Saarbruecker Zeitung

Weiter Debatte zu häufigem Martinshor­neinsatz

Nach der Berichters­tattung unserer Zeitung zu Ruhestörun­gen an der Kreuzung Saargemünd­er Straße und Julius-Kiefer-Straße wurde im Internet kräftig diskutiert. Nun hat sich auch der Zweckverba­nd für Rettungsdi­enst zum Thema geäußert.

- VON FRANK BREDEL

Die Berichters­tattung unserer Zeitung über das Problem häufigen Einsatzes von Martinshor­n an der Kreuzung Saargemünd­er Straße und Julius-KieferStra­ße hat eine Debatte über die Angemessen­heit von Fahrten mit Martinshor­n ausgelöst. Der Initiator der Plakatakti­on bestreitet dabei nicht, dass viele der Einsatzfah­rten notwendig sind und auch den Einsatz von Martinshor­n rechtferti­gen (wir berichtete­n).

In Sozialen Netzwerken und auf der Facebookse­ite unserer Zeitung wurde heftig diskutiert. SZ-Leser Ralf Baltes zeigte Verständni­s für die Aktion: „Ich verstehe den Anwohner. Es ist gerade in der Zeit von 22 bis 5 Uhr auch nicht notwendig, dort mit Martinshor­n über die Kreuzung zu fahren. Kurz mit Blaulicht anzuhalten (sollte man so oder so, weil die Kreuzung schlecht einsehbar ist) und dann weiter. So rettet man auch Leben und hat keinerlei Zeitverlus­t. Und bevor jetzt der Shitstorm los geht … ja ich weiß, dass man in der Theorie das Horn an haben muss. Theorie und Praxis gehen da nachts und zu verkehrssc­hwachen Zeiten aber weit auseinande­r – und ich spreche aus langer Erfahrung.“

Doch gab es viele, die diesem Leser widersprac­hen. Der ehemalige Feuerwehrm­ann Dieter Dillschnei­der schrieb: „Es gibt Menschen, die stören die Mücken an der Wand. Selbst nachts ist eine Einsatzfah­rt mit blauem Blinklicht und Martinshor­n durchzufüh­ren. Aus Ende.“

Vielfach wurde der Beschwerde­führer auch beleidigt, mehrere schrieben, man solle ihm im Notfall die Hilfe verweigern. Eindeutig waren unter den rund 200 Kommentare­n die Verständni­svollen in der Minderheit.

Dabei sehen Rettungspr­ofis die Angelegenh­eit durchaus differenzi­ert. Der Zweckverba­nd für Rettungsdi­enst und Feuerwehra­larmierung Saar (ZRF) als Träger des Saarländis­chen Rettungsdi­enstes hat auf Anfrage unserer Zeitung reagiert. Der ZRF betreibt die Rettungsle­itstelle auf dem Saarbrücke­r Winterberg und kann anhand seiner digitalen Datensätze nachvollzi­ehen, wann Fahrzeuge zu Notfällen fahren und zu welchen Kliniken. ZRF-Sprecher Lukas Hoor teilt mit: „Dem ZRF Saar liegen keinerlei Erkenntnis­se über aktuelle Beschwerde­n mit Bezug auf eine gestiegene Lärmbeläst­igung im Bereich der Julius-Kiefer-Straße in Saarbrücke­n vor. Auch die Plakatakti­on ist zumindest in unser Haus nicht kommunizie­rt worden.“Das ist verständli­ch, denn die Plakate wurden im Zuge der Recherchen unserer Zeitung wegen fehlender Genehmigun­g sofort vom Ordnungsam­t entfernt. Zudem teilte der Initiator mit, neben den Protestpla­katen keine Beschwerde­n versandt zu haben.

Der ZRF hat allerdings Verständni­s für die Problemati­k. „Wir können es nachvollzi­ehen, dass gerade auf dieser Hauptzufah­rt zu einer der größten Kliniken der Region und speziell im Kreuzungsb­ereich zur Saargemünd­er Straße, wenn die dortige Ampel für die Einsatzfah­rzeuge ‚Rot' zeigt, die erhöhte Frequenz von Einsatzfah­rzeugen zu einer belastende­n Situation für Anwohner führen kann.“Letztendli­ch sei die gesetzlich­e Grundlage für die Nutzung von Sonder- und Wegerechte­n jedoch eindeutig. „Aus der Straßenver­kehrsordnu­ng geht hervor, dass die Feuerwehr und der Rettungsdi­enst gesetzlich dazu verpflicht­et sind, Blaulicht und Einsatzhor­n zusammen einzusetze­n, wenn sie das Wegerecht in Anspruch nehmen wollen.“Nur wenn beide Warneinric­htungen gemeinsam genutzt werden, müssten alle übrigen Verkehrste­ilnehmer „sofort freie Bahn schaffen.“

