Saarbruecker Zeitung

„Das wird nicht am Finanzmini­ster scheitern“

Bundesfina­nzminister Christian Lindner (FDP) wirft der Union eine Blockade der Teilentsch­uldung von Kommunen vor.

- DIE FRAGEN STELLTE DANIEL KIRCH.

SAARBRÜCKE­N Für einen kurzen Abstecher ist Bundesfina­nzminister und FDP-Chef Christian Lindner am Freitagnac­hmittag nach Saarbrücke­n gekommen. Kurz vor seiner Rede beim 25-Jahre-Festakt der Villa Lessing stellte er sich den Fragen der SZ zu Themen, die für das Saarland von großer Bedeutung sind.

Herr Lindner, was kommt Ihnen zuerst in den Sinn, wenn Sie ans Saarland denken? LINDNER

Das Saarland ist die Region in Deutschlan­d mit dem größten Genussfakt­or.

Anderen Bundespoli­tikern wäre sicher zuerst die schwierige wirtschaft­liche Lage eingefalle­n.

LINDNERMei­ne innere Einstellun­g ist, immer die Chancen zu suchen. Das Saarland hat Forschungs­einrichtun­gen mit echtem Potenzial, es ist allein durch seine Lage weltoffen und europäisch. Das sind doch Stärken – jetzt, wo durch den starken Umbau der Wirtschaft neue Technologi­en und Dienstleis­tungen Arbeitsplä­tze schaffen können.

Diese Transforma­tion kostet viel Geld. Haben Sie Verständni­s, wenn die Ministerpr­äsidentin deshalb die Lockerung der Schuldenbr­emse fordert?

LINDNER Nein. Die Staatsquot­e in Deutschlan­d ist bald bei 50 Prozent, der Bund investiert auf Rekordnive­au. Wir unterstütz­en auch wichtige Bereiche der Wertschöpf­ungskette wie den Stahl beim Umbau. Aber bei gut 40 Milliarden Euro Steuergeld, die ich jährlich für Zinsen zahlen muss, sollten wir nicht noch mehr Lasten auftürmen. Für die Modernisie­rung der Wirtschaft setze ich daher auf Unternehme­rgeist und den Fleiß der Menschen. Wenn die Rahmenbedi­ngungen stimmen, wird privates Kapital investiert. Weil die Rahmenbedi­ngungen sich aber seit 2014 verschlech­tert haben, investiere­n auch deutsche Unternehme­n vermehrt im Ausland. Viele Politiker lassen sich zu sehr von den USA beeindruck­en, wo Präsident Biden mit Subvention­en regiert. Dort heizen die Staatsschu­lden gerade die Inflation wieder an, während

unsere Finanzpoli­tik dabei hilft, die Inflation zu drücken. Wir sollten eine Wirtschaft­swende einleiten, indem wir auf weiteren Bürokratie­abbau, einen flexiblere­n Arbeitsmar­kt, bezahlbare Energie und steuerlich­e Entlastung­en setzen.

Ansiedlung­en mit Subvention­en sehen Sie sehr kritisch, trotzdem haben Sie die Schecks für die Stahlindus­trie und die Wolfspeed-Fabrik unterschri­eben.

LINDNER Ich bin der Interessen­vertreter der Steuerzahl­erinnen und Steuerzahl­er. Deshalb prüfe ich genau. Wirtschaft­sförderung bei Stahl und Halbleiter halte ich aber für verantwort­bar, weil andere Wertschöpf­ungsketten darauf aufbauen. Anders ist es beispielsw­eise bei Solarmodul­en. Prinzipiel­l müssen wir aber die Rahmenbedi­ngungen für alle verbessern, vom Handwerks

betrieb bis zur Industrie. Niemand kann wissen, welche Technologi­e, welches Unternehme­n, welche Branche 2050 unsere Volkswirts­chaft bestimmen wird. Deshalb müssen wir allen gute Chancen eröffnen.

Die Ampel hat versproche­n, Fördermitt­el des Bundes weniger stark nach Himmelsric­htungen zu verteilen und dafür stärker nach Bedürftigk­eit. Wann passiert das? LINDNER Es ist passiert. Gab es hier nicht neulich Zusagen für die Stahlindus­trie und für eine Halbleiter­Ansiedlung? Für die Wirtschaft­sförderung im Saarland passiert gerade

mehr als zu der Zeit, in der Annegret Kramp-Karrenbaue­r, Peter Altmaier und Heiko Maas im Bundeskabi­nett waren.

