„Loslassen geht ganz wunderbar“
Richard Weber, zwei Jahrzehnte lang Präsident der Saar-IHK und als ehemaliger Chef der Karlsberg-Brauerei auch erfolgreicher Unternehmer, wird heute 80 Jahre alt. Ein Mann mit vielen Seiten, der auch Veränderungen zu schätzen weiß.
Mit Verträgen kennt er sich bestens aus. Ein „Abschluss“lässt jedoch besonders aufhorchen. Den hat Richard Weber schon vor 20 Jahren getätigt, wie er verschmitzt anmerkt. Und verrät bis heute nicht, wer der geheimnisvolle Verhandlungspartner ist. Doch dieser muss wohl über besondere Macht verfügen und sehr attraktive Konditionen. Denn im Stillen hat Weber erst vor kurzem versucht, den Vertrag erneut zu verlängern. Und lacht spitzbübisch, als er sagt: „Ich habe allen schon damals erzählt, dass ich einen Vertrag unterschrieben habe, nach dem ich 102 Jahre alt werde. Mittlerweile wollte ich auf 106 verlängern. Doch da hat mein Vertragspartner gesagt: Du kannst den Vertrag jetzt nicht mehr einseitig kündigen.“
Angesichts all seiner Aktivitäten käme Weber ein nochmaliges längeres Durchstarten sicherlich gelegen. Doch am heutigen Mittwoch wird der Jubilar, auch ohne Vertragsunterzeichnung erst einmal 80 Jahre alt. Wir treffen ihn zum Gespräch an einem seiner Lieblingsorte: dem Golfclub Homburg Websweiler Hof. Weber erscheint zum Gespräch im flotten Freizeithemd. Und schon auf den ersten Blick fällt sofort eine optische Veränderung an ihm auf: der „Stifte-Kopp“ist weg. Der hat ihn über Jahrzehnte geprägt, alle kannten ihn so. „Viele haben den StifteKopp mit mir verbunden und gesagt: Das ist der Richard. Aber dann kam eben Corona. Und das bedeutete auch für mich: mehrere Monate kein Friseur.“So machte er aus der Not eine Tugend und trägt heute wieder einen Seitenscheitel, wie schon zu seiner Jugendzeit.
Zumindest nach außen wirkt Richard Weber auch gelassener als zu seinen Zeiten als Brauerei-Chef und langjähriger Präsident der saarländischen Industrie- und Handelskammer (IHK). 21 Jahre lang, ab 1996, stand er an der Spitze dieser einflussreichen Stimme der Saar-Wirtschaft. Seit 2017 ist er Ehrenpräsident der IHK. Mag sein, dass das Loslassen
von Ämtern und Verpflichtungen einem auch neue Freiheiten gibt. Die neue Gelassenheit spürt man bei Weber jedenfalls spätestens dann, wenn er auf seine „Golfer-Karriere“zu sprechen kommt. Auch ein einst ehrgeiziges Unterfangen von ihm. Heute sagt er dazu ganz locker: „Das Handicap ist immer noch stabil um die zehn rum. Das ist für mich keine große Verbesserung, aber auch keine Verschlechterung. Und das reicht mir auch. Ich wollte mal auf Handicap fünf oder sechs. Aber dann hatte ich nicht mehr den Ehrgeiz, so oft zu spielen.“
Doch jetzt im Frühjahr und Sommer wächst alleine schon aus Witterungsgründen wieder die Lust am Spiel. Zumal Weber gerade im Golfsport besondere Ansprüche entdeckt hat: „Wenn du auf dem Platz bist und den Schläger in die Hand nimmst, dann hast du plötzlich das Gefühl, an nichts anderes mehr denken zu dürfen. Es gibt nur noch die volle Konzentration. Zumal du beim Schlagen oder Gehen die Physik nicht außer Kraft setzen kannst. Aber das lernst du. Hinzu kommt dann noch, dass ich sechs bis acht
Kilometer gehe, wenn ich auf dem Golfplatz bin. Das ist auch körperlich immer wieder eine Ertüchtigung.“Nicht nur das Golfen selbst hat Weber für sich entdeckt, seit der Gründung des Golfclubs Websweiler Hof ist er auch dessen ehrenamtlicher Präsident. Sport gehört generell zum festen Tagesablauf von Richard Weber.
Ein anderes Hobby des gebürtigen Homburgers ist genauso spannend. Weber sammelt seit einiger Zeit Oldtimer. Als Sammler will er sich noch einmal zurückversetzen in selbst erlebte Zeiten, in denen er schon einige dieser Schätze selbst gefahren hat. Und so verweist er auf ein Juwel in seiner Sammlung, einen Alfa Romeo 1600 Spider Jahrgang 1964. Weber hat sich mit anderen Oldtimer-Sammlern vernetzt und ist so „mittendrin in einer anderen Welt. Die kommen aus dem In- und Ausland, kümmern sich um ganz an
dere Dinge als ich das früher getan habe.“Wieder treibt ihn die Neugier an. Eins macht er dann aber doch energisch klar: „Ich repariere keine Oldtimer. Ich bin kein Schrauber.“Ab April will er sich wieder mit Mitstreitern treffen. Den Auftakt macht ein Oldtimer-Treffen in Essen.
