Entlastungspaket für Bauern nimmt Hürde
Vertreter der EU-Staaten haben sich am Dienstag in Brüssel für weitere Entlastungen von Landwirten ausgesprochen. Sollte das Europaparlament die Vorschläge im April billigen, könnten die Änderungen bereits vor Ende der Legislaturperiode und damit in wenig
Als die EU-Agrarminister am Dienstagmorgen in Brüssel zusammenkamen, stiegen über dem Europaviertel bereits dichte, schwarze Rauchwolken auf. Hunderte Bauern waren mit ihren Traktoren angereist und verliehen ihrem Ärger über die ihrer Meinung nach unverhältnismäßige EU-Politik mit lodernden Heuballen und brennenden Reifen Ausdruck.
Um den protestierenden Landwirten entgegenzukommen, sprachen sich die Minister für Zugeständnisse aus. Am Dienstag stimmte dann zudem in einem Sonderausschuss für Landwirtschaft eine Mehrheit der Mitgliedstaaten dafür, den Verwaltungsaufwand für Bauern zu verringern und ihnen mehr Flexibilität bei der Einhaltung bestimmter Umweltauflagen zu ermöglichen. Damit nahm das von Kommissionspräsi
dentin Ursula von der Leyen persönlich geschnürte Entlastungspaket rechtzeitig zum Beginn des Agrarrats eine wichtige Hürde.
Erst vor zehn Tagen hatte die Brüsseler Behörde angeregt, im Eilverfahren die Ökoregeln der europäischen Agrarpolitik zu entschärfen. Das Gremium der EU-Vertreter billigte nun den Maßnahmenkatalog. Sollte sich im April im Europaparlament eine Mehrheit hinter die Vorschläge stellen, was als wahrscheinlich gilt, könn
ten die Änderungen bereits vor Ende der Legislaturperiode und damit in wenigen Wochen in Kraft treten.
Es geht um sogenannte Glöz-Standards, die im Zentrum der letzten Agrarreform standen. Sie sollten im Förderzeitraum bis 2027 für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand von Böden sorgen. Demnach wollte die Union einen Teil der milliardenschweren Subventionen an die Einhaltung von Umweltvorgaben koppeln. Wer sich an die
Auflagen hält, profitiert, so lautete das Ziel. Neun wurden damals definiert. Sie verpflichten die Bauern unter anderem dazu, vier Prozent der Flächen nicht zu bewirtschaften, um das Artensterben zu stoppen und den Klimawandel zu bekämpfen.
Nachdem die Verordnung bereits mehrfach ausgesetzt wurde, etwa wegen des Kriegs in der Ukraine, soll die Verordnung jetzt komplett fallen. Würden Farmer freiwillig Ackerflächen brachlegen oder unproduktiv nutzen, sollen die EU-Länder sie jedoch dafür belohnen. Zudem schlug die Kommission vor, kleine Höfe mit weniger als zehn Hektar von Kontrollen und Strafen auszunehmen.
Beim Thema Fruchtfolge, also dem Wechsel verschiedener Pflanzen auf dem Acker, sollen die Mitgliedstaaten die Möglichkeit erhalten, ihren Bauern eine Wahl zu lassen. Demnach könnten diese entweder die Fruchtfolge ändern oder ihre Kulturen diversifizieren. Bei der von vielen Partnern unterstützten Lockerung sah Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir am Dienstagmorgen noch „massive Fragezeichen“. Die Regelung sei „nicht aus Jux und Tollerei“aufgenommen worden, sagte der Grünen-Politiker, sondern aus der Erkenntnis heraus, dass die Fruchtfolge im Gegensatz zu Monokulturen wichtig sei, „um Bodenkrankheiten zu vermeiden und dafür zu sorgen, dass Ernten dauerhaft sicher sind“.
Auf einer gemeinsamen Linie mit den anderen EU-Ländern lag Berlin derweil bei dem übergeordneten Ziel: Weniger Zwang, weniger Bürokratie, weniger Kontrollen. Dafür will die EU verstärkt auf Freiwilligkeit setzen. Özdemir zufolge sollte man die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), also die Basis der Landwirtschaftssubventionen aus dem EU-Haushalt, so angehen, dass es künftig „öffentliches Geld für öffentliche Leistungen gibt“. Damit sei gemeint, dass Bauern „mit guten, freiwilligen Angeboten“für Arten- und Klimaschutz sowie für Tierwohl Geld verdienen sollen. Zudem müsse Bürokratie dort, wo sie zu mehr und zu unnötiger Belastung führe, abgeschafft werden, sagte Özdemir. Gleichwohl solle Bürokratieabbau nicht bedeuten, dass der Umweltschutz leide.
Als „wichtigen Meilenstein für die Zukunft der europäischen Landwirtschaft“lobte der CDU-Europaabgeordnete Norbert Lins die Entscheidung am Dienstag. Die EU beweise, dass sie „fähig ist, schnell und entschlossen zu handeln, wenn es darauf ankommt“. Er zeigte sich „zuversichtlich“, dass die vorgeschlagenen Anpassungen im April „schnell und ohne Änderungsanträge” angenommen werden. „Es ist von größter Wichtigkeit, dass wir in diesen entscheidenden Momenten zusammenstehen und zügig handeln, um den Herausforderungen unserer Landwirte effektiv zu begegnen“, sagte Lins.
Anfang Juni finden die Europawahlen statt – und die Sorge vor einem Rechtsruck im Schatten der Bauernproteste nimmt zu. Dementsprechend versucht die EU seit Monaten, mit weitreichenden Zugeständnissen die Landwirte zu besänftigen.
Die EU will den Verwaltungsaufwand für Bauern senken – durch mehr Flexibilität bei der Einhaltung bestimmter Umweltauflagen.