Als das Saarland Mitglied der Fifa wurde
Keine eigene Nation und dennoch ein Mitglied im Weltfußballverband Fifa? Das klingt absurd, doch genau das war von 1950 bis 1956 Wirklichkeit. Als eigenständiger Verband trat das Saarland auf die internationale Fußballbühne. Die Highlights: zwei WM- Quali
Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es im Saarland eigentlich ganz andere Probleme als das Sport- und Vereinsleben. Die Städte waren zerstört, die Industrie als Ziel von Bombenkriegen ebenfalls. Und auch politisch und moralisch war das Saarland am Boden. „Die Stunde Null war hier im Saarland deswegen sehr viel mehr Stunde Null, weil das Saarland von Anfang an wieder einen besonderen Weg gegangen ist“, sagt Historiker Paul Burgard vom Landesarchiv des Saarlandes. Nach dem Krieg war plötzlich Frankreich als Besatzungsmacht da, das Saarland wurde von Deutschland abgetrennt und wie es genau mit dem kleinen Gebiet an der Saar weitergehen sollte, war noch gar nicht klar.
Was aber feststand, war, dass sich die Bevölkerung schon relativ früh nach dem Krieg Freizeit und Fußball wünschte. „Nicht nur, weil der Krieg das alles weggepustet hat, sondern weil Sport und speziell Fußball für die gesamte Gesellschaft sowohl im Breitensport als auch von der Unterhaltung auch ganz wichtig war“, erklärt Burgard die Situation. Natürlich wurden die „richtigen“Probleme, also Stromversorgung und kaputte Wasserleitungen, als erstes angepackt. Doch parallel wurde versucht, den Fußballbetrieb wieder aufzunehmen. „Die Leute haben Fußball geliebt. Nicht nur das Spielen, sondern auch das Zugucken.“In dieser grauen Zeit war Fußballspielen besonders, viele sind in die Stadien gegangen, der Sport war den Menschen wichtig.
Doch bevor es mit einem Ligabetrieb losging, mussten sich die Vereine auflösen und neu gründen. Die galten schließlich als besondere Brutstätte des Nationalismus. So wurde aus dem FV Saarbrücken der 1. FC Saarbrücken. Und der ging in der Saison 1945/1946 in der im nördlichen Teil der französischen Besatzungszone etablierten Oberliga Saar-Pfalz-Rheinhessen an den Start. Die Saarbrücker sicherten sich mit einem Punkt vor dem 1. FC Kaiserslautern den ersten Platz und
anschließend gegen den SV Fortuna Rastatt ( Vertreter der Oberliga Gruppe Süd) die Zonenmeisterschaft.
In der Saison 1946/47 spielte der FCS in einer von der Militärregierung ins Leben gerufenen Ehrendivision. Doch da gingen ausschließlich Teams aus dem Saarland an den Start und die waren schlichtweg zu schwach für die Saarbrücker. Also spielten sie in der Nordzonenliga, wurden hinter Kaiserslautern und Worms Dritter. In der folgenden Saison erreichten sie in der Nordgruppe der Oberliga Südwest den zweiten Platz.
Doch plötzlich war 1948 Schluss mit den Partien gegen den FCK und Worms, als auf einer Pariser Konferenz beschlossen wurde, dass künftig keine Spiele mehr zwischen saarländischen und deutschen Mannschaften stattfinden dürfen. Die dann gegründete Ehrenliga Saarland stellte für den FCS allerdings keine Herausforderung dar. Damit der Verein aber attraktiv bleiben und seine guten Spieler halten konnte, musste eine Lösung her. Und die führte die Molschder nach Frankreich.
In der Saison 1948/49 lief der 1. FC Saarbrücken als „FC Sarrebruck“in der zweiten französischen Division auf. Doch am regulären Wettbewerb teilnehmen durften die Saarkicker nicht. Die Saarländer reisten also durch Frankreich und sicherten sich am Ende tatsächlich die inoffizielle Meisterschaft. Als Meister hätten sie
damit aufsteigen und um die französische Meisterschaft spielen müssen. Doch das wäre natürlich ein Unding für die französischen Clubs gewesen. Das Experiment war also gescheitert.
Die nächste Lösung war der Internationale Saarlandpokal, sozusagen „eine Art früher Europapokal“, erzählt Burgard. Mit von der Partie waren die saarländischen Spitzenteams der damaligen Zeit, also natürlich der FCS und Neunkirchen. Mit ihnen spielten Teams aus England, Frankreich, Jugoslawien. Der 1. FC Saarbrücken ging aus dem Cup als Sieger hervor, doch das Interesse des Publikums daran war gering.
