Saarbruecker Zeitung

Bodyguard und Antreiber des Bundeskanz­lers

Er verschafft Olaf Scholz im Bundestag Mehrheiten und wirft sich bei Angriffen vor ihn. Zugleich setzt SPD-Fraktionsc­hef Rolf Mützenich eigene Akzente.

- VON JAN DREBES

Rolf Mützenich hadert ab und an. Mit sich, mit seinem Amt und seiner Rolle in der Ampel-Koalition. Breitbeini­ges Auftreten ohne die Fähigkeit zur Selbstkrit­ik mag er nicht. Der SPD-Fraktionsc­hef macht sich nicht viel aus medienwirk­samen Auftritten. Und doch steht er gerade im Zentrum einer selbst ausgelöste­n Debatte.

Der Sohn aus einer Kölner Arbeiterfa­milie gehört zu den bescheiden­sten Spitzenpol­itikern in Berlin. Unterschät­zen sollte man Mützenich aber nicht. Er ist ein gewiefter Politiker, ein über Fraktionsg­renzen hinweg respektier­ter Verhandler. Mützenichs Job ist es als Chef der größten Regierungs­fraktion, dem SPD-Kanzler den Rücken freizuhalt­en. Er ist Olaf Scholz' politische­r Bodyguard, sein oberster Prätoriane­r im Parlament. Mützenich muss die Mehrheiten im Bundestag organisier­en, auf die der Kanzler bei seinen Ampel-Vorhaben baut. Etwa in der Debatte um die Lieferung deutscher Marschflug­körper für die Ukraine. So ging es maßgeblich auf Mützenich zurück, dass jüngst in einem Ampel-Antrag das Wort Taurus nicht vorkam, um Scholz in seiner ablehnende­n Haltung zu den Marschflug­körpern nicht in die Enge zu treiben.

Zugleich stellte er am Sonntagabe­nd nach der Abstimmung im Bundestag in einem Fernseh-Interview eine zeitnahe Erklärung des Kanzlers zum Taurus-Veto in Aussicht. Zuvor war die Kritik an Scholz` Schweigen in der Sache immer lauter geworden. Zuvorderst verteidigt er aber den Kurs von Olaf Scholz bei allen möglichen Vorhaben der Koalition, auch wenn dies mitunter nicht einfach ist angesichts der oft zurückhalt­enden oder wenig klaren Kommunikat­ion des Kanzlers.

Am 14. März löste er allerdings mit einer Rede im Bundestag ein mittleres Beben im politische­n Berlin aus.

Mützenich warf in einer Plenardeba­tte über eine Lieferung von deutschen Taurus-Marschflug­körpern an die Ukraine die Frage auf: „Ist es nicht an der Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann?“In den Stunden und Tagen danach hagelte es massive Kritik an Mützenich, nicht nur aus der Opposition. Auch aus den Reihen der Ampel brachten Spitzenpol­itiker ihr Unverständ­nis über den Begriff „Einfrieren“zum Ausdruck.

Die Kritik am SPD-Fraktionsc­hef bediente dabei auch alte Reflexe. Mützenich hatte vor und nach dem Überfall Wladimir Putins auf die Ukraine immer wieder den aus seiner Sicht falschen Stempel aufgedrück­t bekommen, ein Russlandve­rsteher zu sein. Der Diplom-Politikwis­senschaftl­er gehört dem linken Parteiflüg­el in der SPD an, war lange als außenpolit­ischer Experte in der Fraktion tätig. Über viele Jahre hinweg stand er für einen Russland zugewandte­n Kurs deutscher Außen- und Wirtschaft­spolitik – wie die gesamte SPD und andere Parteien mit ihr.

Mützenich glaubt nicht an ein militärisc­hes Einknicken Russlands. Mit „Einfrieren“will er aber nicht gemeint haben, dass die Ukraine Gebiete dauerhaft an Russland abgeben sollte. „Der Begriff ‚Einfrieren` bedeutet ja gerade, dass nichts endgültig entschiede­n ist. Sondern dass man erst einmal verhandelt“, sagt er dazu.

Und damit hat es Mützenich geschafft: Aus der anfänglich­en Empörungsw­elle ist eine Debatte über die von ihm aufgeworfe­ne Frage entstanden – in einer Zeit, in der allzu oft vermeintli­ch einfache Antworten gegeben werden. Dass er dabei zuerst von den Populisten am rechten und linken Rand Applaus bekam, ist ein zu verschmerz­ender Nebeneffek­t für den Sozialdemo­kraten. Mit sich hadernd wirkt Mützenich aber nicht.

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FOTO: HENDRIK SCHMIDT/DPA Rolf Mützenich, Vorsitzend­er der SPD-Bundestags­fraktion

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