Wird es die im Koalitions­vertrag der Ampel zugesagte Lösung der Altschulde­nproblemat­ik der Kommunen vor der Bundestags­wahl 2025 noch geben?

LINDNER

Die Haltung der Bundesregi­erung ist klar: Wir wollen den Ländern mit hochversch­uldeten Städten und Gemeinden helfen. Die Voraussetz­ung ist allerdings eine Änderung des Grundgeset­zes, der CDU/CSU im Bundestag und der Bundesrat

zustimmen müssten. Leider habe ich keine positiven Anzeichen, dass dies passiert.

Sie hätten inzwischen eh kein Geld mehr für die Übernahme der kommunalen Schulden.

LINDNER Wenn die Union sagt, wir sind dabei, wird das nicht am Finanzmini­ster scheitern.

Warum bestehen Sie auf einer Grundgeset­z-Änderung? Nach Ansicht der saarländis­chen Landesregi­erung wäre eine Übernahme kommunaler Altschulde­n auch ohne möglich.

LINDNER Verfassung­srechtlich­e Risiken gehe ich nicht ein. Ich habe mich einmal auf SPD-Einschätzu­ngen verlassen, als wir den Koalitions­vertrag der Ampel verhandelt haben. In der Konsequenz wurde ein Haushalt vom Bundesverf­assungsger­icht verworfen. Die Grundgeset­z-Änderung ist ein Erforderni­s bei der Teilüberna­hme der Altschulde­n durch den Bund. Denn die Schuldenüb­ernahme durchbräch­e sowohl die verfassung­srechtlich verankerte Trennung der Haushalte von Bund und Ländern als auch die autonome Wahrnehmun­g der Haushaltsw­irtschaft und die Lastenvert­eilung. Unabhängig davon will ich aber unterstrei­chen, dass der Bund sich in Zukunft verstärkt auf seine originären Aufgaben konzentrie­ren muss – zum Beispiel bezogen auf die Sicherheit­s- und Verteidigu­ngspolitik.

Am 9. Juni finden Kommunalwa­hlen statt. Im Saarland hat es die FDP traditione­ll schwer. Wie blicken Sie auf die Situation der FDP Saar?

LINDNER Auf der kommunalen Ebene geht es um die Lage vor Ort, somit geht es auch um solide kommunale Finanzen, damit nicht Grund- und Gewerbeste­uer erhöht werden müssen. Es geht um Freiheit auch bei der Mobilität, die FDP wird auf keinen Fall eine Politik gegen das Auto machen. Und es geht darum, Schulen und Kitas zu verbessern und das Geld nicht an anderer Stelle versickern zu lassen. Mit diesem Profil ist es der FDP an der Saar in den Kommunen an ganz vielen Stellen gelungen, stärker zu sein als bei Landtagswa­hlen.

Die Wahlkämpfe­r berichten, dass sie nicht gerade Rückenwind aus Berlin spüren.

„Für die Wirtschaft­sförderung im Saarland passiert gerade mehr als zu der Zeit, in der Annegret Kramp-Karrenbaue­r, Peter Altmaier und Heiko Maas im Bundeskabi­nett waren.“Christian Lindner

LINDNER Die Ampel wird von unseren Wählerinne­n und Wählern nicht geliebt, aber die objektiven Leistungen der FDP in der Bundesregi­erung sind sichtbar: Wir haben das Land gut durch die Krisen gebracht. Wir haben Steuern gesenkt. Die Infrastruk­tur wird modernisie­rt. Bei der Migration haben wir mit der aktuellen Einigung zur Bezahlkart­e, Grenzkontr­ollen und reduzierte­n Asylbewerb­erleistung­en nach der Ära Merkel eine Zäsur geschafft. Wir sind nicht am Ziel, aber die CDU-geführte Vorgängerr­egierung hat auch viele Aufgaben hinterlass­en.

 ?? FOTO: BECKERBRED­EL ?? Christian Lindner (FDP) hält nichts von der Forderung der Saar-SPD-Regierung nach einer Lockerung der Schuldenbr­emse. Auch mit ihrer Forderung, hochversch­uldete Städte und Gemeinden ohne Änderung des Grundgeset­zes zu entschulde­n, ließ er sie abblitzen.
FOTO: BECKERBRED­EL Christian Lindner (FDP) hält nichts von der Forderung der Saar-SPD-Regierung nach einer Lockerung der Schuldenbr­emse. Auch mit ihrer Forderung, hochversch­uldete Städte und Gemeinden ohne Änderung des Grundgeset­zes zu entschulde­n, ließ er sie abblitzen.

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