„Von der Galeria bis zum Markt sind in jeder Nische Obdachlose“
Wohnungslosigkeit wird in der Stadt Saarbrücken zu einem immer drängenderen Problem, wie eine SZ-Umfrage in der City zeigt.
Die Stadt Saarbrücken geht immer wieder gegen Obdachlose in der Innenstadt vor. Sei es die Räumung eines Lagers unter der Westspange, die Räumung Anfang vergangenen Jahres in der Trierer Straße oder am alten Kaufhof-Gebäude dieser Tage. Nicht immer stoßen die Maßnahmen auf Verständnis. Wir haben uns dazu in der Saarbrücker Innenstadt umgehört.
Der Verkäufer der Obdachlosenzeitung „Guddzje“, Markus Serwe, sieht ein Problem im Umgang der Stadt mit Wohnungslosen. „Zuletzt wurden Obdachlose am Kaufhof vertrieben. An dieser Stelle wurden nun einfach Blumenkästen hingestellt. Auch die Räumung der Zelte vor der Wärmestube letztes Jahr zeigt den schlechten Umgang der
Stadt mit Obdachlosen“, klagt der Saarbrücker, der einige Zeit selbst auf der Straße gelebt hat. „Es werden mehr Orte, an denen Wohnungslose schlafen dürfen, benötigt. Natürlich müssen diese sich auch benehmen“, sagt der 51-Jährige.
Philip Cabera ist selbst wohnungslos. Er berichtet: „Von der Galeria bis zum Markt sind in jeder Nische Obdachlose. Es werden immer mehr. Die Diakonie hat keine Kapazitäten mehr. Die Wohnungslosigkeit in der Stadt nimmt stark zu. Da muss etwas passieren.“Angebote für Obdachlose gebe es zwar, diese brächten jedoch oft Probleme mit sich: „In Notschlafstellen kann man mal für eine Nacht gehen. Das ist aber keine Dauerlösung. Dort werden einem sogar die Unterhosen gestohlen. Außerdem ist es sehr schwierig, eine Unterkunft mit Hund zu finden. Da bleiben einem kaum Optionen“, so der Saarbrücker.
Dominik Klink bettelt in der Innenstadt um Kleingeld und kennt ebenfalls die Problematik. „Die Mieten müssen bezahlbar bleiben. Privatbesitzer wollen die vom Jobcenter vermittelten Menschen nicht in ihren Wohnungen haben und treiben die Mietpreise nach oben. Diese machen sie immer etwas teurer als der Betrag, den das Jobcenter bezahlen würde. Dabei gibt es so viele Leerstände und Räume, die sich für sozialverträglichen Wohnraum eignen würden. Solche Häuser werden gekauft, und es werden daraus Luxusapartments gemacht“, kritisiert der Saarbrücker.
Hellmut Lotz sieht die steigende Wohnungslosigkeit. „Es wird immer mehr. Während es früher meist ältere Männer waren, sind es heute auch oft Frauen, die auf der Straße leben. Das Problem wird nicht ordentlich bearbeitet. Der Umgang mit Wohnungslosigkeit ist unterfinanziert“, meint der Saarbrücker. Der Politikwissenschaftler sieht auch Bedarf an sozialer Arbeit. „Viele Menschen auf der Straße haben psychische Probleme und oft keine Familie, bei der sie einziehen könnten. Für ein selbstbestimmtes Leben von Menschen in prekären Verhältnissen bräuchte es auch Betreuungsangebote.“
Ulrike Schilz sieht Handlungsbedarf im Umgang mit Wohnungslosigkeit. „Es gibt Menschen die zehn bis 15 Jahre auf der Straße leben. Dabei gibt es so viel Leerstand, wo Menschen unterkommen könnten“, so die 73-jährige Saarbrückerin, die bereits bei der Tafel gearbeitet hat. „Dann sieht man, wie viele Menschen in Not herkommen. Es kommen auch viele Frauen und Kinder. Unsere Stadt müsste mehr tun.“
Christiane Ley-Ulrich sagt: „Viele können die Hilfsangebote nicht annehmen. Sie sind zu tief drinnen, um sich wirklich helfen zu lassen“, berichtet Ley-Ulrich, die selbst in Kontakt zu einer Obdachlosen steht. „Das A und O sind Betreuung und Hilfsangebote, damit diejenigen, die Hilfe brauchen, die Angebote auch wahrnehmen können. Man kann Wohnungslosen Zuwendung schenken und sollte sie nicht ausgrenzen. Die Obdachlose, die ich kenne, sagt, dass ihr das schon hilft“, fügt die 53-Jährige hinzu.