Unterwegs ist Richard Weber nach wie vor häufig, oft auch in Verbindung mit Orten, die ihm etwas Besonderes bedeuten. So ist er gerade von einer Wandertour in Tirol zurückgekommen. Und hat das gleich mal mit dem Besuch alter Wirkungsstätten verbunden, an denen er seine Studienzeit verbracht hat.
Nach Möglichkeit informiert sich Weber auch heute täglich ein bis zwei Stunden über das aktuelle Geschehen in den Medien. Und hat dabei weiter ein besonderes Augenmerk auf das Saarland. Dessen Entwicklung verfolgt er aufmerk
sam. „Die Region stand schon immer für Produktion. Früher waren es vor allem Kohle und Stahl, dann verstärkt Informationstechnologie.“Momentan gehe industrielle Wertschöpfung verloren, wie auch das Beispiel Ford zeigt, und es komme wenig nach. Beim grünen Stahl müsse sich erst einmal zeigen, ob dieser am Ende wirklich konkurrenzfähig ist. Womit Weber zugleich eine Verbindung zur Karlsberg-Brauerei herstellt. Denn die weitere Entwicklung der Industrie habe auch direkte Auswirkungen auf die Brauerei. „Wenn es künftig weniger Menschen im Saarland geben sollte, verkaufen wir auch weniger Bier und andere Produkte“, so Weber. Deshalb bestehe die Wachstumsstrategie der Brauerei schon von jeher darin, auch auf anderen Märkten im In- und Ausland Marktanteile zu gewinnen, ohne die Bindung zur Region und den Menschen zu vernachlässigen.
Das Saarland sei gut beraten, außer dem grünen Stahl auch neue Innovationen in anderen Wirtschaftsbereichen hervorzubringen. „Ohne Produktion geht im Saarland das Licht aus. Es geht nur mit der Industrie“, mahnt Weber. Hier könne die Informationstechnologie am Erfolg mitwirken, indem sie durch neue Technologien die Produktivität der saarländischen Industriebetriebe erhöht. Die Landespolitik sei zudem gut beraten, auch den Mittelstand stärker zu unterstützen. Dieser stehe für hohe Kompetenz und zahlreiche Arbeitsplätze.
Jetzt schon gut aufgestellt für die Zukunft sieht Richard Weber seine jahrzehntelange Wirkungsstätte, die Karlsberg-Brauerei in Homburg, in die er 1974 eintrat und deren Geschäftsführender Gesellschafter der promovierte Volkswirt bereits 1978 wurde. Rund 50 Jahre setzt er als Vordenker in der Tradition seines Vaters Paul Weber Meilensteine im Karlsberg-Verbund. Und konzentriert sich auf den Ausbau von Märkten, Marktanteilen und neuen Produkten: national wie international. Zu seinen besonderen Leistungen gehört auch die Verbreiterung des Sortimentes, um sich unabhängiger von der reinen Bierproduktion zu machen. Eine der vielen Innovationen, die untrennbar mit seinem Namen verbunden sind, ist die Markteinführung von Mixery. Bis heute eines der erfolgreichsten Produkte von Karlsberg.
„Brauen ist etwas hoch Emotionales. Das musst du jeden Tag leben. Das haben schon die Vorfahren unserer Familie hier in Homburg gemacht, ich durfte es viele Jahre tun und jetzt steht nach einem Generationswechsel mein Sohn Christian an der Spitze, der diese Emotionen mit anderen und neuen Ideen fortführt in eine erfolgreiche Zukunft.“Mit Christian zusammen ist Richard Weber weiter geschäftsführender Gesellschafter der Brauerei. Und stolz auf das, was Christian Weber in fünfter Generation seit seinem Eintritt ins Unternehmen im August 2010 auf die Beine gestellt hat. Wobei der Übergang zur neuen Geschäftsführung vom Ablauf her genauso überraschend war wie der Übergang von Paul Weber zu Richard Weber. „Ich habe vom einen auf den anderen Tag die Brauerei sporadisch betreten. Dann im Freizeitlook, um meine Post abzuholen.“Loslassen, so einfach, nach Jahrzehnten? Geht das wirklich? „Das geht ganz wunderbar. 2017 habe ich alles losgelassen: keine IHK mehr, kein europäischer Brauerbund mehr als Präsident, kein Brauereiverband mehr, kein nix mehr.“Es sieht tatsächlich so aus, dass Richard Weber seine neuen Freiheiten und sein neues Leben genießt. Man darf also auch gespannt sein, was bis zum Ende des Vertrags im 102. Lebensjahr noch so alles passiert.
„2017 habe ich alles losgelassen: keine IHK mehr, kein europäischer Brauerbund mehr als Präsident, kein Brauereiverband mehr, kein nix mehr.“Richard Weber Ex-IHK-Präsident