut und Böse taucht überdies manches auf, was heute als rassistisch und frauenfeindlich gilt. Wie damit umgehen?
Als sich Frank Nimsgern an ein anderes übergroßes Komponistendenkmal heranwagte, tat er sich leichter, gibt er zu. 2007 präsentierte der Saarländer sein Musical „Der Ring“in der Oper Bonn, sehr, sehr frei nach Richard Wagner. „,Der Ring' aber war gegen die ‚Zauberflöte' fast einfach, das ist mehr Krimi, mehr Aggressionspotenzial. Wagner war ein großer Musikpsychologe“, schwärmt er. Und bietet mehr, an dem er sich als Komponist reiben konnte.
Wagner war in seinem St. Ingberter Elternhaus eben auch der deutlich präsentere Komponist. Kein Wunder, wenn der Vater als Wotan in Bayreuth gefeiert wurde. Mozarts schwärzeste Oper, „Don Giovanni“, wäre da wohl mehr nach seiner Façon gewesen.
Aber Frank Nimsgern sucht sie eben auch, die musikalische Herausforderung, die ihm ordentlich was abverlangt. Darum hat er, als er seitens des Deutschen Theaters in München und des Festspielhauses Neuschwanstein in Füssen gefragt wurde, ob er sich ein Musical „Zauberflöte“vorstellen könne, nicht kategorisch „nein“gesagt, sondern den Klavierauszug
rauf und runter gespielt, sich drei Monaten lang Gedanken gemacht, und sich komponierend drei Songs, sozusagen emblematische wie neuralgische Szenen, vorgenommen. Darunter die berühmte „Rache“Arie der „Königin der Nacht“und einen Vogelfänger-Auftritt. „Als ich die hatte und für mich das Gefühl da war, es geht, habe ich zugesagt.“
Doch das war eben nur der Anfang eines fast zweijährigen Prozesses. Die „große Bürde“sei, es darf nicht bloß ein aufgepeppter Mozart werden. „Wir müssen unbedingt überraschen“, sagt Nimsgern. Also habe er „komplett neue Musik komponiert“. Trotzdem: Ganz ohne Wiedererkennungseffekt geht es auch nicht; da wären viele wohl enttäuscht.
Die ersten Takte der Ouvertüre hat er darum als Zitat behalten. Und auch die zweite Arie der „Königin der Nacht“bleibt nah dran an Wolfgang Amadés Originalpartitur – die „Rache kocht“jetzt rockig – Ältere werden danach ihre Emerson Lake & Palmer-Platten rauskramen wollen. „Zauberflöte“-Songtext-Autorin Aino Laos – mit der Sängerin arbeitet Nimsgern schon Jahrzehnte zusammen – hat es für die CDFassung eingesungen. Auch so ein Bravourstück.
Ansonsten sind es oft nur dezente Anklänge an Mozart, mit denen Nimsgern spielt, sie variiert, sie ironisch zitiert. Papageno aber bekommt bei ihm einen Auftritt im Folk-Stil. Die „Königin der Nacht“wird bis zu 18 Mal vervielfacht. „Großes Ensemble und große Show, das war auch ein Wunsch der beiden Theater“, sagt Nimsgern. Benjamin Sahler, der Buchautor und Regisseur der „Zauberflöte“, ist zugleich künstlerischer Leiter des Füssener Festspielhauses. Und so ein kommerzieller Spielort definiert eben auch gewisse Erwartungen.
Frank Nimsgern hat sich aber auch anspornen lassen von dem Ensemble, das ihm jetzt zur Verfügung steht. „Die können alles: singen, tanzen, spielen“, freut er sich. Auch an anderen großen Häusern hat er schon aus dem Vollen schöpfen können.
Mit einem so kompletten Ensemble wie jetzt hatte er es aber noch selten zu tun. Dazu hat man für Hauptrollen Musicalstars wie Patrick Stanke, Misha Kovar, Chris Murray und Christian Schöne verpflichtet. Moderator und Sänger Tim Wilhelm („Münchner Freiheit“) versucht sich am Pagageno. Und Musical-Grande-Dame Anna Maria Kaufmann wird den Part einer Erzählerin übernehmen. So glätte man auch Untiefen des ursprünglichen Schikaneder-Librettos, mache die Geschichte greifbarer, erläutert Frank Nismgern.
Denn als Musical soll die „Zauberflöte“schon für Kinder ab zehn, elf Jahren ansprechend sein. „Und wir haben es ja auch mit Leuten zu tun, die noch nie in der Oper waren.“Zugleich will man aber auch Mozart-Freunde nicht verprellen. Ein Riesen-Spagat also. Aber den wird Frank Nimsgern sicher schaffen. Dank eines Push-up-Challenge-Videos, das er vor ein paar Jahren mal postete, weiß man ja: Der Komponist ist auch topfit.