„Das wird nicht am Finanzminister scheitern“
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) wirft der Union eine Blockade der Teilentschuldung von Kommunen vor.
SAARBRÜCKEN Für einen kurzen Abstecher ist Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner am Freitagnachmittag nach Saarbrücken gekommen. Kurz vor seiner Rede beim 25-Jahre-Festakt der Villa Lessing stellte er sich den Fragen der SZ zu Themen, die für das Saarland von großer Bedeutung sind.
Herr Lindner, was kommt Ihnen zuerst in den Sinn, wenn Sie ans Saarland denken? LINDNER
Das Saarland ist die Region in Deutschland mit dem größten Genussfaktor.
Anderen Bundespolitikern wäre sicher zuerst die schwierige wirtschaftliche Lage eingefallen.
LINDNERMeine innere Einstellung ist, immer die Chancen zu suchen. Das Saarland hat Forschungseinrichtungen mit echtem Potenzial, es ist allein durch seine Lage weltoffen und europäisch. Das sind doch Stärken – jetzt, wo durch den starken Umbau der Wirtschaft neue Technologien und Dienstleistungen Arbeitsplätze schaffen können.
Diese Transformation kostet viel Geld. Haben Sie Verständnis, wenn die Ministerpräsidentin deshalb die Lockerung der Schuldenbremse fordert?
LINDNER Nein. Die Staatsquote in Deutschland ist bald bei 50 Prozent, der Bund investiert auf Rekordniveau. Wir unterstützen auch wichtige Bereiche der Wertschöpfungskette wie den Stahl beim Umbau. Aber bei gut 40 Milliarden Euro Steuergeld, die ich jährlich für Zinsen zahlen muss, sollten wir nicht noch mehr Lasten auftürmen. Für die Modernisierung der Wirtschaft setze ich daher auf Unternehmergeist und den Fleiß der Menschen. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, wird privates Kapital investiert. Weil die Rahmenbedingungen sich aber seit 2014 verschlechtert haben, investieren auch deutsche Unternehmen vermehrt im Ausland. Viele Politiker lassen sich zu sehr von den USA beeindrucken, wo Präsident Biden mit Subventionen regiert. Dort heizen die Staatsschulden gerade die Inflation wieder an, während
unsere Finanzpolitik dabei hilft, die Inflation zu drücken. Wir sollten eine Wirtschaftswende einleiten, indem wir auf weiteren Bürokratieabbau, einen flexibleren Arbeitsmarkt, bezahlbare Energie und steuerliche Entlastungen setzen.
Ansiedlungen mit Subventionen sehen Sie sehr kritisch, trotzdem haben Sie die Schecks für die Stahlindustrie und die Wolfspeed-Fabrik unterschrieben.
LINDNER Ich bin der Interessenvertreter der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Deshalb prüfe ich genau. Wirtschaftsförderung bei Stahl und Halbleiter halte ich aber für verantwortbar, weil andere Wertschöpfungsketten darauf aufbauen. Anders ist es beispielsweise bei Solarmodulen. Prinzipiell müssen wir aber die Rahmenbedingungen für alle verbessern, vom Handwerks
betrieb bis zur Industrie. Niemand kann wissen, welche Technologie, welches Unternehmen, welche Branche 2050 unsere Volkswirtschaft bestimmen wird. Deshalb müssen wir allen gute Chancen eröffnen.
Die Ampel hat versprochen, Fördermittel des Bundes weniger stark nach Himmelsrichtungen zu verteilen und dafür stärker nach Bedürftigkeit. Wann passiert das? LINDNER Es ist passiert. Gab es hier nicht neulich Zusagen für die Stahlindustrie und für eine HalbleiterAnsiedlung? Für die Wirtschaftsförderung im Saarland passiert gerade
mehr als zu der Zeit, in der Annegret Kramp-Karrenbauer, Peter Altmaier und Heiko Maas im Bundeskabinett waren.
Wird es die im Koalitionsvertrag der Ampel zugesagte Lösung der Altschuldenproblematik der Kommunen vor der Bundestagswahl 2025 noch geben?
LINDNER
Die Haltung der Bundesregierung ist klar: Wir wollen den Ländern mit hochverschuldeten Städten und Gemeinden helfen. Die Voraussetzung ist allerdings eine Änderung des Grundgesetzes, der CDU/CSU im Bundestag und der Bundesrat
zustimmen müssten. Leider habe ich keine positiven Anzeichen, dass dies passiert.
Sie hätten inzwischen eh kein Geld mehr für die Übernahme der kommunalen Schulden.
LINDNER Wenn die Union sagt, wir sind dabei, wird das nicht am Finanzminister scheitern.
Warum bestehen Sie auf einer Grundgesetz-Änderung? Nach Ansicht der saarländischen Landesregierung wäre eine Übernahme kommunaler Altschulden auch ohne möglich.
LINDNER Verfassungsrechtliche Risiken gehe ich nicht ein. Ich habe mich einmal auf SPD-Einschätzungen verlassen, als wir den Koalitionsvertrag der Ampel verhandelt haben. In der Konsequenz wurde ein Haushalt vom Bundesverfassungsgericht verworfen. Die Grundgesetz-Änderung ist ein Erfordernis bei der Teilübernahme der Altschulden durch den Bund. Denn die Schuldenübernahme durchbräche sowohl die verfassungsrechtlich verankerte Trennung der Haushalte von Bund und Ländern als auch die autonome Wahrnehmung der Haushaltswirtschaft und die Lastenverteilung. Unabhängig davon will ich aber unterstreichen, dass der Bund sich in Zukunft verstärkt auf seine originären Aufgaben konzentrieren muss – zum Beispiel bezogen auf die Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
Am 9. Juni finden Kommunalwahlen statt. Im Saarland hat es die FDP traditionell schwer. Wie blicken Sie auf die Situation der FDP Saar?
LINDNER Auf der kommunalen Ebene geht es um die Lage vor Ort, somit geht es auch um solide kommunale Finanzen, damit nicht Grund- und Gewerbesteuer erhöht werden müssen. Es geht um Freiheit auch bei der Mobilität, die FDP wird auf keinen Fall eine Politik gegen das Auto machen. Und es geht darum, Schulen und Kitas zu verbessern und das Geld nicht an anderer Stelle versickern zu lassen. Mit diesem Profil ist es der FDP an der Saar in den Kommunen an ganz vielen Stellen gelungen, stärker zu sein als bei Landtagswahlen.
Die Wahlkämpfer berichten, dass sie nicht gerade Rückenwind aus Berlin spüren.
„Für die Wirtschaftsförderung im Saarland passiert gerade mehr als zu der Zeit, in der Annegret Kramp-Karrenbauer, Peter Altmaier und Heiko Maas im Bundeskabinett waren.“Christian Lindner
LINDNER Die Ampel wird von unseren Wählerinnen und Wählern nicht geliebt, aber die objektiven Leistungen der FDP in der Bundesregierung sind sichtbar: Wir haben das Land gut durch die Krisen gebracht. Wir haben Steuern gesenkt. Die Infrastruktur wird modernisiert. Bei der Migration haben wir mit der aktuellen Einigung zur Bezahlkarte, Grenzkontrollen und reduzierten Asylbewerberleistungen nach der Ära Merkel eine Zäsur geschafft. Wir sind nicht am Ziel, aber die CDU-geführte Vorgängerregierung hat auch viele Aufgaben hinterlassen.