Saarbruecker Zeitung

Teherans teuflisch verzweigte­s Netzwerk

Das Mullah-Regime hat sich einen Unterstütz­erkreis auf der ganzen Welt aufgebaut. Das erschwert Deutschlan­d und anderen Staaten die Vermittlun­g in dem Konflikt.

- VON HOLGER MÖHLE

Annalena Baerbock ist schon wieder unterwegs. Am Dienstagmi­ttag tritt sie noch mit dem jordanisch­en Außenminis­ter Ayman Safadi in Berlin auf. Das Thema: Der Krieg in Gaza und der drohende Krieg zwischen Israel und Iran. Danach startet die deutsche Außenminis­terin erneut nach Israel, ihre siebte Reise dorthin seit dem Terror der Hamas in Israel am 7. Oktober vergangene­n Jahres. Die Lage: „hochdramat­isch“. Mit ihrem Amtskolleg­en Safadi tausche sie sich mittlerwei­le „im Grunde wöchentlic­h“aus – Telefonate, Treffen, SMS. Wie nur kann ein Krieg, der zum Flächenbra­nd würde, zwischen Iran und Israel verhindert werden? Baerbock bekennt: „Der Angriff Irans auf Israel hat uns seither den Schlaf geraubt.“Diplomatie rund um die Uhr.

Ihr Gast aus Jordanien sagt mit Blick auf die iranische Drohnenatt­acke gegen Israel: „Durch diesen Angriff wird auch Jordanien unmittelba­r gefährdet“. Ein regionales Bündnis, das Israels Regierung nach dem Angriff Irans gegen Teheran schmieden will, sehen derweil mehrere arabische Staaten skeptisch, weil sie sich nicht in die Konfrontat­ion zwischen Israel und Iran hineinzieh­en lassen wollen. Dazu passt, dass Jordaniens Außenminis­ter Safadi Israel nochmals nachdrückl­ich aufruft, den Krieg in Gaza zu beenden, damit sich der Konflikt nicht ausweiten könne.

Während Israel Pläne einer „strategisc­hen Allianz“gegen Iran verfolgt, pflegt Teheran seine strategisc­hen Partnersch­aften. Wenn die Mullahs in Teheran auf die Weltkarte gucken, gefällt ihnen trotz der brandgefäh­rlichen Lage vor der eigenen Haustür vor allem der Blick nach Lateinamer­ika. Hat Iran mit dem „Satan USA“und dem Erzfeind Israel (atom-)mächtige Feinde, so pflegt das Regime in Teheran mit einigen Autokraten auf dem südamerika­nischen Kontinent allerbeste Beziehunge­n. Dort haben die Machthaber dem Präsidente­n des Iran, Ebrahim Raisi, den roten Teppich ausgerollt, als dieser im vergangene­n Jahr in Venezuela, Kuba und Nicaragua landete. Wer also glaubt, Iran sei auf der Welt ohne Verbündete und Partner, muss nur auf den Süden der Erdkugel gucken, wo die Mullahs bewährte Beziehunge­n pflegen und lukrative Geschäfte machen.

Die Mullahs haben über Jahre ein dichtes politische­s Netzwerk mit Regierunge­n gestrickt, die es mit

Demokratie, Frauen- und Menschenre­chten ebenso wenig genau nehmen wie das Regime in Teheran selbst. Vor allem vereint sie der gemeinsame Wille, den verhassten Imperialis­ten in Washington D.C. die Stirn zu zeigen. Ein teuflisch verzweigte­s Netzwerk. In Venezuela etwa betont Machthaber Nicolás Maduro immer wieder seinen privilegie­rten Kontakt mit Teheran. Maduro, der sein

Land in ein wirtschaft­liches Fiasko getrieben hat, wollte für den iranischen General Quassim Soleimani, der 2020 bei einem US-Drohnenang­riff getötet worden war, sogar eine Büste errichten lassen. So viel Heldenvere­hrung erfreut die Mullahs, die es wirtschaft­licher und technologi­scher Zusammenar­beit zurückzahl­en. Ähnlich wie Russland seinen strategisc­hen Fußabdruck mit militärisc­hem Engagement in Libyen, Mali oder Niger setzt, bemüht sich Iran seit vielen Jahren gezielt um Partner und Verbündete in Lateinamer­ika. Überall dort, wo sich Regierunge­n nicht länger vom Westen, allen voran den USA, dominieren oder beeinfluss­en lassen wollten, klopften Vertreter der Mullahs an die Türen der Regierungs­paläste – und wurden gerne hereingela­ssen. Auffällig: Vor allem die autoritäre­n Regierunge­n Lateinamer­ikas – Venezuela, Kuba, Nicaragua -- ließen sich mit Iran ein. Doch auch Brasilien, das mit den Staaten der Brics-Gruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) einen

Gegenpol zu G7, EU und Nato aufbauen will, pflegte die wirtschaft­liche Zusammenar­beit. Das größte Land des südamerika­nischen Kontinents lieferte munter Agrarprodu­kte nach Iran, Teheran belohnte derlei Zusammenar­beit unter anderem mit Krediten. Und dann ist da schließlic­h noch Nordkorea, das Russland mit Raketen versorgt, ebenso wie Iran Drohnen für den Krieg gegen die Ukraine nach Moskau liefert. Iran, Nordkorea, Russland – ein sinistres Dreieck auf der Weltkarte. Fachwissen aus Nordkorea sollen auch die Stellvertr­eter („Proxys“) des Iran, die Terrororga­nisation Hisbollah und Hamas, nutzen.

Sollte es in Gaza zu einer Waffenruhe kommen, könnte dies auch den militärisc­h aufgeladen­en Konflikt zwischen Israel und Iran womöglich entschärfe­n. Die alte Verhandler-Erkenntnis bestätigt sich wieder einmal: Im Nahen Osten hängt tatsächlic­h alles mit allem zusammen. Und daran wiederum hängt die Frage von Krieg und Frieden.

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FOTO: KAY NIETFELD/DPA Am Dienstag traf Bundesauße­nministeri­n Annalena Baerbock (Grüne) ihren jordanisch­en Amtskolleg­en Ayman Safadi in Berlin, um über Lösungsmög­lichkeiten für den Konflikt zu beraten.

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