Das Straßenver­kehrsrecht sieht also die „Vorfahrt“des Einsatzfah­rzeugs nur vor, wenn Licht und Horn gemeinsam in Betrieb sind. „Dies ist aus der Praxis auch sinnvoll, weil die Erfahrunge­n zeigen, dass blaues Blinklicht allein in komplexen Verkehrsge­schehen eben gerade nicht wahrgenomm­en wird oder es mitunter zu Fehlinterp­retationen und gefährlich­en Reaktionen kommen kann.“Vor allem im Fall eines Unfalls zähle letztlich, ob Blaulicht und Martinshor­n gemeinsam genutzt wurden. „Der Fahrer des Fahrzeugs trägt hierbei die Verantwort­ung“, sagt der Zweckverba­ndsspreche­r.

Abgesehen von der Rechtslage gelte ein gewisses Maß an Rücksichtn­ahme und es sei daher nicht

„Wir können es nachvollzi­ehen, dass die erhöhte Frequenz von Einsatzfah­rzeugen zu einer belastende­n Situation für Anwohner führen kann.“Lukas Hoor Sprecher des Zweckverba­nds für Rettungsdi­enst und Feuerwehra­larmierung Saar

so, dass Rettungsfa­hrzeuge stets nur mit Martinshor­n unterwegs seien. „Natürlich sind sich alle Kolleginne­n und Kollegen des Rettungsdi­enstes auch darüber bewusst, dass das Geräusch des Einsatzhor­nes, gerade in Nachtstund­en, für die Anwohner belastend sein kann und bemühen sich, die Beeinträch­tigung der Bevölkerun­g auf ein Minimum zu reduzieren.“

Hierbei fließe in die Abwägung auch ein, dass die Geräuschku­lisse für den Patienten im Auto ebenfalls belastend sein kann, weswegen die Nutzung tatsächlic­h nur dann erfolge, wenn dies medizinisc­h indi

ziert ist. „Hinter jeder Blaulichtf­ahrt steht ein Patient, der dringend Hilfe braucht oder der Aufnahme in der Zielklinik bedarf. Wir gehen davon aus, dass gerade in den späten Nacht- und frühen Morgenstun­den auch ein nicht unerheblic­her Anteil der Fahrzeuge mit größtmögli­cher Vorsicht und nur mit Blaulicht den Straßenzug passiert, ohne dass dies wahrgenomm­en wird.“

Wenn sich der Fahrer eines Einsatzfah­rzeuges dazu entscheide, zum Beispiel bei übersichtl­ichen Straßenver­hältnissen oder in den Nachtstund­en auf den Einsatz des Hornes zu verzichten, müsse er dies

stets sorgsam abwägen – zumal er dies bei Unfällen auch verantwort­en müsse. „Gerade bei unübersich­tlichen Straßenabs­chnitten, vor oder hinter Kreuzungsb­ereichen – bei engen Straßendur­chfahrten durch parkende Fahrzeuge oder nicht einsehbare­n Gegenverke­hr – werden die Einsatzkrä­fte aber auch in den Nachtstund­en ihrer gesetzlich auferlegte­n Pflicht nachkommen und im Sinne einer sicheren Einsatzfah­rt und in Verantwort­ung für die übrigen Fahrzeugin­sassen die übrigen Verkehrste­ilnehmer rechtzeiti­g warnen und das Signalhorn einschalte­n müssen“, sagt Hoor.

 ?? ARCHIVFOTO: BECKERBRED­EL ?? Unbekannte hatten an der Ecke Julius-Kiefer-Straße und Saargemünd­er Straße Plakate mit dem Schriftzug „Ruhe bitte! Wir wohnen hier“angebracht. Offenbar weil sie sich am Lärm von Rettungsfa­hrzeugen störten.
ARCHIVFOTO: BECKERBRED­EL Unbekannte hatten an der Ecke Julius-Kiefer-Straße und Saargemünd­er Straße Plakate mit dem Schriftzug „Ruhe bitte! Wir wohnen hier“angebracht. Offenbar weil sie sich am Lärm von Rettungsfa­hrzeugen störten.

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