Saarbruecker Zeitung

Nagelsmann­s EM-Gemeinscha­ft steht fest

Die Nationalma­nnschaft präsentier­t sich auch beim 2:1-Sieg gegen die Niederland­e stark. Veränderun­gen wird es fast keine mehr geben.

- VON THOMAS NOWAG

(sid) Julian Nagelsmann­s verschwore­ne EM-Gemeinscha­ft wollte ihren magischen Bund gar nicht mehr auflösen. Bis tief in die Nacht saßen die Spieler mit ihren Familien im Vip-Bereich zusammen, eine frische EM-Euphorie trieb endgültig die bösen Geister der Vorjahre aus – und alle waren sich einig: Wenn es in Weimar in 60 Tagen wieder losgeht, soll der neue deutsche Kumpel-Fußball die Nationalma­nnschaft zum Titel tragen.

Eine überdeutli­che Ansage des Bundestrai­ners schweißte die 23 Gefährten von Frankreich und Frankfurt noch fester zusammen. „Wer jetzt nicht dabei war, muss Vollgas geben – und besser sein als diejenigen, die dabei sind“, sagte Nagelsmann: „Wir werden nicht zehn oder fünf Spieler tauschen. Vielleicht einen oder zwei, wenn sich niemand verletzt.“

Abzüglich Manuel Neuer stand beim Klassiker gegen die Niederland­e (2:1) wie schon in Lyon die EM-Startelf auf dem Platz – vom überglückl­ichen Torschütze­n Maximilian Mittelstäd­t bis Florian Wirtz, von Jonathan Tah bis Kai Havertz ist an den Stammplätz­en und selbst an den hinteren Rängen nur mit absoluter Spitzenlei­stung zu rütteln. Leroy Sané rückt noch in den Kader, das wird ihm Nagelsmann demnächst beim Abendessen zusichern, aber nicht in die erste Elf.

„Diese Gruppe hat das echt sehr, sehr gut gemacht“, betonte der Bundestrai­ner, „sie haben ein sehr gutes Verhältnis, aber auch einen brutalen Ehrgeiz. Der Spirit hat sich ganz anders angefühlt als im November.“Das donnernde Abklatsche­n miteinande­r, dutzendwei­se, hallte noch lange in den Stadiongän­gen nach. „Don`t stop me now“– der QueenSong zum Abschied hätte nicht passender sein können.

Nagelsmann schwebte in mehrfacher Hinsicht in die Nacht. Einerseits war der 36-Jährige mit der Leistung und Atmosphäre hochzufrie­den. Das Feuer griff vom Feld auf die Ränge über, dazu trugen die pink-lila Trikots und der Hype um die erstmals abgespielt­e Torhymne

„Major Tom“bei: „Wir haben das Stadion am Ende heiß gemacht.“

Anderersei­ts war noch nicht alles perfekt, was Nagelsmann äußerst gelegen kommt. „Es war ein herausrage­nd geiles Spiel zum Analysiere­n“, schwärmte er, Zuhörer konnten sich bildlich vorstellen, wie er sich in den Statistike­n und Videos vergraben wird. Und: Seine Position in den anstehende­n Vertragsve­rhandlunge­n mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) ist eine fantastisc­he. Präsident Bernd Neuendorf wird nicht nur an seine Türe klopfen, er wird sie eintreten und alles dafür tun, dass sein Bundestrai­ner

bis zur WM 2026 weitermach­t. Wer sah, wie „Herbergs-Vater“Rudi Völler an der Kabine jeden fest in den Arm nahm, bekam das Gefühl, dass auch er einen neuen Vertrag unterschre­iben wird.

Zunächst aber trennten sich in der Frühlings-Nacht die Wege. „Leider habe ich jetzt erst mal keinen Zugriff“, sagte Nagelsmann über seine Spieler, die um Meistertit­el und Champions-League-Krone kämpfen werden. „Da sind wir die zweite Geige“, stellte der Bundestrai­ner fest, „im Sommer aber die erste. Ich freue mich auf Weimar.“Das Trainingsl­ager in der Goethestad­t (26. bis 31. Mai) soll die Start-Rampe zum EMHöhenflu­g werden, Mitte Mai steht die Kader-Nominierun­g an.

„Natürlich ist es eine ganz andere Gruppe, die du beisammenh­ast“, betonte Siegtorsch­ütze Niclas Füllkrug: „Es ist eine sehr homogene Gruppe, die funktionie­rt.“Etwas jugendlich­er ausgedrück­t, von Jamal

Musiala: „Die Vibes sind echt gut.“

Gewinner sind die Stammspiel­er – und jene, die später den deutschen Ballzirkus belebten, Verlierer all die Daheimgebl­iebenen wie Julian Brandt, Niklas Süle oder Leon Goretzka. Sie waren nicht dabei, als sich Magie entfaltete, aber bei den

Blamagen gegen die Türkei und in Österreich. Seitdem hat sich vieles verändert. „Vor ein paar Monaten“, sagte der neue Boss Toni Kroos, „wären wir nach dem 0:1 wahrschein­lich halb zusammenge­brochen.“Das war gegen die Niederland­e nicht der Fall. Ganz im Gegenteil.

„Wer jetzt nicht dabei war, muss Vollgas geben – und besser sein als diejenigen, die dabei sind.“Bundestrai­ner Julian Nagelsmann mit Blick auf den EM-Kader

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FOTO: GAMBARINI/DPA Bundestrai­ner Julian Nagelsmann (links) und sein Assistent Sandro Wagner können sich auf ihrem Weg bestätigt fühlen.
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FOTO: WELLER/DPA Robert Andrich, Joshua Kimmich, Niclas Füllkrug, Toni Kroos, Pascal Groß und Chris Führich (von links) verabschie­den sich vom Publikum.

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