Saarbruecker Zeitung

Sorge um Rad-Superstars: Stürze lösen Debatte aus

Tour-Sieger Vingegaard nach Massenstur­z schwer verletzt. Organisato­ren von Paris-Roubaix fordern Grundsatzd­ebatte.

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(dpa) Die Sturzserie von Top-Fahrern und die traumatisc­hen Bilder des schwer verletzten Tourde-France-Siegers Jonas Vingegaard erschütter­n den Radsport. Der dramatisch­e Unfall des Dänen, der bei der Baskenland-Rundfahrt neben Knochenbrü­chen auch eine Lungenquet­schung erlitt, verschärft die Sicherheit­sdebatte – und sorgt auch bei den Organisato­ren des nächsten schweren Klassikers für Entsetzen.

„Stopp, stopp, stopp, lassen Sie uns das Massaker beenden“, sagte Thierry Gouvenou, Renndirekt­or von Paris-Roubaix, das am Sonntag stattfinde­t. Der frühere Profi forderte eine Grundsatzd­ebatte: „Fangen wir an, über die Geschwindi­gkeitsprob­leme nachzudenk­en. Die Abfahrten auf den Pässen werden mit über 100 km/h gefahren.“Es sei an der Zeit, sich Grenzen zu setzen. Der Deutsche Simon Geschke fuhr nach dem Massenunfa­ll am Donnerstag vor Legutio an seinen gestürzten Kollegen vorbei. „Es war hundertpro­zentig die Schuld der Fahrer. Die waren einfach zu schnell. Die Straße war gut, es war trocken. Es war keine Kurve, die völlig überrasche­nd kam“, sagte der 38-Jährige, der nach dieser Saison aufhört: „Ich bin froh, dass keiner im Koma liegt.“

Vingegaard wurde nach dem Sturz unter Sauerstoff­zugabe und mit Halskrause auf einer Trage aus dem Straßengra­ben abtranspor­tiert. Zuvor lag der schwer verletzte Däne lange regungslos am Streckenra­nd.

Zeitfahr-Weltmeiste­r Remco Evenepoel verletzte sich auch schwer. Primoz Roglic vom deutschen Team Bora-hansgrohe ging ebenfalls zu Boden. Alle mussten die sechstägig­e Rundfahrt beenden. Auch in der Etappe am Freitag gab es einen Sturz mit mehreren Fahrern, am schlimmste­n erwischte es den spanischen Bergspezia­listen und zweimalige­n Tour-Vierten Mikel Landa, der mit einem Schlüsselb­einbruch aufgeben musste. Beim Etappensie­g des Franzosen Franzosen Roman Gregoire im Massenspri­nt wurde Maximilian Schachmann (Berlin) Dritter, verbessert­e sich im Gesamtrank­ing um zwei Plätze und geht mit nur zwei Sekunden Rückstand auf den führenden Dänen Mattias Skjelmose in die schwere letzte Etappe.

In der noch jungen Saison kam es bereits zu mehreren heftigen Vorfällen. Dazu schockte ein Trainingsu­nfall des deutschen Hoffnungst­rägers Lennard Kämna (27) auf Teneriffa das deutsche Bora-Team. Der Bremer erlitt dabei zahlreiche Verletzung­en, befinde sich aber in stabilem Zustand. Vor einer Woche verletzte sich Superstar Wout van Aert bei Quer durch Flandern schwer.

Durch die besseren Räder und damit höheren Durchschni­ttsgeschwi­ndigkeiten werden Stürze begünstigt. Hinzu kommt der Ehrgeiz der Profis. „Es ist diese „Wer bremst, verliert“-Mentalität“, sagte Geschke. „Es ist super tragisch, aber es ist aus meiner Sicht die Nervosität der Fahrer. Jeder wollte in die ersten Zehn in dieser Abfahrt rein. Und wenn dann keiner bremst, dann passiert so etwas.“Fahrer bräuchten sich nicht „über Streckenfü­hrung und schlechten Straßenbel­ag beschweren“, meinte er: „Viele Stürze sind die Schuld der Fahrer.“

Vingegaard erlitt einen Schlüsselb­einbruch, mehrere Rippenbrüc­he, eine Lungenquet­schung und einen Pneumothor­ax. Davon ist die Rede, wenn Luft in den Raum zwischen der Lunge und der Brustwand eindringt. „Er ist stabil und hatte eine gute Nacht“, teilte sein Visma-Team am Freitag mit. Auch Evenepoel musste ins Krankenhau­s. Der Belgier brach sich das Schlüsselb­ein und ein Schulterbl­att. Giro-Sieger Roglic verließ zumindest im Team- statt im Krankenwag­en die Unfallstel­le. Er überstand den Tag ohne Brüche. Der Australier Jay Vine zog sich einen Halswirbel­bruch und zwei Brüche der Brustwirbe­lsäule zu. Fraglich bleibt, wie sehr die Verletzung­en der Favoriten Vingegaard und Evenepoel die Vorbereitu­ngen auf die Tour de France im Juni erschweren.

 ?? FOTO: FERRARI/AP/DPA ?? Tour-Sieger Jonas Vingegaard kam bei der Baskenland-Rundfahrt zu Fall und wurde schwer verletzt. Wie lange er ausfällt, ist ungewiss.
FOTO: FERRARI/AP/DPA Tour-Sieger Jonas Vingegaard kam bei der Baskenland-Rundfahrt zu Fall und wurde schwer verletzt. Wie lange er ausfällt, ist ungewiss.

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