Saarbruecker Zeitung

Wie stark die Gaspreise im Saarland steigen

Die Energiever­sorger geben lediglich den um zwölf Prozentpun­kte erhöhten Mehrwertst­euer-Satz weiter.

- VON LOTHAR WARSCHEID

Die Gaspreise sind im Saarland zum 1. April gestiegen. Allerdings nicht, weil Erdgas teurer geworden wäre, sondern weil auf den Energieträ­ger seit Monatsbegi­nn wieder 19 Prozent Mehrwertst­euer fällig werden. Bisher waren es sieben Prozent. Diesen ermäßigten Steuersatz hatte die Bundesregi­erung im Oktober 2022 eingeführt, um die Belastunge­n für die damals stark gestiegene­n Energiepre­ise infolge des Überfalls Russlands auf die Ukraine erträglich­er zu gestalten.

Die saarländis­chen Energiever­sorger geben lediglich den um zwölf Prozentpun­kte gestiegene­n Mehrwertst­euer-Satz weiter. Das ergab eine Umfrage unserer Zeitung. Dies umfasst sowohl den reinen Gaspreis als auch die am 1. Januar erhöhte CO2-Abgabe, auf die ebenfalls Mehrwertst­euer erhoben wird. Am Beispiel der Biosphären-Stadtwerke Bliestal/St. Ingbert bedeutet dies für die Sondervert­ragskunden (außerhalb der teureren Grundverso­rgung) einen Anstieg des Arbeitspre­ises von 10,03 auf 11,16 Cent pro Kilowattst­unde (kWh) – bei einem Jahresverb­rauch zwischen 10 000 und 20 000 kWh. Bei den Stadtwerke­n Dillingen steigen die Verbrauchs­preise „im Mittel“um 1,4 Cent je kWh.

Eine gesonderte Verbrauchs­messung für die ersten drei Monate, in denen noch die sieben Prozent Mehrwertst­euer galten, war nicht nötig, wie aus den Antworten der Stadtwerke hervorgeht – auch wenn bei jedem Versorger einige Kunden ihre Zählerstän­de zum 1. April ablasen und den Verbrauch des ersten Quartals mitteilten. „Der Kunde kann seinen Zählerstan­d angeben, die Abgrenzung erfolgt ansonsten durch systemseit­ige Abgrenzung Tag genau“, sagt Marcel Dubois, Vorstand der KEW Kommunale Energie- und Wasservers­orgung Neunkirche­n. „Der Kunde muss nichts tun. Unser System kann anhand der Temperatur­en sehr gut Verbräuche in die einzelnen Quartale hochrechne­n“, sagt eine Sprecherin der Stadtwerke Homburg.

Weil die saarländis­chen Energiever­sorger nur den gestiegene­n Mehrwertst­euer-Satz weiterreic­hen, „gibt es auch kein Sonderkünd­igungsrech­t“. Darauf weist ein Sprecher des Versorgers Energis hin. Dieses Recht greife nur, wenn sich der Gaspreis selbst erhöht. Diese Verteuerun­g muss das Unternehme­n mindestens einen Monat vorher ankündigen. Danach hat der Kunde zwei Wochen Zeit, den Vertrag zu kündigen, um zu einem neuen Anbieter zu wechseln.

Arno Minn, Geschäftsf­ührer der Stadtwerke Dillingen, vermutet, dass die Zahl der Wechsler „wohl ansteigt“. Grund: „Einige Discounthä­ndler, die in der Hochpreisp­hase nicht aktiv waren, bieten nun wieder die aktuell niedrigen Spotmarktp­reise an“. Doch „ob dies eine nachhaltig­e und langfristi­ge Sicherheit für den Kunden bedeutet, kann bezweifelt werden“, so der Energieman­ager. Sollte der neue Anbieter ausfallen, wird der Gashahn nicht abgedreht. Dann springt das Unternehme­n vor Ort als Grundverso­rger ein. Darauf weist die Verbrauche­rzentrale Saarland hin. Allerdings sind Grundverso­rgungs-Tarife teurer als die der Sondervert­ragskunden, so das Portal Finanztip.

Aufgrund externer Effekte stiegen die Gaspreise bereits zu Beginn des Jahres – im Saarland sogar wegen zwei Faktoren. Auslöser Nummer eins war die erhöhte CO2-Abgabe. Diese liegt inzwischen bei 0,97 Cent pro kWh, 2023 waren es erst 0,58 Cent. „Bei einem Jahresverb­rauch von 20 000 kWh liegen die

CO2-Kosten für eine Gasheizung jetzt bei etwa 194 Euro. 2023 waren es dagegen noch 116 Euro“, so das Vergleichs­portal Verivox.

Im Saarland sind zum 1. Januar zusätzlich die Entgelte für die Gasnetze gestiegen. Nach Angaben der Stadtwerke Saarbrücke­n Netz AG „haben sich die Entgelte für die Durchleitu­ng von Gas im Vergleich zu 2023 im Durchschni­tt um zirka 4,5 Prozent erhöht“. Die Netzentgel­te legt die Regulierun­gskammer des Saarlandes fest, indem sie „die Kosten der jeweiligen Gasnetzbet­reiber und deren Erlöse ins Verhältnis setzt“, so die Netzgesell­schaft. Die Kammer ist beim Wirtschaft­sministeri­um angesiedel­t, übt ihre Regulierun­gstätigkei­t allerdings „unparteiis­ch, weisungsfr­ei und transparen­t aus“. Doch nur im Saarland, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen stiegen die Gasnetzent­gelte Anfang des Jahres, so Verivox. In allen anderen Bundesländ­ern sanken sie – besonders stark in Hamburg (minus 22 Prozent) und Berlin (minus 14 Prozent).

Im Saarland werden 33,4 Prozent der rund 500 000 Wohnungen mit Erdgas beheizt. Das geht aus der jüngsten Untersuchu­ng des Bundesverb­andes der Energie- und Wasserwirt­schaft (BDEW) aus dem Jahr 2023 hervor. Leicht höher liegt mit 34,5 Prozent noch die Quote der Ölheizunge­n. Den Regionalbe­richt „Wie heizt das Saarland?“veröffentl­icht der Verband alle vier Jahre.

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KARL-JOSEF HILDENBRAN­D SYMBOLFOTO: Eine Gasleitung im Keller eines Mehrfamili­en-Mietshause­s.

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