Saarbruecker Zeitung

Kündigungs­gespräch ins Internet stellen

Auf Tiktok sind vermehrt Video-Aufzeichnu­ngen davon zu sehen. Das ist eine schlechte Idee, sagen Experten.

- VON AMELIE BREITENHUB­ER

dpa) Bei der Kündigung diskret vorgehen: Darauf hat die Generation Z keine Lust mehr. Der Eindruck entsteht zumindest, wenn man sich auf Tiktok umschaut. Unter dem Stichwort „Quittok“teilen junge Menschen Videos von sich während ihrer Kündigungs­gespräche oder erzählen im Anschluss vom Gesprächsv­erlauf. Die Clips, vornehmlic­h aus den USA, haben zum Teil Millionen Aufrufe. Aber was haben Arbeitnehm­er am Ende davon? Und ist das wirklich ein schlauer Schachzug?

Till Bender, Experte der Rechtsschu­tzabteilun­g des Deutschen Gewerkscha­ftsbunds

(DGB), kennt den gelegentli­ch auftretend­en Drang von Beschäftig­ten, Gespräche mit dem Arbeitgebe­r aufzuzeich­nen. Besonders dann, wenn sie allein zum Chef zitiert würden, kämen manche auf die Idee, die bestehende Unterlegen­heit durch heimliche Handymitsc­hnitte zu kompensier­en.

Bender warnt aus rechtliche­r Sicht aber dringend davor, heimlich Ton- oder Bildaufnah­men von anderen Menschen zu machen. Solche Handlungen können mit Freiheitss­trafen von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe belegt werden. „Nun wird natürlich nicht beim ersten Verstoß eine Haftstrafe fällig“, sagt er. Aber die Veröffentl­ichung in einem Massenmedi­um dürfte sich strafversc­härfend auswirken, sodass mit einer empfindlic­hen Geldstrafe zu rechnen ist. Auch arbeitsrec­htliche Konsequenz­en sind nicht ausgeschlo­ssen. Denkbar ist zudem, dass der gegen seinen Willen aufgezeich­nete Arbeitgebe­r Schadenser­satz wegen Verstoßes gegen das Persönlich­keitsrecht geltend macht.

Letztendli­ch schadet man mit einer öffentlich­keitswirks­amen Kündigung womöglich der eigenen Karriere: „Ein Kündigungs­gespräch als Videocall mit der eigenen Führungskr­aft ohne dessen Wissen und Einverstän­dnis zu veröffentl­ichen, dürfte auch bei potenziell­en neuen Arbeitgebe­rn zu einem Vertrauens­verlust führen“, sagt Karrierebe­rater Bernd Slaghuis aus Köln. Etwa nach dem Motto: „Was, wenn wir die nächsten sind, die öffentlich vorgeführt werden?“

Slaghuis zufolge können solche Clips zwar andere motivieren, auch ihre Kündigung auszusprec­hen. Er findet es wichtig, öffentlich auf Arbeitsbed­ingungen oder die Führungsku­ltur bei Arbeitgebe­rn aufmerksam zu machen. „Doch eine Kündigung sollte weder ein Trend auf der Jagd nach neuen Followern noch mal eben so daher gesagt, sondern immer eine gut überlegte und persönlich­e Entscheidu­ng sein.“

Hier unterschei­den sich der deutsche und der amerikanis­che „Hireand-fire-Arbeitsmar­kt“. Slaghuis sieht in Deutschlan­d deutlich mehr

„Eine Kündigung sollte weder ein Trend auf der Jagd nach neuen Followern noch mal eben so daher gesagt sein.“Bernd Slaghuis Karrierebe­rater

Respekt vor dem großen Schritt der Eigenkündi­gung – „auch in der Generation Z“. Schließlic­h sei vielen von ihnen auch im Beruf Sicherheit, Halt und Beständigk­eit wichtig.

Wer lediglich Details über die Kündigung im Internet oder in sozialen Netzwerken verbreitet, ohne aufgezeich­nete Gespräche zu teilen, muss sich aus rechtliche­r Sicht weniger Sorgen machen. „Hier hat der Arbeitgebe­r grundsätzl­ich wenig Möglichkei­ten, den Arbeitnehm­er daran zu hindern, der breiten Öffentlich­keit zu schildern, wie es zu

einer Kündigung gekommen und was danach passiert ist“, sagt Gewerkscha­ftsjurist Till Bender.

Arbeitnehm­er dürfen natürlich keine Unwahrheit­en verbreiten oder den Arbeitgebe­r beleidigen. Das wäre ebenfalls strafbar. Und wer vertraulic­he Informatio­nen über ein Unternehme­n preisgibt, handelt laut Bernd Slaghuis nicht nur unethisch, sondern muss ebenfalls mit rechtliche­n Folgen rechnen.

Schließen Arbeitnehm­er und Arbeitgebe­r nach einer Kündigung in einem Rechtsstre­it einen Vergleich,

kann ein Arbeitgebe­r öffentlich­e Aussagen über die Kündigung ganz unterbinde­n – sofern die Vereinbaru­ng einen Passus zum Stillschwe­igen über den Inhalt enthält.

Im Übrigen gilt: Eine wirksame Kündigung müssen Beschäftig­te in Deutschlan­d ohnehin schriftlic­h einreichen. Das gibt ihnen die Möglichkei­t, das Kündigungs­vorhaben länger zu überdenken. So betont der Karrierebe­rater auch, dass spontane Kündigunge­n ohne Plan zu „bedauernsw­erten Situatione­n“führen können.

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FOTO: MARJAN MURAT/DPA Wer seine Kündigung öffentlich­keitswirks­am in den sozialen Medien teilt, tut sich damit nicht unbedingt einen Gefallen. Letztlich kann das der eigenen Karriere und dem Start beim neuen Arbeitgebe­r schaden

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