Und schon wieder stand der FCS vor der Frage „Was nun, um konkurrenzfähig zu bleiben?“. Die längerfristige Lösung war dann der Beitritt zum Weltfußballverband Fifa. 1948 wurde der Saarländische Fußballbund gegründet. Und der wiederum trat dann 1950 der Fifa bei, um auf internationaler Bühne Spiele austragen zu können und das noch bevor auf der anderen Seite der Deutsche Fußball-Bund (DFB) aufgenommen wurde. „Das Saarland konnte mit seinen Fußballern eine Mannschaft bilden“, sagt Burgard über das Team, das überwiegend aus Kickern des FCS bestand. Die Mannschaft startete in die erste Partie, im November desselben Jahres gegen die B-Auswahl der Schweiz, was die Saarländer in Saarbrücken 5:3 gewannen. Da das Saarland Mitglied der Fifa war, hatte es die Möglichkeit, an der Qualifikationsrunde zur Weltmeisterschaft in der Schweiz 1954 zu spielen.
Ausgerechnet traf es da auf Deutschland. Die Dreiergruppe komplett machte Norwegen. Und diese Konstellation war gewollt. Anders als heutzutage wurden die Gruppen nicht per Los bestimmt, sondern bewusst nach geografischer Nähe zueinander. Das Saarland hätte also auch genauso gut mit Frankreich, Luxemburg oder Belgien in einer Konstellation sein können. „Es wurde aber von Anfang an dieser Deutschlandgruppe zugeordnet“, sagt Burgard. Besonders brisant waren da natürlich aus sportlicher und politischer Hinsicht die Spiele zwischen dem Saarland und Deutschland. Der Trainer der SaarAuswahl war seit 1952 übrigens Helmut Schön. Er sollte 22 Jahre später namhafte deutsche Spieler wie Franz Beckenbauer und Gerd Müller zum WM-Titel führen.
Das erste Spiel dieser Qualifikation fand im Juni 1953 in Oslo in Norwegen statt. Gleich mit einem 3:2-Erfolg sind die Saarländer in die Ausscheidungsspiele gestartet. Doch der Rückschlag folgte wenige Monate später im Oktober im Nachbarschaftsduell mit Deutschland. 0:3 aus Saar-Sicht hieß es am Ende. Und auch im Rückspiel gegen Norwegen in Saarbrücken kam das Saarland nicht über ein 0:0-Unentschieden hinaus. Am Ende stand dann das legendäre Spiel im Ludwigsparkstadion vor 53 000 Zuschauern gegen Deutschland an, das 1:3 verloren ging. Die Teilnahme an der WM hatte das Saarland somit verpasst.
In den Jahren von 1954 bis 1956 bestritt das Saarland noch einige Testspiele. Darunter waren Ausflüge nach Lyon (1:4 gegen Frankreich B), aber auch nach Lissabon (1:6 gegen Portugal B). Und da war ja noch ein ganz besonderes, wenn auch unbekanntes Spiel: „Die haben noch ein Abschiedsspiel in Homburg im Waldstadion gehabt“, erzählt Burgard. Und das war wieder gegen Deutschland, diesmal gegen eine B-Auswahl. Am Ende verlor das Saarland erneut, dieses Mal mit 1:4 vor lediglich 20 000 Fans, wie es im Film „Fußball-Legenden Zeitzeugen und große Momente der saarländischen Fußballgeschichte“von Regisseur Karl-Heinz Roland heißt.
Mit der Abstimmung am 23. Oktober 1955 über das Saarstatut war klar, dass das Saarland wieder deutsch wird. So auch der Fußball, denn die Zeit des teilautonomen Gebietes in der Fifa endete damit. Fast alle Akteure in den Reihen der Saarländer liefen auch für den 1. FC Saarbrücken auf. Auch mit ihrem Verein waren sie international unterwegs. Als das Team wieder in den deutschen Ligabetrieb zurückkehrte, erreichte es sogar das Finale um die Deutsche Meisterschaft.
In der Saison 1948/49 lief der 1. FC Saarbrücken als „FC Sarrebruck“in der zweiten französischen Division auf. Doch am regulären Wettbewerb teilnehmen durften die Saarkicker nicht.
„Die Leute haben Fußball geliebt. Nicht nur das Spielen, sondern auch das Zugucken.“Paul Burgard Historiker vom Landesarchiv des Saarlandes