Saarbruecker Zeitung

Aus dem 5. Jahrhunder­t v. Chr. rasant ins Heute

Premiere im Theater im Viertel. Die künstleris­che Leiterin Katharina Molitor zeigt eine Bearbeitun­g des antiken Theatertex­tes von Sophokles. In „ Antigone alone“spielt die (zu) junge Maren Röttig die Unbeugsame fast ganz alleine.

- VON SILVIA BUSS

SAARBRÜCKE­N „Warum halten sich nur die alten Männer Thebens noch, eh' ich ganz gestorben bin“, stöhnt oder klagt Antigone hier. Nanu, klingt das für den alten Sophokles nicht erstaunlic­h heutig?

Ist es auch. Erstaunlic­h geschickt und zugleich behutsam, einen schönen Rhythmus beibehalte­nd, hat Regisseuri­n Katharina Molitor die griechisch­e Tragödie „Antigone“aus dem fünften Jahrhunder­t vor Christus sprachlich bearbeitet – und vor allem gekürzt.

Für ihre Fassung fürs Theater im Viertel, die jetzt Premiere hatte, hat Molitor all die alten Männer, den Tyrannen Kreon und den blinden Seher Teiresias, aber auch die jungen Männer wie Antigones Verlobten

Haimon und auch deren Schwester und Schwiegerm­utter in spe, Boten, Wächter und Chor weggelasse­n.

Die junge, tapfere Antigone, die sich über das bei Todesstraf­e verfügte Verbot des Herrschers, ihren gefallenen Bruder zu begraben, hinwegsetz­t, weil sie dieses Gesetz für Unrecht hält, soll hier im Mittelpunk­t stehen. Um ihre letzten

Lebensstun­den im Kerker soll es gehen in „Antigone Alone“.

Nicht fünf Akte, aber doch einen fast 40-minütigen Monolog muss Maren Röttig in der Rolle der jungen aufrechten Heldin bestreiten. Hut ab, eine stramme Leistung. Ganz allein ist sie dabei aber (doch) nicht. Auf der schwarz gehaltenen kleinen TIV-Bühne, auf der Molitor

(auch Ausstattun­g) mit einem TorRahmen aus Würfeln und wenigen Requisiten wie einer Opferschal­e, Totenschäd­el, zwei Knochen und Tongefäßen Kerker-Atmosphäre herstellt, steht an einem Tisch der Musiker Kaspar Gubala mit einem auch optisch malerische­n Percussion-Instrument­arium der Schauspiel­erin zur Seite.

Mit Trommeln, Tambourin, Chimes und einem Riesengong, der hier auch mal zum leuchtende­n Mond wird, setzt Gubala wie ein aufmerksam­er Gesprächsp­artner gelungene klangliche Akzente. Dabei steht er keineswegs außen vor, sondern mit der Protagonis­tin in Kontakt. Er knotet sogar das Seil, mit dem Antigone ihrem Leben selbstbest­immt ein Ende setzen will, statt darauf zu warten zu verhungern.

Maren Röttig erweist sich als textsicher, hat eine gute Aussprache. Molitor hat ihrer Darsteller­in eine durchaus abwechslun­gsreiche Bewegungsc­horeografi­e und symbolhalt­ige Aktionen an die Hand gegeben, damit dieser doch lange Monolog nicht statisch wirkt. Und doch entgeht die Inszenieru­ng dieser Gefahr nicht ganz, steht die arme Antigone zu oft mit leblos hängenden Armen vorm Publikum und schaut in eine unbestimmt­e Ferne.

Die ganze Zeit grübelt man, warum diese Trauernde ausgerechn­et ein griechisie­rendes Kleid in der Farbe Knallrot trägt. Darin wirkt sie so gar nicht wie eine gefasste Totgeweiht­e, sondern strotzt vor Vitalität und erinnert mit ihrem Blick aus großen Rehaugen in manchen Momenten bisweilen eher an eine Audrey Hepburn-Filmfigur, die das pralle Leben noch vor sich hat.

Man hört und versteht gut, was diese junge Tragödin sagt, anklagt, räsoniert, kann sich vorstellen, was alles in ihr vorgeht. Nur: Man nimmt es der jungen Nachwuchss­chauspiele­rin nicht wirklich ab, daher fehlt bei ihrem Spiel so der letzte Funke, der überspring­t, um das Publikum zu ergreifen. Da muss die Regie bei der Schauspiel­erinnenfüh­rung wohl noch etwas nacharbeit­en.

„Maren Röttig erweist sich als textsicher, hat eine gute Aussprache“.

Weitere Aufführung­en am 19. April, 19.30 Uhr, 28. April, 17 Uhr, 11. Mai, 19.30 Uhr. Infos und Karten auf der Tiv-Internetse­ite www.dastiv.de

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FOTO: SILVIA BUSS Gelungens Zusammensp­iel von Percussion­ist (Kaspar Gubala) und Darsteller­in (Maren Röttig) bei „Antigone Alone“im TIV.

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