Der Iran hat sich mit dem Gegenschlag selbst isoliert
Der erste iranische Angriff auf israelisches Staatsgebiet ist ein Wendepunkt für die Region, wie es die Terror-Welle der Hamas am 7. Oktober war: Der iranisch-israelische Konflikt ist offen ausgebrochen. Dadurch wächst die Gefahr eines Krieges im ganzen Nahen Osten. Den will aber niemand, auch der Iran nicht. Nur das lässt hoffen, dass die iranisch-israelische Eskalation noch eingefangen werden kann.
Das iranische Regime versucht, den Angriff auf Israel propagandistisch auszuschlachten und sich selbst als Anführer einer islamischen Front gegen den jüdischen Staat zu inszenieren. Doch einen Krieg mit Israel will Teheran nicht: Iranische Regierungsvertreter sagen, die Konfrontation mit Israel sei nun erst einmal vorbei. Sogar eine politische Abstimmung zwischen dem Iran und dem „Großen Satan“USA wird sichtbar. Außenminister Hossein Amirabdollahian enthüllte, der Iran habe vor seinem Angriff der amerikanischen Regierung signalisiert, dass sich der Beschuss israelischer Ziele in Grenzen halten werde. Nachdem der Iran Wort gehalten hat, will die US-Regierung den Partner Israel von einem massiven Gegenschlag gegen Teheran abbringen.
Unterm Strich hat Teheran mit dem Angriff zwar das Gesicht gewahrt, im Dauerkonflikt mit Israel sonst aber nichts erreicht, im Gegenteil. Die USA und andere westliche Staaten, die sich wegen Israels rücksichtsloser Taktik im Gaza-Krieg zuletzt von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu distanziert hatten, stellen sich jetzt wieder bedingungslos hinter Israel. Der iranische Angriff lässt den Gaza-Krieg und das Leid der Zivilbevölkerung zumindest vorübergehend in den Hintergrund rücken.
Statt Israel und Netanjahu zu schwächen, hat der Drohnen- und Raketenangriff die Lage in Nahost zugunsten des jüdischen Staates und seines umstrittenen Premiers verändert. Netanjahu, bisher als Kriegstreiber kritisiert, kann sich in die Opferrolle werfen. Jetzt wird der Ruf nach neuen Sanktionen des Westens gegen den Iran wieder lauter werden. Die Islamische Republik habe gegen eine Maxime von Napoleon verstoßen, kommentierte der Nahost-Experte und frühere US-Diplomat Richard Haass: „Störe niemals deinen Feind, wenn er einen Fehler macht.“
Zudem zeigen die Reaktionen der arabischen Staaten, dass der Iran trotz seiner Annäherung an den Hauptrivalen Saudi-Arabien seit dem vorigen Jahr in der Region nicht als Partner, sondern weiter als potenzieller Gegner gesehen wird. Jordanien schickte sogar Kampfflugzeuge, die zusammen mit Jets aus Israel, den USA und Großbritannien die iranischen Drohnen auf dem Weg nach Israel abfingen.
Sechs Monate Gaza-Krieg haben gezeigt, dass die islamischen Staaten in der Region die Brücken zu Israel nicht abbrechen wollen. Sie haben nicht viel für Netanjahu übrig, aber sie wollen sich weder für den Iran noch für die Hamas in die Bresche werfen. Die strategische Umorientierung der USA – weg vom Nahen Osten und hin zur Region um China – dürfte bis auf weiteres gestoppt sein. Der Iran hat nicht Israel isoliert, sondern sich selbst.