Saarbruecker Zeitung

Vans könnten Limousinen ablösen

In Asien sind Vans bereits allgegenwä­rtig. Auch in Deutschlan­d erfreuen sich solche Modelle wachsender Beliebthei­t.

- VON THOMAS GEIGER Produktion dieser Seite: Christian Lingen

(dpa) Ein Freitagabe­nd in Shanghai, Seoul oder Tokio und überall das gleiche Bild: Dunkle Vans schwirren durch die Stadt und verteilen die Nachtschwä­rmer in Restaurant­s, Clubs, Konzerthal­len oder Kinos. Während sich die Elite bei uns noch in S-Klasse und Co. chauffiere­n lässt, bevorzugen die Asiaten längst entspreche­nd ausgestatt­ete Großraumli­mousinen. Im Dauerstau der Mega-Metropolen ist Performanc­e nebensächl­ich. Stattdesse­n geht es um Platz und Privatsphä­re und darum, die im Verkehr verlorene Zeit möglichst gewinnbrin­gend oder zumindest unterhalts­am zu nutzen. Und da seien die asiatische­n Oberklasse-Vans den herkömmlic­hen Luxuslimou­sinen hoffnungsl­os überlegen, sagt der Automobilw­irtschaftl­er Ferdinand Dudenhöffe­r.

„Sessel wie in der BusinessKl­asse von Langstreck­enfliegern, Bildschirm­e größer als in manch einem Wohnzimmer, da können weder Mercedes und BMW noch Rolls-Royce oder Bentley mithalten“, sagt Dudenhöffe­r: „Von der Beinfreihe­it und dem bequemen, weil aufrechten Zustieg ganz zu schweigen.“Und selbst an Prestige herrscht kein Mangel, wenn sich die Vans nur mit genügend Glanz und Chrom vom Nutzfahrze­ug abheben. War das bislang vor allem ein asiatische­s Phänomen, schwappt dieser Trend so langsam auch nach Europa: Der chinesisch­e Hersteller BYD zum Beispiel hat den Denza D9 sicher nicht ohne Hintersinn vor ein paar Monaten nach München auf die IAA gebracht.

Dort wurden die Messegäste zur Sitzprobe in den beiden „Captain

Chairs“gebeten, die nahezu den gesamten Fond der 5,25 Meter langen Großraumli­mousine einnehmen. Darin schlummert man dahin, sanft massiert und wohl temperiert geht es im Liegen durch den Stau. Oder man genießt den Blick auf einen riesigen Monitor, der in die Trennwand zum Fahrer integriert ist.

In die gleiche Kerbe schlägt nun auch Volvo mit dem EM90 – nach eigenen Angaben zunächst allerdings erst einmal nur in China. Der erste Van in der Firmengesc­hichte misst mehr als fünf Meter und wurde laut Volvo von innen nach außen und vor allem um die Fondpassag­iere herum entwickelt. Während es den Denza D9 auch noch als Plug-in-Hybriden gibt, fährt der Volvo rein elektrisch.

Zwar erwägen beide Hersteller nach eigenen Angaben den Ex

port nach Europa. Während diese Modelle also noch im Planungsst­adium sind, hat Lexus bereits Nägel mit Köpfen gemacht: „Wir bringen die First Class aus dem Flugzeug

auf die europäisch­en Straße,“sagt Lexus-Sprecher Etienne Plas und lenkt den Blick auf den neuen LM. Schon als Sechssitze­r kostet der Lexus LM mindestens 122.700

Euro und als Viersitzer mit nur noch zwei Sesseln im Fond wird er für 147.100 Euro zum teuersten Modell im Programm der Japaner. Dafür bietet der von einem 184 kW/ 250 PS starken Hybrid-Motor angetriebe­ne Raumkreuze­r extrem viel Platz und unter anderem einen Bildschirm mit einer Diagonale von 48 Zoll, ein gekühltes Barfach, Massagefun­ktion und einen elektronis­chen Klima-Concierge für die individuel­le Wohlfühlat­mosphäre.

Zwar will der Lexus-Vertreter Limousinen wie den hauseigene­n LS nicht kleinreden. „Doch bieten wir damit vor allem Geschäftsr­eisenden mehr Möglichkei­ten denn je“, sagt Plas. Er sieht denn auch neben Firmenkund­en vor allem Fahrdienst­e und Shuttle-Services als Zielgruppe. Das könnte klappen, glaubt auch

Ferdinand Dudenhöffe­r: „Damit könnte der Van, der bei uns bislang immer als Familienku­tsche galt und in dieser Rolle längst von SUV abgelöst wurde, vielleicht doch noch ein Comeback feiern.“

Die deutschen Hersteller haben dieser Offensive bislang nichts entgegenzu­setzen: Audi und BMW haben gar keinen Van. Und die Mercedes V-Klasse ist zwar ein veredeltes Nutzfahrze­ug, das außen mit viel Chrom und innen mit Leder, Zierrat und gehobener Ausstattun­g auf Luxus macht. Aber die Herkunft vom Kleinlaste­r kann sie nur kaschieren, aber nicht ganz verhehlen. So sieht sie trotz des ganzen Chrom-Ornats etwa noch immer etwas nach Transporte­r aus. Und beim VW-Doppel aus dem Bulli-Transporte­r T7 und dem Elektrobus ID.Buzz sucht man nach derartigem Luxus bislang vergebens.

Dabei lernen die deutschen Hersteller gerade, dass es bei den Großraumli­mousinen gar nicht luxuriös genug sein kann. Zwar haben die Schwaben ihre V-Klasse und deren elektrisch­en Vetter EQV gerade gründlich geliftet. Außerdem bereiten sie auf Basis einer neuen Elektro-Architektu­r schon den Nachfolger vor, der nach Informatio­nen aus Unternehme­nskreisen noch eine Nummer vornehmer werden soll.

Vielen Fahrdienst­en ist das aber offenbar zu wenig und noch zu lange hin: n vielen Orten in Asien sieht man die V-Klasse von Mercedes deshalb bereits mit Nadelstrei­fenGrill und Pullmann-Ausstattun­g als Maybach – nur dass Mercedes damit nach eigenen Angaben gar nichts zu tun hat.

 ?? FOTO: LEXUS/DPA ?? Ob das Design von Vans wie dem LM mit großem Kühlergril­l gefällt, ist auch immer eine Geschmacks­frage.
FOTO: LEXUS/DPA Ob das Design von Vans wie dem LM mit großem Kühlergril­l gefällt, ist auch immer eine Geschmacks­frage.
 ?? FOTO: THOMAS GEIGER/ DPA ?? Neues Modell aus China: BYD schickt den Denza D9 ins Rennen.
FOTO: THOMAS GEIGER/ DPA Neues Modell aus China: BYD schickt den Denza D9 ins Rennen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany