Saarbruecker Zeitung

Das Auto ist der größte Klimasünde­r

Der Expertenra­t stellt ein schlechtes Klima-Zeugnis aus. Nun ändert die Ampel das Klimageset­z und verwischt so die Verantwort­ung.

- VON ANTJE HÖNING

Was für eine Schlappe für die selbst ernannte Fortschrit­tskoalitio­n! Der Expertenra­t für Klimafrage­n hat der Ampel am Montag ein vernichten­des Urteil zur Klimapolit­ik ausgestell­t. Zwar sind im Jahr 2023 bundesweit die Emissionen an Treibhausg­asen gegenüber dem Vorjahr insgesamt um rund zehn Prozent gesunken, was der größte prozentual­e Rückgang seit 1990 ist. Aber: Das ist nicht das Ergebnis besonderer politische­r Anstrengun­gen beim Klimaschut­z, sondern vor allem die Folge der Wirtschaft­skrise. Zudem hat der Verkehrsse­ktor erneut seine Klimaziele deutlich verfehlt, was nur durch krisenbedi­ngte Einsparung­en der Strom- und Chemiekonz­erne kompensier­t wurde. Und ausgerechn­et daraus will die Ampel nun ein Prinzip machen. Sie einigte sich nach langem Streit auf Änderungen beim Klimaschut­zgesetz, wie am Montag bekannt wurde. Sektorziel­e soll es demnach nicht mehr geben, die Verantwort­ung der einzelnen Minister wird verwischt. So sieht es in den einzelnen Sektoren aus:

Die Energiebra­nche, die schon in den Vorjahren viel eingespart hat, konnte die Emissionen um satte 20 Prozent gegenüber dem Jahr 2022 senken. Sie hat auch absolut den stärksten Beitrag zum Emissionsr­ückgang geleistet. „Dies lag vor allem an einer stark gesunkenen Verstromun­g von Kohle. Ein wichtiger Grund hierfür war die schwächere Stromnachf­rage der energieint­ensiven Industrie“, stellt der Bericht klar. Die Chemie- und Stahlprodu­ktion ist eingebroch­en, entspreche­nd weniger Kohlendiox­id (CO2) emittieren diese Branchen. „Ohne den Rückgang der energieint­ensiven Industrie und die erneut milde Witterung im Jahr 2023 hätten die Emissionen deutlich höher gelegen. Damit wäre das implizite Jahresziel für alle Sektoren in Summe vermutlich nicht erreicht worden“, betonte der Vorsitzend­e des Expertenra­ts, Hans-Martin Henning. Die Wirtschaft­sschwäche führt auch dazu, dass die Industrie jenseits der Stromerzeu­ger weniger produziert und damit weniger CO2 ausstößt.

Der Verkehrsse­ktor hingegen verfehlt sein Klimaziel zum dritten Mal deutlich: Er hätte nach den Vorgaben des Klimaschut­zgesetzes nur 133Megaton­nen CO2 emittieren dürfen, es wurden aber 146Megaton­nen. Das liegt nicht am Güterverke­hr, hier sind die Emissionen wegen der Wirtschaft­sschwäche sogar leicht gesunken. Der größte Klimasünde­r in Deutschlan­d ist der Pkw-Verkehr: Die Emissionen durch privaten Verkehr nahmen zu statt ab. Grüne Mobilität durch das „Deutschlan­dticket“,

Bahnausbau, Offensive für fahrradfre­undliche Städte – alle Verspreche­n entpuppen sich als wirkungslo­s: Die Bürger in Deutschlan­d fahren insgesamt zu viel Auto, zu schwere Autos und erzeugen so immer mehr Treibhausg­as-Emissionen, die den Klimawande­l anheizen.

Im Wärmeberei­ch hat Deutschlan­d sein Ziel ebenfalls verpasst, wenn auch nur knapp. Die Emissionen im Gebäudesek­tor sanken zwar auf 102Megaton­nen, es hätten aber nur 101Megaton­nen sein dürfen. Und selbst diese Einsparung­en resultiere­n nicht aus kluger Politik, sondern aus zwei externen Entwicklun­gen: dem geänderten Heizverhal­ten wegen der hohen Gaspreise und der anhaltend milden Witterung, so der Expertenra­t. Dass die Deutschen wegen des missratene­n Heizungsge­setzes von Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) sogar einen Rekord an Gasheizung­en geordert haben und Habecks kleinmütig­e Kraftwerks­trategie den Kohleausst­ieg 2030 in Gefahr bringt, verschärft das Problem.

Bundesverk­ehrsminist­er Volker Wissing (FDP) kannte diese Zahlen, als er die Bürger unlängst mit der Drohung von Fahrverbot­en an Wochenende­n schockiert­e. Laut den bislang geltenden Regeln müssten die zuständige­n Minister für den Verkehr (wie auch für den Gebäudesek­tor) wegen der Zielverfeh­lungen eigentlich Sofortprog­ramme vorlegen. Das hat der Expertenra­t auch noch einmal bekräftigt.

Im Wärmeberei­ch hat Deutschlan­d sein Ziel ebenfalls verpasst, wenn auch nur knapp.

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