Nagelsmanns EM-Gemeinschaft steht fest
Die Nationalmannschaft präsentiert sich auch beim 2:1-Sieg gegen die Niederlande stark. Veränderungen wird es fast keine mehr geben.
(sid) Julian Nagelsmanns verschworene EM-Gemeinschaft wollte ihren magischen Bund gar nicht mehr auflösen. Bis tief in die Nacht saßen die Spieler mit ihren Familien im Vip-Bereich zusammen, eine frische EM-Euphorie trieb endgültig die bösen Geister der Vorjahre aus – und alle waren sich einig: Wenn es in Weimar in 60 Tagen wieder losgeht, soll der neue deutsche Kumpel-Fußball die Nationalmannschaft zum Titel tragen.
Eine überdeutliche Ansage des Bundestrainers schweißte die 23 Gefährten von Frankreich und Frankfurt noch fester zusammen. „Wer jetzt nicht dabei war, muss Vollgas geben – und besser sein als diejenigen, die dabei sind“, sagte Nagelsmann: „Wir werden nicht zehn oder fünf Spieler tauschen. Vielleicht einen oder zwei, wenn sich niemand verletzt.“
Abzüglich Manuel Neuer stand beim Klassiker gegen die Niederlande (2:1) wie schon in Lyon die EM-Startelf auf dem Platz – vom überglücklichen Torschützen Maximilian Mittelstädt bis Florian Wirtz, von Jonathan Tah bis Kai Havertz ist an den Stammplätzen und selbst an den hinteren Rängen nur mit absoluter Spitzenleistung zu rütteln. Leroy Sané rückt noch in den Kader, das wird ihm Nagelsmann demnächst beim Abendessen zusichern, aber nicht in die erste Elf.
„Diese Gruppe hat das echt sehr, sehr gut gemacht“, betonte der Bundestrainer, „sie haben ein sehr gutes Verhältnis, aber auch einen brutalen Ehrgeiz. Der Spirit hat sich ganz anders angefühlt als im November.“Das donnernde Abklatschen miteinander, dutzendweise, hallte noch lange in den Stadiongängen nach. „Don`t stop me now“– der QueenSong zum Abschied hätte nicht passender sein können.
Nagelsmann schwebte in mehrfacher Hinsicht in die Nacht. Einerseits war der 36-Jährige mit der Leistung und Atmosphäre hochzufrieden. Das Feuer griff vom Feld auf die Ränge über, dazu trugen die pink-lila Trikots und der Hype um die erstmals abgespielte Torhymne
„Major Tom“bei: „Wir haben das Stadion am Ende heiß gemacht.“
Andererseits war noch nicht alles perfekt, was Nagelsmann äußerst gelegen kommt. „Es war ein herausragend geiles Spiel zum Analysieren“, schwärmte er, Zuhörer konnten sich bildlich vorstellen, wie er sich in den Statistiken und Videos vergraben wird. Und: Seine Position in den anstehenden Vertragsverhandlungen mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) ist eine fantastische. Präsident Bernd Neuendorf wird nicht nur an seine Türe klopfen, er wird sie eintreten und alles dafür tun, dass sein Bundestrainer
bis zur WM 2026 weitermacht. Wer sah, wie „Herbergs-Vater“Rudi Völler an der Kabine jeden fest in den Arm nahm, bekam das Gefühl, dass auch er einen neuen Vertrag unterschreiben wird.
Zunächst aber trennten sich in der Frühlings-Nacht die Wege. „Leider habe ich jetzt erst mal keinen Zugriff“, sagte Nagelsmann über seine Spieler, die um Meistertitel und Champions-League-Krone kämpfen werden. „Da sind wir die zweite Geige“, stellte der Bundestrainer fest, „im Sommer aber die erste. Ich freue mich auf Weimar.“Das Trainingslager in der Goethestadt (26. bis 31. Mai) soll die Start-Rampe zum EMHöhenflug werden, Mitte Mai steht die Kader-Nominierung an.
„Natürlich ist es eine ganz andere Gruppe, die du beisammenhast“, betonte Siegtorschütze Niclas Füllkrug: „Es ist eine sehr homogene Gruppe, die funktioniert.“Etwas jugendlicher ausgedrückt, von Jamal
Musiala: „Die Vibes sind echt gut.“
Gewinner sind die Stammspieler – und jene, die später den deutschen Ballzirkus belebten, Verlierer all die Daheimgebliebenen wie Julian Brandt, Niklas Süle oder Leon Goretzka. Sie waren nicht dabei, als sich Magie entfaltete, aber bei den
Blamagen gegen die Türkei und in Österreich. Seitdem hat sich vieles verändert. „Vor ein paar Monaten“, sagte der neue Boss Toni Kroos, „wären wir nach dem 0:1 wahrscheinlich halb zusammengebrochen.“Das war gegen die Niederlande nicht der Fall. Ganz im Gegenteil.
„Wer jetzt nicht dabei war, muss Vollgas geben – und besser sein als diejenigen, die dabei sind.“Bundestrainer Julian Nagelsmann mit Blick auf den EM-Kader