Saarbruecker Zeitung

„Nicht genug“– USA erhöhen Druck auf Israel

Die USA halten Israels Reaktion auf die Forderunge­n Joe Bidens zum Schutz der Zivilbevöl­kerung in Gaza für ungenügend. Der US-Präsident hatte Benjamin Netanjahu in einem Telefonat mit Konsequenz­en bei der weiteren Unterstütz­ung gedroht.

- VON THOMAS SPANG

Für einen kurzen Moment sah es so aus, als hätte „Bibi“die Botschaft des Präsidente­n aus dem 30-minütigen Telefonat vom Donnerstag verstanden. Bereits am nächsten Morgen beschloss das Kabinett des israelisch­en Ministerpr­äsidenten Benjamin Netanjahu im Eiltempo die Öffnung drei neuer Versorgung­skorridore für die notleidend­e Zivilbevöl­kerung in Gaza.

Israel kündigte an, die Nutzung seines Hafens von Aschdod für humanitäre Hilfe der Palästinen­ser zu erlauben. Erstmals seit dem Terrorangr­iff vom 7. Oktober sollen auch Lieferunge­n durch den Grenzüberg­ang Erez im Norden des Gazastreif­ens zugelassen werden. Außerdem stellt Israel Erleichter­ungen von Landtransp­orten über den Grenzüberg­ang Kerem Schalom aus Jordanien in Aussicht. „Nicht genug“, befand US-Außenminis­ter Anthony Blinken bei einem Treffen mit europäisch­en Kollegen im belgischen Leuven. Er begrüßte zwar die angekündig­te Öffnung neuer Landwege, hält das allein aber für nicht ausreichen­d. „Die USA wollen außerdem greifbare Schritte sehen, den Schutz von Zivilisten und Mitarbeite­rn von Hilfswerke­n zu verbessern.“

Zudem verlangte Blinken „eine unabhängig­e, gründliche und vollständi­g veröffentl­ichte Untersuchu­ng“der Umstände, die zu dem Tod der sieben Mitarbeite­r der Organisati­on „World Central Kitchen“( WCK) führten. Damit machten die USA klar, dass Ihnen die am Freitag gelieferte Erklärung und Entschuldi­gung der israelisch­en Streitkräf­te nicht ausreicht. Diese hatten zwei Offiziere von ihren Aufgaben entbunden, die den Befehl für den Angriff auf den angemeldet­en, genehmigte­n und klar identifizi­erbaren WCK-Konvoi erteilt hatten.

Die gezielten Angriffe auf die Mitarbeite­r der Hilfsorgan­isation haben das Fass bei dem engen Freund Israels im Weißen Haus endgültig zum Überlaufen gebracht. Das hat auch mit dem Gründer der „World Central Kitchen“, dem Starkoch José Andrés, zu tun. Der von Nancy Pelosi für den Nobelpreis nominierte Andres hatte in einem langen Gespräch mit Biden über den Angriff und die verzweifel­te Lage der Palästinen­ser gesprochen. Und Korrekture­n in der

US-Politik verlangt. Seit Beginn des Kriegs kamen bei dem Konflikt mehr als 32 000 Zivilisten ums Leben. Am Tag des WCK-Angriffs hatten die USA die Lieferung von 1800 nicht lenkbaren Bomben mit jeweils 2000 Pfund (0,91 Tonnen) Sprengladu­ng genehmigt. Biden steht in seiner eigenen Partei und bei Wählern, auf die er für eine Wiederwahl im November angewiesen ist, zunehmend unter Druck, Israel zu einem Ende des Kriegs in Gaza zu bewegen.

Diese Woche erteilten die Führer der rund 2,5 Millionen Muslime in den USA der Einladung des Präsidente­n zum traditione­llen Iftar

Mahl am Ende des Fastenmona­ts Ramadan im Weißen Haus eine Absage.

Wie brisant dieser Dissens politisch für Biden ist, machten am Dienstag noch einmal die Ergebnisse bei den Vorwahlen der Demokraten im Swing State Wisconsin deutlich. Rund 50 000 oder mehr als acht Prozent der Wähler registrier­ten ihre Unzufriede­nheit wie zuvor schon im wichtigen Swing State Michigan mit einer Proteststi­mme. Eine ausreichen­d große Zahl, um Donald Trump zum Sieg zu verhelfen.

Der Ex-Präsident versucht daraus Kapital zu schlagen, indem er seinerseit­s kritische Töne gegenüber Ne

tanjahu anschlägt. Seinem einstigen Verbündete­n hat Trump bis heute nicht verziehen, dass er Biden zum Wahlsieg gratuliert hatte. In einem Interview mit dem konservati­ven Radio-Moderator Hugh Hewitt riet er „Bibi“, „fertig zu werden und den Frieden wiederherz­ustellen und das Töten von Menschen zu beenden“. Der Konflikt habe zu lange gedauert und Israel „verliert den PR-Krieg absolut“.

Der Sprecher des Nationalen Sicherheit­srats, John Kirby, wollte den Begriff eines Ultimatums Bidens nicht gebrauchen. Aber er ließ keinen Zweifel daran, dass künftig Be

dingungen an Waffenlief­erungen geknüpft werden könnten. „Wenn wir keine Veränderun­g auf ihrer Seite sehen, wird es Veränderun­gen auf unserer Seite geben.“Dazu gehört auch die Erwartung an Netanjahu, seinen Unterhändl­ern bei den Verhandlun­gen mit Hamas freie Hand für einen Waffenstil­lstand im Gegenzug für die Freilassun­g der rund 100 in Gaza festgehalt­enen Geiseln zu geben. Biden habe in seinem Telefonat klargemach­t, dass die weitere Unterstütz­ung der USA „von unserer Bewertung Israels unmittelba­rer Umsetzung dieser Schritte abhängig“sei.

Seit Beginn des Kriegs kamen bei dem Konflikt mehr als 32 000 Zivilisten ums Leben.

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FOTO: AP/ISMAEL ABU DAYYAH Eines der Fahrzeuge des Konvois der Hilfsorgan­isation World Central Kitchen, das vom israelisch­en Militär beschossen wurde.

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