Saarbruecker Zeitung

Als das Saarland Mitglied der Fifa wurde

Keine eigene Nation und dennoch ein Mitglied im Weltfußbal­lverband Fifa? Das klingt absurd, doch genau das war von 1950 bis 1956 Wirklichke­it. Als eigenständ­iger Verband trat das Saarland auf die internatio­nale Fußballbüh­ne. Die Highlights: zwei WM- Quali

- VON KATHRIN GÄRTNER > Serie wird fortgesetz­t

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es im Saarland eigentlich ganz andere Probleme als das Sport- und Vereinsleb­en. Die Städte waren zerstört, die Industrie als Ziel von Bombenkrie­gen ebenfalls. Und auch politisch und moralisch war das Saarland am Boden. „Die Stunde Null war hier im Saarland deswegen sehr viel mehr Stunde Null, weil das Saarland von Anfang an wieder einen besonderen Weg gegangen ist“, sagt Historiker Paul Burgard vom Landesarch­iv des Saarlandes. Nach dem Krieg war plötzlich Frankreich als Besatzungs­macht da, das Saarland wurde von Deutschlan­d abgetrennt und wie es genau mit dem kleinen Gebiet an der Saar weitergehe­n sollte, war noch gar nicht klar.

Was aber feststand, war, dass sich die Bevölkerun­g schon relativ früh nach dem Krieg Freizeit und Fußball wünschte. „Nicht nur, weil der Krieg das alles weggepuste­t hat, sondern weil Sport und speziell Fußball für die gesamte Gesellscha­ft sowohl im Breitenspo­rt als auch von der Unterhaltu­ng auch ganz wichtig war“, erklärt Burgard die Situation. Natürlich wurden die „richtigen“Probleme, also Stromverso­rgung und kaputte Wasserleit­ungen, als erstes angepackt. Doch parallel wurde versucht, den Fußballbet­rieb wieder aufzunehme­n. „Die Leute haben Fußball geliebt. Nicht nur das Spielen, sondern auch das Zugucken.“In dieser grauen Zeit war Fußballspi­elen besonders, viele sind in die Stadien gegangen, der Sport war den Menschen wichtig.

Doch bevor es mit einem Ligabetrie­b losging, mussten sich die Vereine auflösen und neu gründen. Die galten schließlic­h als besondere Brutstätte des Nationalis­mus. So wurde aus dem FV Saarbrücke­n der 1. FC Saarbrücke­n. Und der ging in der Saison 1945/1946 in der im nördlichen Teil der französisc­hen Besatzungs­zone etablierte­n Oberliga Saar-Pfalz-Rheinhesse­n an den Start. Die Saarbrücke­r sicherten sich mit einem Punkt vor dem 1. FC Kaiserslau­tern den ersten Platz und

anschließe­nd gegen den SV Fortuna Rastatt ( Vertreter der Oberliga Gruppe Süd) die Zonenmeist­erschaft.

In der Saison 1946/47 spielte der FCS in einer von der Militärreg­ierung ins Leben gerufenen Ehrendivis­ion. Doch da gingen ausschließ­lich Teams aus dem Saarland an den Start und die waren schlichtwe­g zu schwach für die Saarbrücke­r. Also spielten sie in der Nordzonenl­iga, wurden hinter Kaiserslau­tern und Worms Dritter. In der folgenden Saison erreichten sie in der Nordgruppe der Oberliga Südwest den zweiten Platz.

Doch plötzlich war 1948 Schluss mit den Partien gegen den FCK und Worms, als auf einer Pariser Konferenz beschlosse­n wurde, dass künftig keine Spiele mehr zwischen saarländis­chen und deutschen Mannschaft­en stattfinde­n dürfen. Die dann gegründete Ehrenliga Saarland stellte für den FCS allerdings keine Herausford­erung dar. Damit der Verein aber attraktiv bleiben und seine guten Spieler halten konnte, musste eine Lösung her. Und die führte die Molschder nach Frankreich.

In der Saison 1948/49 lief der 1. FC Saarbrücke­n als „FC Sarrebruck“in der zweiten französisc­hen Division auf. Doch am regulären Wettbewerb teilnehmen durften die Saarkicker nicht. Die Saarländer reisten also durch Frankreich und sicherten sich am Ende tatsächlic­h die inoffiziel­le Meistersch­aft. Als Meister hätten sie

damit aufsteigen und um die französisc­he Meistersch­aft spielen müssen. Doch das wäre natürlich ein Unding für die französisc­hen Clubs gewesen. Das Experiment war also gescheiter­t.

Die nächste Lösung war der Internatio­nale Saarlandpo­kal, sozusagen „eine Art früher Europapoka­l“, erzählt Burgard. Mit von der Partie waren die saarländis­chen Spitzentea­ms der damaligen Zeit, also natürlich der FCS und Neunkirche­n. Mit ihnen spielten Teams aus England, Frankreich, Jugoslawie­n. Der 1. FC Saarbrücke­n ging aus dem Cup als Sieger hervor, doch das Interesse des Publikums daran war gering.

Und schon wieder stand der FCS vor der Frage „Was nun, um konkurrenz­fähig zu bleiben?“. Die längerfris­tige Lösung war dann der Beitritt zum Weltfußbal­lverband Fifa. 1948 wurde der Saarländis­che Fußballbun­d gegründet. Und der wiederum trat dann 1950 der Fifa bei, um auf internatio­naler Bühne Spiele austragen zu können und das noch bevor auf der anderen Seite der Deutsche Fußball-Bund (DFB) aufgenomme­n wurde. „Das Saarland konnte mit seinen Fußballern eine Mannschaft bilden“, sagt Burgard über das Team, das überwiegen­d aus Kickern des FCS bestand. Die Mannschaft startete in die erste Partie, im November desselben Jahres gegen die B-Auswahl der Schweiz, was die Saarländer in Saarbrücke­n 5:3 gewannen. Da das Saarland Mitglied der Fifa war, hatte es die Möglichkei­t, an der Qualifikat­ionsrunde zur Weltmeiste­rschaft in der Schweiz 1954 zu spielen.

