„Nicht genug“– USA erhöhen Druck auf Israel
Die USA halten Israels Reaktion auf die Forderungen Joe Bidens zum Schutz der Zivilbevölkerung in Gaza für ungenügend. Der US-Präsident hatte Benjamin Netanjahu in einem Telefonat mit Konsequenzen bei der weiteren Unterstützung gedroht.
Für einen kurzen Moment sah es so aus, als hätte „Bibi“die Botschaft des Präsidenten aus dem 30-minütigen Telefonat vom Donnerstag verstanden. Bereits am nächsten Morgen beschloss das Kabinett des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu im Eiltempo die Öffnung drei neuer Versorgungskorridore für die notleidende Zivilbevölkerung in Gaza.
Israel kündigte an, die Nutzung seines Hafens von Aschdod für humanitäre Hilfe der Palästinenser zu erlauben. Erstmals seit dem Terrorangriff vom 7. Oktober sollen auch Lieferungen durch den Grenzübergang Erez im Norden des Gazastreifens zugelassen werden. Außerdem stellt Israel Erleichterungen von Landtransporten über den Grenzübergang Kerem Schalom aus Jordanien in Aussicht. „Nicht genug“, befand US-Außenminister Anthony Blinken bei einem Treffen mit europäischen Kollegen im belgischen Leuven. Er begrüßte zwar die angekündigte Öffnung neuer Landwege, hält das allein aber für nicht ausreichend. „Die USA wollen außerdem greifbare Schritte sehen, den Schutz von Zivilisten und Mitarbeitern von Hilfswerken zu verbessern.“
Zudem verlangte Blinken „eine unabhängige, gründliche und vollständig veröffentlichte Untersuchung“der Umstände, die zu dem Tod der sieben Mitarbeiter der Organisation „World Central Kitchen“( WCK) führten. Damit machten die USA klar, dass Ihnen die am Freitag gelieferte Erklärung und Entschuldigung der israelischen Streitkräfte nicht ausreicht. Diese hatten zwei Offiziere von ihren Aufgaben entbunden, die den Befehl für den Angriff auf den angemeldeten, genehmigten und klar identifizierbaren WCK-Konvoi erteilt hatten.
Die gezielten Angriffe auf die Mitarbeiter der Hilfsorganisation haben das Fass bei dem engen Freund Israels im Weißen Haus endgültig zum Überlaufen gebracht. Das hat auch mit dem Gründer der „World Central Kitchen“, dem Starkoch José Andrés, zu tun. Der von Nancy Pelosi für den Nobelpreis nominierte Andres hatte in einem langen Gespräch mit Biden über den Angriff und die verzweifelte Lage der Palästinenser gesprochen. Und Korrekturen in der
US-Politik verlangt. Seit Beginn des Kriegs kamen bei dem Konflikt mehr als 32 000 Zivilisten ums Leben. Am Tag des WCK-Angriffs hatten die USA die Lieferung von 1800 nicht lenkbaren Bomben mit jeweils 2000 Pfund (0,91 Tonnen) Sprengladung genehmigt. Biden steht in seiner eigenen Partei und bei Wählern, auf die er für eine Wiederwahl im November angewiesen ist, zunehmend unter Druck, Israel zu einem Ende des Kriegs in Gaza zu bewegen.
Diese Woche erteilten die Führer der rund 2,5 Millionen Muslime in den USA der Einladung des Präsidenten zum traditionellen Iftar
Mahl am Ende des Fastenmonats Ramadan im Weißen Haus eine Absage.
Wie brisant dieser Dissens politisch für Biden ist, machten am Dienstag noch einmal die Ergebnisse bei den Vorwahlen der Demokraten im Swing State Wisconsin deutlich. Rund 50 000 oder mehr als acht Prozent der Wähler registrierten ihre Unzufriedenheit wie zuvor schon im wichtigen Swing State Michigan mit einer Proteststimme. Eine ausreichend große Zahl, um Donald Trump zum Sieg zu verhelfen.
Der Ex-Präsident versucht daraus Kapital zu schlagen, indem er seinerseits kritische Töne gegenüber Ne
tanjahu anschlägt. Seinem einstigen Verbündeten hat Trump bis heute nicht verziehen, dass er Biden zum Wahlsieg gratuliert hatte. In einem Interview mit dem konservativen Radio-Moderator Hugh Hewitt riet er „Bibi“, „fertig zu werden und den Frieden wiederherzustellen und das Töten von Menschen zu beenden“. Der Konflikt habe zu lange gedauert und Israel „verliert den PR-Krieg absolut“.
Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, wollte den Begriff eines Ultimatums Bidens nicht gebrauchen. Aber er ließ keinen Zweifel daran, dass künftig Be
dingungen an Waffenlieferungen geknüpft werden könnten. „Wenn wir keine Veränderung auf ihrer Seite sehen, wird es Veränderungen auf unserer Seite geben.“Dazu gehört auch die Erwartung an Netanjahu, seinen Unterhändlern bei den Verhandlungen mit Hamas freie Hand für einen Waffenstillstand im Gegenzug für die Freilassung der rund 100 in Gaza festgehaltenen Geiseln zu geben. Biden habe in seinem Telefonat klargemacht, dass die weitere Unterstützung der USA „von unserer Bewertung Israels unmittelbarer Umsetzung dieser Schritte abhängig“sei.
Seit Beginn des Kriegs kamen bei dem Konflikt mehr als 32 000 Zivilisten ums Leben.