Poker um Entlastungen für Bauern und Firmen
Der Weg zu besseren Standortbedingungen ist lang und mühsam: Ob die Unionsländer dem Wachstumschancengesetz im Bundesrat zustimmen, ist auch nach wochenlangen Verhandlungen weiter offen. Indes schafft die Ampel eine Einigung beim Bürokratieabbau.
Ringen um bessere Standortbedingungen für die angeschlagene Wirtschaft kommen Bund und Länder nur langsam voran. Ob das Wachstumschancengesetz, das Unternehmen um jährlich drei Milliarden Euro steuerlich entlasten soll, an diesem Freitag den Bundesrat passieren wird, blieb bis Donnerstagabend offen. Die unionsgeführten
Länder wollen dem Gesetz nur unter der Bedingung der Entlastung von Landwirten zustimmen. Entsprechende Zugeständnisse der Bundesregierung, mit denen die geplante Kürzung der Agrardiesel-Förderung ausgeglichen werden soll, lehnte die Union aber als unzureichend ab. Indes konnten sich die Ampel-Fraktionen im Bundestag auf ein Maßnahmenpaket zur Bürokratieentlastung einigen. Digitale Arbeitsverträge sollen künftig zulässig sein.
Trotz schwacher Konjunkturprognosen und der Abwanderung vieler Industriebetriebe tut sich die Politik schwer damit, die Investitionsbedingungen in Deutschland zu verbessern. Uneinigkeit zwischen den drei Ampel-Fraktionen, aber auch zwischen Bund und Ländern verhindern schnelle Beschlüsse. Um das Wachstumschancengesetz von Finanzminister Christian Lindner (FDP) wird seit Monaten gerungen. Es sah zunächst Entlastungen von sieben Milliarden Euro vor. Im Vermittlungsausschuss von Bund und Ländern wurde die Summe auf gut drei Milliarden Euro verringert, weil die Länder Einnahmeausfälle kritisiert hatten. Ökonomen halten Entlastungen in zweistelliger Milliardenhöhe für notwendig.
Die Regierung beharrt darauf, die steuerliche Bevorzugung des Agrardiesels zu streichen, die jährlich etwa 450 Millionen Euro ausmacht. Lindner hatte der Union in dieser Woche angeboten, die Landwirte an anderer Stelle um steuerlich etwa 150 Millionen Euro zu entlasten. Das ist der Union und dem Bauernverband, der seit Monaten massive Bauernproteste organisiert hat, aber nicht genug. „Von einer auch nur ansatzweise angemessenen finanziellen Kompensation, von der alle landwirtschaftlichen Betriebe etwas haben, ist nach wie vor nichts zu er
kennen“, sagte Unionsfraktionsvize Steffen Bilger (CDU) unserer Redaktion. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) habe es „in den vielen Wochen seit dem fatalen Koalitionsbeschluss zur Abschaffung des Agrardiesels nicht geschafft, den Landwirten etwas wirklich Substanzielles im Gegenzug anzubieten“, ergänzte Bilger. Auch der Bauernverband ist nicht zufrieden. Er rief die Landwirte auf, am Freitagmorgen vor
dem Bundesratsgebäude in Berlin für den Erhalt der Agrardiesel-Subventionen zu demonstrieren.
Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD), appellierte an die von der Union regierten Bundesländer, grünes Licht zu geben. „Das Wachstumschancengesetz enthält wichtige Impulse für die Wirtschaft. Vor allem für die Bauwirtschaft und kleine und mittlere Unternehmen gibt es steuerliche Erleichterungen“, sagte Schwesig unserer Redaktion. „Wir haben im Vermittlungsausschuss einen guten Kompromiss gefunden. Deutschland geht durch wirtschaftlich schwere Zeiten. Wir brauchen jetzt ein Signal, dass es wirtschaftlich vorwärts geht.“
Konkret erzielte die Ampel bei einem weiteren wichtigen Thema einen Kompromiss, dem Bürokratieabbau. Arbeitsverträge sollen demnach in Zukunft auch bequem per E-Mail abgeschlossen werden können. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte, die klassische Schriftform bei Arbeitsverträgen werde durch eine Textform ersetzt, beispielsweise durch eine Mail. Davon profitierten Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Ampel-Fraktionen betonten in einer gemeinsamen Mitteilung, gerade Start-ups arbeiteten häufig bereits vollständig digital. Der Arbeitgeberverband BDA sprach von einem guten Schritt, forderte aber mehr Schwung bei der Digitalisierung der Verwaltung. „Ich freue mich, dass wir als Koalition unseren Arbeitsmarkt digitaler und unbürokratischer machen“, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD).
„Von einer auch nur ansatzweise angemessenen finanziellen Kompensation, von der alle landwirtschaftlichen Betriebe etwas haben, ist nach wie vor nichts zu erkennen.“Steffen Bilger (CDU) Unionsfraktionsvize