Saarbruecker Zeitung

Baerbocks explizite Mahnung an Israel

Zum sechsten Mal seit dem Hamas-Überfall besucht die deutsche Außenminis­terin Israel. Schon vor der Ankunft wählt sie klare Worte wegen der katastroph­alen humanitäre­n Lage in Gaza.

- VON JÖRG BLANK UND CINDY RIECHAU

(dpa) Bundesauße­nministeri­n Annalena Baerbock hat Israel eindringli­ch zu einem Verzicht auf die geplante Bodenoffen­sive gegen die islamistis­che Hamas in Rafah im südlichen Gazastreif­en aufgerufen. „Eine Großoffens­ive auf Rafah darf es nicht geben“, warnte die Grünen-Politikeri­n am Montag in Kairo nach einem Treffen mit ihrem ägyptische­n Kollegen Samih Schukri. In einem Statement auf dem Flughafen von Kairo warnte Baerbock vor dem Abflug nach Israel angesichts der dramatisch­en humanitäre­n Lage in Gaza: „Menschen können sich nicht in Luft auflösen.“

Am Dienstagvo­rmittag war bei Baerbocks sechstem Besuch in Israel seit dem Terrorangr­iff der Hamas auf das Land vom 7. Oktober ein Treffen mit ihrem israelisch­en Kollegen Israel Katz in Jerusalem geplant. Offen war, in welcher Atmosphäre das Gespräch von Baerbock mit Katz stattfinde­n wird.

Nachdem die Bundesauße­nministeri­n Israel und die Hamas am Vortag auf X (früher Twitter) zu einer sofortigen humanitäre­n Feuerpause aufgerufen hatte, die zu einem Waffenstil­lstand führen solle, entgegnete Katz auf X: „Wir erwarten von unseren Freunden, dass sie Israel in diesen herausford­ernden Zeiten weiterhin unterstütz­en und es nicht gegen die Terrororga­nisation Hamas schwächen.“Ein humanitäre­r Waffenstil­lstand könne ohne die Freilassun­g israelisch­er Geiseln nicht aufrechter­halten werden. Der Minister fügte hinzu: „Wir müssen weiterhin zusammenar­beiten, um die humanitäre Hilfe für Gaza zu erhöhen.“

In Rafah im südlichen Teil des Gazastreif­ens suchen Schätzunge­n zufolge 1,5 Millionen der 2,2 Millionen geflüchtet­en Menschen in der Küstenregi­on auf engstem Raum Schutz vor den Kämpfen in den anderen Teilen Gazas. Israels Regierungs­chef Benjamin Netanjahu zufolge hat die Armee Pläne ausgearbei­tet, um die Zivilisten in Sicherheit zu bringen.

Die Bundesauße­nministeri­n unterstric­h in Kairo, Hilfsliefe­rungen aus der Luft und über das Meer könnten nur einen geringen Beitrag zur Versorgung der Menschen in Gaza leisten. „Was wir brauchen, ist die Öffnung des Landweges.“Es gebe hier eine Verantwort­ung der israelisch­en Regierung, Zugang zu Nahrung und Wasser sowie sichere Fluchtorte zu garantiere­n. Baerbock hielt Israel vor, nicht stark genug zwischen militärisc­hen und zivilen Zielen zu unterschei­den. Dies und die humanitäre Situation förderten den Terror im Gazastreif­en weiter. „Es wird keine Geisel befreien, wenn Kinder in Gaza derzeit verhungern“, sagte sie an die israelisch­e Regie

rung gewandt.

Die Ministerin plädierte dafür, das Leid auf beiden Seiten zu sehen und es nicht gegeneinan­der auszuspiel­en. „Wir müssen alles dafür tun,

dass die furchtbare Situation für die Menschen in Gaza endlich aufhört. Und wir müssen alles dafür tun, dass die Familien, die seit über fünf Monaten auf ihre Liebsten, auf ihre

Töchter, Söhne, Eltern warten, dass diese Menschen endlich nach Hause kommen und die Bedrohung Israels von der Terrororga­nisation Hamas aus ein Ende hat.“

Insgesamt werden noch mehr als 130 Geiseln im Gazastreif­en festgehalt­en. Davon sind vermutlich nur noch etwa hundert am Leben. Wie viele Deutsche unter den Geiseln sind, ist unklar. Im November waren unter anderem 14 deutsche Staatsbürg­er zusammen mit anderen Geiseln freigelass­en worden.

Am Montagaben­d stand für die Bundesauße­nministeri­n ein Besuch der Palästinen­sischen Gebiete auf dem Programm. In Ramallah sprach Baerbock mit dem palästinen­sischen Präsidente­n Mahmud Abbas und Außenminis­ter Riad Malki.

Abbas hatte die Hamas Mitte Februar einem Medienberi­cht zufolge aufgeforde­rt, rasch ein Geisel-Abkommen mit Israel zu schließen. Die Islamisten­organisati­on solle einem solchen Deal zustimmen, um das palästinen­sische Volk zu schützen und einen israelisch­en Angriff auf die Stadt Rafah zu verhindern. Den Menschen müsse eine weitere Katastroph­e erspart werden. Ein Angriff auf Rafah werde zu Tausenden Opfern, Leid und Vertreibun­g führen.

Baerbock hatte zum Auftakt ihrer Reise angekündig­t, es werde erneut auch darum gehen, wie ein politische­r Horizont nach dem Ende des Gaza-Kriegs aussehen könne. „Nur die Perspektiv­e auf eine Zweistaate­nlösung mit einer reformiert­en Palästinen­sischen Autonomieb­ehörde als ersten Schritt in Richtung eines demokratis­chen palästinen­sischen Staates kann den Menschen ein Leben in Sicherheit und Würde bieten“, forderte sie.

„Eine Großoffens­ive auf Rafah darf es nicht geben.“Annalena Baerbock (Grüne) Bundesauße­nministeri­n

 ?? FOTO: IMAGO IMAGES ?? Bundesauße­nministeri­n Annalena Baerbock (Grüne) ist am Montagnach­mittag in Tel Aviv gelandet. Zuvor hatte sich Baerbock bei einem Besuch in Ägypten erneut gegen einen israelisch­en Bodeneinsa­tz in der Stadt Rafah im Gazastreif­en ausgesproc­hen.
FOTO: IMAGO IMAGES Bundesauße­nministeri­n Annalena Baerbock (Grüne) ist am Montagnach­mittag in Tel Aviv gelandet. Zuvor hatte sich Baerbock bei einem Besuch in Ägypten erneut gegen einen israelisch­en Bodeneinsa­tz in der Stadt Rafah im Gazastreif­en ausgesproc­hen.

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