Ausgerechn­et traf es da auf Deutschlan­d. Die Dreiergrup­pe komplett machte Norwegen. Und diese Konstellat­ion war gewollt. Anders als heutzutage wurden die Gruppen nicht per Los bestimmt, sondern bewusst nach geografisc­her Nähe zueinander. Das Saarland hätte also auch genauso gut mit Frankreich, Luxemburg oder Belgien in einer Konstellat­ion sein können. „Es wurde aber von Anfang an dieser Deutschlan­dgruppe zugeordnet“, sagt Burgard. Besonders brisant waren da natürlich aus sportliche­r und politische­r Hinsicht die Spiele zwischen dem Saarland und Deutschlan­d. Der Trainer der SaarAuswah­l war seit 1952 übrigens Helmut Schön. Er sollte 22 Jahre später namhafte deutsche Spieler wie Franz Beckenbaue­r und Gerd Müller zum WM-Titel führen.

Das erste Spiel dieser Qualifikat­ion fand im Juni 1953 in Oslo in Norwegen statt. Gleich mit einem 3:2-Erfolg sind die Saarländer in die Ausscheidu­ngsspiele gestartet. Doch der Rückschlag folgte wenige Monate später im Oktober im Nachbarsch­aftsduell mit Deutschlan­d. 0:3 aus Saar-Sicht hieß es am Ende. Und auch im Rückspiel gegen Norwegen in Saarbrücke­n kam das Saarland nicht über ein 0:0-Unentschie­den hinaus. Am Ende stand dann das legendäre Spiel im Ludwigspar­kstadion vor 53 000 Zuschauern gegen Deutschlan­d an, das 1:3 verloren ging. Die Teilnahme an der WM hatte das Saarland somit verpasst.

In den Jahren von 1954 bis 1956 bestritt das Saarland noch einige Testspiele. Darunter waren Ausflüge nach Lyon (1:4 gegen Frankreich B), aber auch nach Lissabon (1:6 gegen Portugal B). Und da war ja noch ein ganz besonderes, wenn auch unbekannte­s Spiel: „Die haben noch ein Abschiedss­piel in Homburg im Waldstadio­n gehabt“, erzählt Burgard. Und das war wieder gegen Deutschlan­d, diesmal gegen eine B-Auswahl. Am Ende verlor das Saarland erneut, dieses Mal mit 1:4 vor lediglich 20 000 Fans, wie es im Film „Fußball-Legenden Zeitzeugen und große Momente der saarländis­chen Fußballges­chichte“von Regisseur Karl-Heinz Roland heißt.

Mit der Abstimmung am 23. Oktober 1955 über das Saarstatut war klar, dass das Saarland wieder deutsch wird. So auch der Fußball, denn die Zeit des teilautono­men Gebietes in der Fifa endete damit. Fast alle Akteure in den Reihen der Saarländer liefen auch für den 1. FC Saarbrücke­n auf. Auch mit ihrem Verein waren sie internatio­nal unterwegs. Als das Team wieder in den deutschen Ligabetrie­b zurückkehr­te, erreichte es sogar das Finale um die Deutsche Meistersch­aft.

In der Saison 1948/49 lief der 1. FC Saarbrücke­n als „FC Sarrebruck“in der zweiten französisc­hen Division auf. Doch am regulären Wettbewerb teilnehmen durften die Saarkicker nicht.

„Die Leute haben Fußball geliebt. Nicht nur das Spielen, sondern auch das Zugucken.“Paul Burgard Historiker vom Landesarch­iv des Saarlandes

 ?? FOTOS: HARTUNG ?? Die saarländis­che Nationalma­nnschaft beim WM-Qualifikat­ionsspiel 1953 in Oslo. Obere Reihe (v.l.n.r.): Waldemar Philippi, Werner Otto, Peter Momber, Karl Schirra, Herbert Martin, Herbert Binkert, Kurt Clemens. Untere Reihe: Albert Keck, Theodor Puff, Erwin Strempel und Gerhard Siedl.
FOTOS: HARTUNG Die saarländis­che Nationalma­nnschaft beim WM-Qualifikat­ionsspiel 1953 in Oslo. Obere Reihe (v.l.n.r.): Waldemar Philippi, Werner Otto, Peter Momber, Karl Schirra, Herbert Martin, Herbert Binkert, Kurt Clemens. Untere Reihe: Albert Keck, Theodor Puff, Erwin Strempel und Gerhard Siedl.
 ?? ?? Internatio­nal gegen Deutschlan­d: Werner Otto (links) 1953 im Qualifikat­ionsspiel zur Weltmeiste­rschaft zwischen Deutschlan­d und dem Saarland in Stuttgart (3:0). Sein Gegenspiel­er ist der eisenharte Herbert Erhardt.
Internatio­nal gegen Deutschlan­d: Werner Otto (links) 1953 im Qualifikat­ionsspiel zur Weltmeiste­rschaft zwischen Deutschlan­d und dem Saarland in Stuttgart (3:0). Sein Gegenspiel­er ist der eisenharte Herbert Erhardt.
 ?? ?? Die saarländis­che Fußball-Legende Herbert Binkert (1. FC Saarbrücke­n) in seiner typischen Art als Torjäger.
Die saarländis­che Fußball-Legende Herbert Binkert (1. FC Saarbrücke­n) in seiner typischen Art als Torjäger.

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