Neuer Prozess gegen Trierer Amokfahrer auf der Zielgeraden
Das zweite Verfahren um die tödliche Amokfahrt 2020 in Trier liegt weitgehend im Zeitplan. Im Mittelpunkt steht die Schuldfähigkeit des Angeklagten.
(dpa) Die Zeugen sind fast alle gehört, der weitere Zeitplan bis zum Urteil zeichnet sich ab: Der in Teilen neu aufgerollte Prozess gegen den Amokfahrer von Trier ist gut sechs Wochen nach seinem Beginn auf der Zielgeraden. Noch stehen vier Termine vor dem Landgericht Trier aus: Als letzter Prozesstag kam kürzlich noch der 6. Mai hinzu. Dann könnte nach derzeitigem Stand das Urteil fallen.
Der psychiatrische Sachverständige werde sein Gutachten über den Angeklagten wahrscheinlich am 24. April präsentieren, teilte das Landgericht auf Anfrage mit. Zudem stehe am 23. April noch die Vernehmung eines Zeugen aus dem Bekanntenkreis des Amokfahrers auf dem Programm an. An einem der Tage werde das zweieinhalb Stunden lange Video aus seiner polizeilichen Vernehmung im Ermittlungsverfahren abgespielt.
Unklar ist nach wie vor, ob der Amokfahrer sich noch zu den Vorwürfen äußert. „Wir wissen noch nicht, ob er was sagt“, sagte dessen Verteidiger Frank K. Peter der Deutschen Presse-Agentur. In diesen Tagen solle das psychiatrische Gutachten vorab schriftlich kommen. „Das werden wir prüfen und dann schauen, wie die Verteidigung damit umgeht. Je nachdem, in welche Richtung das Gutachten geht, könnte es sein, dass er sich noch einlässt.“Zum Prozessauftakt Ende Februar hatte Peter eine mögliche Einlassung angekündigt. Im ersten rund einjährigen Prozess hatte der heute 54 Jahre alte Amokfahrer geschwiegen.
Der Prozess wird teilweise neu aufgerollt, nachdem der Bundesgerichtshof das erste Urteil des Landgerichts Trier überwiegend aufgehoben hatte. In der Neuauflage steht die Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten im Fokus. Dass der Deutsche der Täter war, ist unbestritten und wird nicht neu verhandelt. Bei der Amokfahrt am 1. Dezember 2020 war der Mann mit einem Geländewagen durch die Trierer Fußgängerzone gerast und hatte gezielt Passanten angefahren. Fünf Menschen, darunter ein Baby, starben direkt nach der Tat, zudem gab es Dutzende Verletzte und Traumatisierte.
Ende Februar dieses Jahres starb ein weiterer Mann (66) an den direkten Folgen seiner schweren Verletzungen, die er bei der Tat erlitten hatte. Im Oktober 2021 war ein 77-Jähriger gestorben, der bei der
Tat schwer verletzt worden war.
Der Amokfahrer war im August 2022 wegen mehrfachen Mordes und mehrfachen versuchten Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Gericht stellte die besondere Schwere der Schuld fest, ordnete die Unterbringung des Mannes in einem geschlossenen psychiatrischen Krankenhaus an. Wegen einer diagnostizierten paranoiden Schizophrenie hatte das Gericht den Mann generell für vermindert schuldfähig gehalten.
Das neue Gutachten sei inzwischen gekommen, berichtete der Trierer Anwalt Otmar Schaffarczyk, der die Nebenklage des Bruders einer getöteten Seniorin im Prozess vertritt. Nach vorläufiger Einschätzung werde wohl die Aussage des Erstgutachters bestätigt – und zwar: „Dass der Angeklagte zwar vermindert schuldfähig war, aber nicht gänzlich schuldunfähig, sodass kein Freispruch zu erwarten ist“, sagte Schaffarczyk. So könnte es wohl bei der Verurteilung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe und zur Unterbringung in der Psychiatrie bleiben. Und möglicherweise sei zudem eine Sicherungsverwahrung zu diskutieren, die bisher kein Thema gewesen sei, sagte er.
Bisher wurden 55 Zeugen vernommen. Es handelte sich dabei um Menschen, die vor oder nach der Tat mit dem Angeklagten zu tun hatten. Wie zum Beispiel eine frühere Bekannte des Amokfahrers, die von seinem damaligen Verfolgungswahn berichtete: Er habe geglaubt, er werde über die Heizungslüfter in ihrer Wohnung abgehört. Im Bambusstrauch vermutete er Mikrofone und auf der Straße sah er wiederholt ein hin- und her-fahrendes Auto. Der gelernte Elektriker sei überzeugt, dass er Geld für eine „Versuchsreihe“bekommen solle, an der er 1973 als Kind teilgenommen habe. Dabei sei es um ein „radioaktives Mittel“gegangen, das ihm zur Erprobung gespritzt worden sei, hatte er in seiner polizeilichen Vernehmung nach der Festnahme gesagt. Er kämpfe seit Jahrzehnten vergeblich darum, eine hohe Summe Geld zu bekommen, die ihm zustehen würde.
Im Prozess berichteten Polizisten erneut von der Festnahme des Amokfahrers nach der Tat. Der Mann habe angelehnt hinter seinem Auto gestanden und eine Zigarette geraucht. Bei der Festnahme habe der Angeklagte keinen Widerstand geleistet. Er hatte den SUV nahe der Porta Nigra an einer Straßenseite geparkt – und gegrinst.